15.000 Miniatursoldaten Modell der Schlacht bei Stadtlohn wird an historischem Ort gezeigt

15.000 Miniatursoldaten zeigen Schlacht an historischem Ort
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Mit spitzen Fingern rückt Modellbauer Herbert Switkowsky (68) einen Musketier zurecht, einen von 15.000 handbemalten Miniatursoldaten, die sich auf knapp 20 Quadratmetern in Schlachtordnung formiert haben. Sie sind bereit für eine der größten offenen Feldschlachten des Dreißigjährigen Krieges. Diese Schlacht hat 1623 bei Stadtlohn stattgefunden.

Am 6. August 2023 jährt sich das blutige Ereignis zum 400. Mal. Eine Fülle von Veranstaltungen sind aus diesem Anlass geplant. Die anschaulichsten Einblicke aber ermöglicht wohl eine Ausstellung im Saal des Landhauses Eichenhof in Almsick 43. Im Mittelpunkt steht das große Diorama: Eine Miniaturlandschaft, die auf Grundlage historischer Kupferstiche die Aufstellung der Heere der Widersacher Graf von Tilly und Christian von Braunschweig in Szene setzt.

Hermann Hintemann, Heinrich Gehling (mit historischer Kanonenkugel) und Heinz Niestegge (von links) gehören zum Diorama-Team des Heimatvereins Stadtlohn.
Hermann Hintemann, Heinrich Gehling (mit historischer Kanonenkugel) und Heinz Niestegge (von links) gehören zum Diorama-Team des Heimatvereins Stadtlohn. © Stefan Grothues

Der Eichenhof steht unmittelbar auf dem historischen Schlachtgelände in Almsick. Bei der Schlacht im Lohner Bruch, die dort vor den Toren der Stadt Stadtlohn ausgetragen wurde, standen sich 50.000 Soldaten gegenüber. Wahrscheinlich mehr als 6000 Menschen überlebten das nur wenige Stunden dauernde Gemetzel nicht.

Im Jahre 2008 entstand die Idee, die Schlacht und einen Teil der Stadt Stadtlohn in einer originalgetreu nachgebildeten Landschaft als historische und volkskundliche Miniaturwelt im Maßstab 1:72 darzustellen. Unter Leitung erfahrener Modellbauer bemalten zeitweise bis zu 100 Jugendliche die individuell gegossenen Zinnfiguren sowie eine speziell aufgelegte Serie von Kunststofffiguren. Die Gruppe löste sich 2012 auf.

Diorama-Detail: der historische Kalkofen im Kalkbruch nahe der Kalterbrücke
Stadtlohner Geschichte im Diorama: der historische Kalkofen im Kalkbruch nahe der Kalterbrücke © Stefan Grothues

Das Werk aber war noch nicht vollendet. Es fehlten noch typisch Stadtlohner Landschaftselemente. Der Heimatverein bat einen echten Experten um Hilfe: Herbert Switkowsky. Denn der war vielen Stadtlohnern schon als Modellbauer des Eisenbahnvereins bekannt.

„Ich bin seit meiner Kindheit Modelleisenbahner“, sagt Herbert Switkowsky. Die ersten Landschaften baute er aus Gips, später kam der Werkstoff Kork hinzu. Mittlerweile kennt Herbert Switkowsky jeden Kniff.

Diorama-Detail: das Modell der Hilgenbergkapelle
Die Hilgenbergkapelle war schon zu Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs ein Zufluchtsort. Nach der Schlacht soll Feldherr Tilly hier gebetet haben. © Stefan Grothues

Hermann Hintemann, Heinrich Gehling und Heinz Niestegge, alle drei aktive Heimatvereinsmitglieder, haben in diesen Tagen gemeinsam mit Herbert Switkowsky alle Hände voll zu tun mit dem Aufbau des Dioramas im Eichenhof. Es hat seinen angestammten Platz in der ehemaligen Marienschule.

Hermann Hintemann zeigt auf einen abgebrannten Modell-Bauernhof. Wie in allen Kriegen waren nicht nur Soldaten die Opfer. Marodierende Truppen plünderten immer wieder die Bevölkerung aus. Hintemann: „Meine Vorfahren hatten einen Hof in Graes. Auch der wird in den Quellen aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs als ,wüst‘ beschrieben.“

Diorama-Detail: Versorgungstross
Die beiden Heere wurden von großen Versorgungstrossen begleitet. © Stefan Grothues

Das Diorama zeigt nicht nur den Truppenaufmarsch der Soldaten und des Begleittrosses. Viele kleine und versteckte Szenen laden zu einer Entdeckungsreise in ein 400 Jahre entferntes Stadtlohn ein: die Bäuerin, die auf dem Feld arbeitet, der Arbeiter am Kalkofen an der Kalterbrücke, die verzweifelt betenden Menschen an der Hilgenbergkapelle.

„Bis zur Ausstellungseröffnung im März wollen wir noch Fragebögen für Kinder und Erwachsene erstellen“, sagt Heinrich Gehling. „Sie sollen dazu anregen, sich intensiver mit den vielen Details des Dioramas auseinanderzusetzen.“

Diorama-Detail: Bäuerin bei der Feldarbeit
Die Ruhe vor der Schlacht: eine Bäuerin bei der Feldarbeit. © Stefan Grothues

Die Ausstellung im Eichenhof vermittelt über das Diorama hinaus weitere Einblicke in das historische Geschehen des 17. Jahrhunderts. „Es werden auch viele Fundstücke vom Schlachtfeld zu sehen sein: Kanonenkugeln, Hellebarden und andere Waffen, Munition und Würfel aus Tierknochen“, sagt Ulrich Söbbing, Leiter des Stadtarchivs, Historiker und Vorsitzender des Heimatvereins.

Historische Kupferstiche, Dokumente und andere Abbildungen erklären die Hintergründe und den Ablauf der Schlacht. Wer es ganz genau wissen möchte, erfährt den Stand der historischen Forschung in der neuen, 156 Seiten starken und reichbebilderten Abhandlung Ulrich Söbbings. „Die Veröffentlichung befindet sich gerade in Druck und wird pünktlich zur Ausstellung erscheinen“, sagt Söbbing.

Ulrich Söbbing mit der Nachbildung eines historischen Helms
Stadtarchivar und Heimatvereinsvorsitzender Ulrich Söbbing zeigt die Nachbildung eines Helms, wie er von den Soldaten im Dreißigjährigen Krieg getragen wurde. © Stefan Grothues

Die Ausstellung wird am Samstag, 4. März, eröffnet. Sie wird bis zum 28. Oktober immer samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt kostet für Erwachsene sechs und für Kinder drei Euro (ab dem dritten Geschwisterkind frei).

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