Dieter Gehling mit seiner Pilatus von 1949 vor der Werfthalle von Gehling Flugtechnik auf dem Flugplatz Stadtlohn-Vreden.

© Oliver Kleine

Dieter Gehling: Der Mann mit dem Händchen für fliegende Oldtimer

rnRE-LIVE Gehling Flugtechnik

Piloten, die einen langen Flug in Kauf genommen haben, um den Flugplatz Stadtlohn-Vreden anzusteuern, haben meist den gleichen Grund. Ihr Ziel ist die Werft von Gehling Flugtechnik.

Stadtlohn, Vreden, Südlohn

, 25.12.2021, 07:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Von Viren ist viel die Rede in den letzte Monaten. Den Virus, den sich Dieter Gehling schon in jungen Jahren eingefangen hat, den wird er nicht mehr los. Aber es ist ein positiver. „Wenn man von der Fliegerei infiziert worden ist, dann kommt man nicht mehr davon los,“ sagt er schmunzelnd. Den Versuch hat der inzwischen 56-jährige auch gar nicht ernsthaft gemacht.

Leidenschaft zum Beruf gemacht

Stattdessen machte er seine Leidenschaft zum Beruf. Seit 1998 ist er Geschäftsführer und Inhaber der Firma Gehling Flugtechnik. Das Flugzeugswartungsunternehmen hat seinen Sitz am Flugplatz Stadtlohn-Vreden. Doch wer meint, diese ländlichen Lage, weit entfernt von den Metropolen, umgeben von Feldern nahe der holländischen Grenze, sei gleichbedeutend mit einem wirtschaftlichen Schattendasein, liegt weit daneben.

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Gehling Flugtechnik ist spezialisiert auf fliegende Oldtimer

Neben Alltagsflugzeugen haben die Experten von Dieter Gehling regelmäßig flugfähige Oldtimer zu Gast in ihrem Werfthangar am Flugplatz Stadtlohn-Vreden. In den letzten Jahren waren darunter so klingende Namen wie Antonov AN 2, Yak, De Havilland, PZL 106, Pilatus P2, Stearman und viele andere. Die Kunden nehmen oft weite Wege in Kauf, um ihre Schätzchen in Gehlings fachkundige Hände zu geben.
06.08.2021

Die Maschinen, die Gehling Flugtechnik repariert, restauriert oder wartet, kommen aus ganz Deutschland und aus ganz Europa. Gehling besitzt die Zulassung zur Instandhaltung an Flugzeugen in Holz-, Gemischt-, Kunststoff- und Metallbauweise für Kolbenmotoren bis 5,7 Tonnen. Segelflugzeuge oder Motorsegler werden auf der Werft in Stadtlohn-Vreden ebenfalls wieder flott gemacht. Ob es sich um Schäden am Triebwerk, an der Elektronik oder an der Zelle handelt, die Experten verfügen über das Know-how, um alle gängigen Reparaturen durchzuführen.

Auf die Restaurierung klassischer Flugzeuge spezialisiert

Was den kleinen Flugplatz zu einem ganz besonders gefragten Punkt auf der Landkarte vieler Flugzeugliebhaber macht, ist das Spezialgebiet von Dieter Gehling und seinem Team. Nämlich die Restaurierung und Reparatur von fliegenden Oldtimern. Flugzeugwerften mit diesem Know-how gibt es in Europa nicht viele, sagt Gehling. Deutschlandweit seien es etwa drei. Dabei sei sein eigenes Unternehmen schon eingerechnet.

Kein Wunder, dass seine Kunden weite Strecken in Kauf nehmen, um ihre Schätzchen in seine Hände zu geben. Sein jüngster Fall ist ein 600 PS Sternmotor. Der Kunde flog mit einer Harvard T6 aus Tschechien ein. Ein Trainingsflugzeug der US Air Force. Auf ihm wurden im Zweiten Weltkrieg Piloten für die P 51 Mustang geschult.

Der Motor läuft nicht sauber. Eineinhalb Jahre hat der Besitzer versucht, den Fehler zu finden, bis er mit seinem Veteranen auf der Landebahn am Wenningfeld aufsetzt. Die Experten von Gehling sind schneller. Nach kurzer Zeit haben sie eine defekte Nockentrommel als Ursache bei dem Sternmotor festgestellt. Damit ist das Problem erkannt, aber jetzt fängt die Arbeit erst an.

Ersatzteile gibt es nicht im Internethandel

Man brauche für die Reparatur von Oldtimern viel Erfahrung, Spezialwerkzeug und die entsprechenden Unterlagen, erläutert Gehling. Vor allem aber brauche man das Wissen und die Verbindungen, um an Ersatzteile zu kommen. „Die kann man nicht einfach im Internet kaufen. Jedes Ersatzteil in der Luftfahrt braucht eine Zulassung und Zertifizierung. Ich kann noch nicht einmal einen Ölfilter bei Ebay kaufen.“ Das Ersatzteil für die Harvard T6 ist in den USA bestellt. Bis dahin wartet der Oldtimer mit in Folie verpacktem Triebwerk auf den nächsten Start.

