Die Idee klingt spannend: Menschen mit einer Sucht-Biographie und Unterstützungsbedarf sollen ein selbst bestimmtes Leben führen, ohne in eine Pflegeeinrichtung umziehen zu müssen. Sie sollen mitten in der Gesellschaft leben. In Selm reifen die Pläne für das Projekt „Wohnen verbindet“ nun weiter. Bauherr und Investor ist die Selbstständiges Wohnen (SeWo) gGmbH, eine Tochtergesellschaft des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).
An der Ecke Kreisstraße/Neue Werner Straße soll in Kooperation mit dem Verein Integra, der psychosoziale Dienstleistungen anbieten wird, in absehbarer Zeit ein Appartementhaus entstehen, das voraussichtlich elf Menschen ein Zuhause bieten soll. Es liegt in zentraler Lage mitten in Selms. Dieser Standort soll schlussendlich den Faktor ausmachen, der dem Projekt den Namen „Wohnen verbindet“ gibt.
Das Grundstück gehörte früher der katholischen Kirchengemeinde St. Ludger. Als Anfang 2021 öffentlich bekannt wurde, dass ein solches Wohnprojekt dort entstehen soll, wo einst das katholische Pfarrheim St. Josef stand, hatte es Stimmen gegeben, die skeptisch waren - angesichts der Erkrankungen der künftigen Mieter des Wohnprojekts.
Janis Drögekamp, fachliche Leiter des Projekts, begegnete den Bedenken damals so: Es seien Menschen mit einer „Abhängigkeitserkrankung“ zwischen 21 und 65 Jahren. Der Fokus liege aber auf älteren oder durch die Sucht „vorgealterten“ Menschen. Dabei gehe es ausschließlich um Alkohol- und Medikamentensucht. Aufgenommen und betreut würden keine Menschen mit einer Sucht nach illegalen Drogen. Und die künftigen Bewohner seien abstinent. „Mir ist wichtig, dass auch diese Menschen mitten unter uns wohnen und nicht an den Stadtrand gedrängt werden“, sagte damals Bürgermeister Thomas Orlowski.
Claus Themann, Leitender Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde St. Ludger, sah schon vor zwei Jahren eine gesellschaftliche Aufgabe darin, „Menschen nicht abzulehnen, die eine Erkrankung haben“. Das gelte auch für Personen mit Suchterkrankungen. Konflikte wegen der Nachbarschaft zum neuen Jugendheim Findus oder zur Grundschule schräg gegenüber sah er nicht.

Baubeginn: Erstes Quartal 2024
Ursprünglich waren die Beteiligten davon ausgegangen, bereits 2023 die neuen Bewohner begrüßen zu können. Doch ein Gebäude gibt es bislang nicht. Die Bauarbeiten haben noch nicht einmal begonnen. Das soll sich aber bald ändern, wie Sören Roters-Möller, Projektleiter bei der SeWo gGmbH, auf Anfrage mitteilt. „Der Baubeginn ist für das Ende des 1. Quartals 2024 geplant“, sagt er. „Der Bauzeitenplan befindet sich derzeit in finaler Abstimmung. Erfahrungsgemäß ist mit mindestens einem Jahr Bauzeit zu rechnen, im zweiten Quartal 2024 wird der Rohbau erstellt.“
Es habe Zeitverzögerungen gegeben, berichtet Roters-Möller. „Eine Reihe an (Rechts-)Fragen im Kontext der Erschließung und Genehmigung mussten erst geklärt und Förderanträge gestellt werden, was zu einer Verzögerung des Baubeginns geführt hat“, teilt er mit. Das haben einige Planänderungen erforderlich gemacht, die sich jedoch nicht beziehungsweise kaum auf das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes auswirken würden. „Kleinere Änderungen hat es beispielsweise beim Klinkerverband gegeben. Aufgrund der Kostensteigerungen im Baugewerbe mussten einige Einsparpotentiale geprüft werden, aber im Wesentlich kann der Entwurf wie geplant umgesetzt werden.“
Da das Baufeld bereits erschlossen sei und die Zuwegung (Overbergweg) auch schon bestehe, werde es während der Bauzeit lediglich zu geringen Verkehrseinschränkungen kommen. Hier nennt er zum Beispiel das erhöhte Aufkommen von Baustellenfahrzeugen. Laut Sören Roters-Möller rechne man mit einem Bezug im Herbst 2025.
Für das Apartmenthaus in Selm sei konzeptionell eine „Zielgruppe mit dem Kooperationspartner Integra abgestimmt“, führt der Projektleiter aus. Es bestehe bereits hohes Interesse an den Wohnungen und der ambulanten Unterstützung durch den Verein. Interessierte könnten sich bei der Projektleitung von Integra melden. Eine Warteliste ist online zu finden unter: https://www.integra-eingetragener-verein.de/index.php/unsere-angebote/neue-wohnprojekte/sewo-kreis-unna.

Wie ist aus Sicht der SeWo die Akzeptanz für dieses Wohnprojekt in Selm? „Die Transparenz von Anfang an und die Offenheit aller Beteiligten, sich auszutauschen und Fragen bereits im Planungsstadium aufzugreifen hat zu einer breiten Akzeptanz dieses Wohnprojektes geführt“, erklärt Sören Roters-Möller. „Es hat bereits einige Informationstermine in Gremien und vor Ort durch Integra gegeben.“
Diese Kommunikation werde nun fortgeführt. Laut SeWo sollen zwei Quartiers- und Teilhabegestalterinnen bereits vor Baubeginn ihre Arbeit vor Ort aufnehmen. Das Team bestehe aus langjährigen und erfahrenen Mitarbeiterinnen von Integra, die bereits in Selm und Umgebung tätig seien. Der Verein selbst werde zudem auch langfristig für Fragen und Rückmeldungen der Nachbarschaft, Kooperationspartner und Bürger, die sich informieren wollen zur Verfügung stehen.
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