Stadtarchivar Ulrich Söbbing (l.) und Hobbyhistoriker Richard Lammers mit Kupferstichen der Widersacher Graf Tilly und Christian von Braunschweig. Rechts ist ein Detail des Dioramas zu sehen, das aus 16.000 Zinnfiguren besteht.

© Stefan Grothues

Vor 399 Jahren war Stadtlohn für einen Tag blutiger Mittelpunkt Europas

rnGedenkjahr naht

Eine der großen Schlachten des 30-jährigen Krieges wurde in Stadtlohn geschlagen. Die Planungen für den 400. Jahrestag laufen. Dabei spielen auch Flüchtlinge und der Ukraine-Krieg eine Rolle.

Stadtlohn

, 21.03.2022, 17:30 Uhr / Lesedauer: 2 min

Der Krieg kommt den Menschen in Europa in diesen Tagen nahe wie lange nicht mehr. Die Bilder der Bombardierungen in der Ukraine berühren und erschrecken viele Menschen in Stadtlohn. Und Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine suchen auch im Münsterland Schutz vor der Gewalt in ihrer Heimat.

Vor 399 Jahren stand Stadtlohn selbst für einen Tag im Mittelpunkt eines großen europäischen Krieges. Im Lohner Bruch wurde eine der entscheidenden Schlachten des Dreißigjährigen Krieges geschlagen. Im kommenden Jahr jährt sich das Datum der Schlacht zum 400. Mal.

Tausende Tote in nur zwei Stunden

„Von einem Jubiläum kann man ja nicht reden“, sagt Stadtarchivar Ulrich Söbbing. Denn auch ohne moderne Kriegstechnik war die Schlacht ein Gemetzel. 15.000 Reiter und über 40.000 Infanteristen waren beteiligt. Mit Musketen, Lanzen und Schwertern richteten sie ein Blutbad an.

Über den Düwing Dyk rückten die Truppen und ihr Tross zum Schlachtfeld an – ein Detail aus dem großen Zinnfiguren-Diorama, das im nächsten Jahren im Eichenhof zu sehen sein wird.

Über den Düwing Dyk rückten die Truppen und ihr Tross zum Schlachtfeld an – ein Detail aus dem großen Zinnfiguren-Diorama, das im nächsten Jahr im Eichenhof zu sehen sein wird. © Stefan Grothues

In nur zwei Stunden verloren Tausende von Soldaten ihr Leben. „Wie viele es genau waren, weiß man nicht. Die Angaben in den Quellen sind unterschiedlich und reichen von 4000 bis 8000 Toten“, sagt Ulrich Söbbing. Zum Vergleich: Bei den Bombardierungen Stadtlohns im März 1945 verloren rund 600 Menschen ihr Leben.

Gedenkjahr richtet Blick auch auf den Krieg in der Gegenwart

Die Schlacht im Lohner Bruch wurde am Sonntagnachmittag des 6. August 1623 zwischen den Truppen des protestantischen Feldherrn Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel und dem Heer der Katholischen Liga unter Graf Tilly ausgefochten. Sie endete mit einer verheerenden Niederlage für Christian von Braunschweig.

Schon weit vor dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine gab es in Stadtlohn die Idee, das Thema Krieg und Flucht anlässlich des 400. Jahrestages umfassender und mit Gegenwartsbezügen aufzugreifen. Eine Arbeitsgruppe hat bereits mit den Vorplanungen begonnen und bei der Bezirksregierung Fördermittel beantragt.

Wie genau der 400. Jahrestag begangen wird, steht noch nicht fest, sagt Ulrich Söbbing. Möglicherweise wird es auch eine Nachstellung der Schlacht in historischen Kostümen geben.

16.000 Zinnfiguren zeigen das Schlachtgeschehen

Auf jeden Fall aber wird während des ganzen Jahres 2023 das große Diorama des Schlachtgeschehens im Saal des Eichenhofs Lammers zu sehen sein. Der Ort wurde mit Bedacht gewählt: Der Eichenhof am Düwing Dyk steht genau dort, wo die Schlacht im Lohner Bruch tobte. Das Diorama zeigt die Schlacht mit rund 16.000 Zinnfiguren in einer originalgetreu nachgebildeten Landschaft im Maßstab 1:72.

Originalfunde von Musketen-Kugeln und Waffen vermitteln zudem anschauliche Eindrücke. Online-Medien und eine neue Broschüre informieren über das Geschehen. Vor allem aber soll eine historische und digital unterstützte Route zu markanten Punkten der Schlacht führen: Beiderseits des Düwing Dyks, an der Mühlenbrücke, Hilgenbergkapelle, der Kalter-Brücke und an vielen anderen Orten werden Informationstafeln das Geschehen des 6. August 1623 wieder lebendig werden lassen.

Viele Gruppen an der Vorbereitung beteiligt

Anschaulich und spannend soll das Programm werden. „Aber es soll uns auch zum Frieden mahnen. ,Nie wieder Krieg!‘ muss ja die Lehre sein“, sagt Richard Lammers. Der Unternehmensberater und Eigentümer des Eichenhofs hat sich seit 25 Jahren als Hobbyhistoriker intensiv mit der Schlacht im Lohner Bruch auseinandergesetzt und im Eichenhof bereits eine kleine Dauerausstellung aufgebaut.

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Der Arbeitskreis blickt bei seinen Programmplanungen daher auch in die Gegenwart und in die Zukunft. Es gibt Überlegungen, wie der Krieg in der Ukraine, andere Kriege der Gegenwart und Flüchtlingsbewegungen im Gedenkjahr in den Blick genommen werden können. Darum ist neben dem Heimatverein, dem SMS-Stadtmarketing, dem Fachbereich Kultur und dem Kulturhistorischen Zentrum des Kreises Borken auch die Stadtlohner Flüchtlingshilfe an den Vorbereitungen beteiligt.