Oldtimer sind Gehlings Steckenpferd

Gehlings Händchen für klassische Flugzeuge spricht sich herum unter den Flugzeugbesitzern. Rund 100 Flugzeuge mit Sternmotoren werden auf der Werft in Stadtlohn gewartet. Auch eine große Zahl von Doppeldeckern gehören zu den regelmäßigen Gästen. Die Oldtimer sind sein Steckenpferd. Schon als Junge habe es ihn immer wieder zur Windmühle Menke mit Sägewerk und den darin arbeitenden Dampfmaschinen in Südlohn hingezogen. „Ich bin technikverliebt. Und ich habe gern ölverschmierte Hände.“

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In seinem Hangar sieht es sauber und aufgeräumt aus. Die Flugzeugmechaniker arbeiten an einer Piper und einer Cessna, bei der die Jahresinspektion ansteht. Das dauere eine Woche, verrät der Mechaniker.

Die beiden Flugzeuge wirken winzig gegenüber dem Riesen in leuchtendem gelb-rot. Das Flugzeug mit dem großen Sternmotor gehört Gehling selbst. Ein seltenes Stück. Der Agrarflieger stammt aus der ehemaligen DDR. Nach dem Fall der Mauer ist Gehling auf die Maschine aus polnischer Produktion gestoßen. Mit ihr fliegt er regelmäßig zu Flugschauen und Veranstaltungen. Und bringt auf dem Rückflug immer ein bis zwei neue Kunden mit.

Jagdflugzeug Focke Wulf 190 nachgebaut

Das außergewöhnlichste Projekt, an dem Gehling beteiligt war, ist ein kompletter Neubau eines Jagdflugzeuges aus dem Zweiten Weltkrieg. Eine Gruppe von fünf Enthusiasten aus Schweden ließ eine Focke Wulf 190 bauen. Dieter Gehling machte bei dem Projekt, das alles in allem 25 Jahre dauerte, die Prüf- und Baubegleitung.

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An Originalflugzeugen wurden die Maße abgenommen. Dann in Rumänien die Werkzeuge gefertigt, um anschließend die Blechteile herzustellen. Eingebaut wurde ein russisches Triebwerk, dass dem originalen BMW 14-Zylinder-Doppelsternmotor sehr ähnlich ist. Zusammengebaut wurde das Flugzeug schließlich in Süddeutschland. Die letzten Flugerprobungen und Handgriffe erfolgten in und über Stadtlohn-Vreden. Von dort flog das Flugzeug dann zu den Auftraggebern nach Schweden.

Fürs Foto schieben Techniker Gehlings Pilatus vor den Hangar. Das silberne Metallkleid der zweisitzigen Maschine von 1949 funkelt in der Sonne. Währenddessen setzt im Hintergrund ein Flugzeug zur Landung an. Auch dieser Pilot steuert Gehlings Halle an. Man kennt sich. Der Holländer und seine Frau sind auf einer Urlaubsreise.

Auf dem Flug nach Jena macht das Paar einen Zwischenstopp, um Bremsflüssigkeit bei der französischen Jodel aus den 1960iger Jahren auffüllen zu lassen. Das aus Holz gefertigte Flugzeug ist vollgepackt mit Zelt und Gepäck. Von Jena aus soll die Reise der fliegenden Camper über verschiedene Stationen weiter gehen bis nach Versailles in Frankreich.

Als KFZ-Mechaniker angefangen

„Die Arbeit ist unheimlich vielseitig und breit gefächert“, sagt Gehling. Aluminiumbleche nieten, biegen und walzen. Stoffe nähen. Glasfaser und Karbon bearbeiten. Holzleisten leimen und schäften. Motoren reparieren, Elektronik instand setzen. Die Grundlagen des Luftrechtes beherrschen. Ursprünglich ist Gehling gelernter KFZ-Mechaniker. Auch den Meistertitel hat er.

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Gelernt hat bei einem Reisebusbetrieb in Borken. Der Firma gehörte aber auch der „Hamaland Flugdienst“. Mit Flugschule, Lufttaxi und Werkstatt. Bald verbrachte der Lehrling immer mehr Zeit auf dem Flugplatz. 1998 kauft er schließlich den technischen Teil des Flugdienstes.

Dieter Gehling beschäftigt zehn Mitarbeiter, davon drei Auszubildende. Seit fast 30 Jahren ist er Prüfungsmitglied der IHK Münster. Vor allem aber mit Leib und Seele Flieger.