Gegen vier Menschen, die für die Schächtungen im Schlachthof Prott in Selm verantwortlich sein sollen, hat die Staatsanwaltschaft Dortmund jetzt Anklage erhoben, wie Sprecher Henner Kruse (l.) auf Anfrage der Redaktion erklärte. © Bandermann/Goldstein

Staatsanwaltschaft

„Tierwohl ausgeblendet“: Anklage gegen Prott und drei Mitarbeiter erhoben

Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat Anklage gegen vier Menschen erhoben, die für Schächtungen bei Prott verantwortlich sein sollen - und damit für eine massive Verletzung des Tierschutzgesetzes.

Selm

, 13.04.2022 / Lesedauer: 3 min

Der Fall Prott wird bald das Amtsgericht in Lünen beschäftigen: Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat Anklagen gegen vier Menschen erhoben, wie Sprecher Henner Kruse jetzt auf Anfrage der Redaktion bestätigte. Ihnen wird - jeweils in unterschiedlichem Maß - der gemeinschaftliche Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorgeworfen.

Gegen den Selmer Schlachthof waren ja im März des vergangen Jahres Vorwürfe öffentlich geworden: Die Tierschutzorganisation Soko Tierschutz hatte Videos veröffentlicht, die Schächtungen in dem Betrieb dokumentieren. Als Schächten bezeichnet man das Schlachten von Tieren ohne vorherige Betäubung - eine Praxis, die in Deutschland ohne Sondergenehmigung illegal ist und als Tierquälerei gilt.

Im Zeitraum vom 24. Februar bis zum 18. März sollen bei Prott, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, 45 Rinder und 143 Schafe „unter massiver Verletzung des Tierschutzgesetztes“ geschächtet worden sein, erklärt der Staatsanwalt Henner Kruse. Hubert Prott, so die Begründung der Anklageerhebung, soll verantwortlich gewesen sein für den Ankauf der Tiere, für die Organisation des Schlachtens (beziehungsweise Schächtens) und für den Verkauf des so produzierten Fleisches.

Ein weiterer Angeklagter soll verantwortlich gewesen sein für die Schlachtvorgänge an sich - an denen wiederum die zwei weiteren Angeklagten teilweise beteiligt waren. Drei der Angeklagten wurden dabei als Mitarbeiter des Betriebs Prott bezahlt - Hubert Prott selbst soll vor allem den Umsatzgewinn im Blick gehabt haben.

Leidvoller Todeskampf der Tiere

Nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft war er bei den Schächtungen teilweise zugegen - und bot seine Hilfe an. Außerdem soll er Mitarbeiter an den Bolzenschuss erinnert haben. Das hatte Friedrich Mülln, Sprecher der Soko Tierschutz, gegenüber der Redaktion schon als merkwürdig bezeichnet. Jedes Rind muss durch einen Bolzenschuss getötet werden - das ist in einem Schlachthof eigentlich Routine. Die Erinnerung an den Schuss, könnte ein Hinweis darauf sein, dass sie erst im Nachhinein gesetzt wurden - um die Schächtung zu vertuschen, hatte Mülln erklärt.

Wie groß das Leid der Tiere mutmaßlich war - auch das wird in der Begründung der Staatsanwaltschaft deutlich: Elektronische Treibgeräte seien unsachgemäß und „exzessiv“ zum Einsatz gekommen. Kehlschnitte seien ebenfalls unsachgemäß und teilweise mehrfach durchgeführt worden. Die Rinder und Schafe sollen dabei entweder gar nicht und nicht ordnungsgemäß betäubt worden sein.

In ihrem Todeskampf waren die Tiere einer massiven Geräuschkulisse ausgesetzt, waren teilweise nach oben gezogen, hatten keine Trittsicherheit, sollen nicht mit Wasser versorgt worden sein. Regelmäßig zwischen 4 und 8.30 Uhr in dem untersuchten Zeitraum sollen Tiere in dem Selmer Schachthof einen sehr leidvollen Todeskampf gekämpft haben.

Verhandlungstermin gibt es noch nicht

Die Angeklagten sollen dabei nur die Wirtschaftlichkeit im Blick gehabt haben - und das Tierwohl ausgeblendet haben - so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

Dass die Anklage beim Amtsgericht Lünen vor ein paar Tagen eingegangen ist, das bestätigt Dr. Niklas Nowatius, Direktor des Amtsgerichtes, auf Anfrage der Redaktion. Auch den Beschuldigten sei der Anklagevorwurf bekannt gegeben worden. Sie haben jetzt das Recht - dazu Stellung zu nehmen innerhalb einer bestimmten Frist, die gerade noch läuft. Wann der Termin für die öffentliche Hauptverhandlung ist, das stehe noch nicht fest.

Die Soko Tierschutz ist „sehr zufrieden damit, wie das bisher abgewickelt wurde“, sagt Sprecher Friedrich Mülln auf Anfrage der Redaktion. Bisher sei alles „gut und schnell“ verlaufen - das sei keine Selbstverständlichkeit. „Das dauert teilweise sehr viel länger“, so der Tierschützer. Entscheidend sei jetzt aber auch, was bei der Verhandlung herauskomme. Und wie stark auch die Verantwortung der Behörden geprüft werde.

Die Tierschutzorganisation hatte dem Kreis Unna starke Vorwürfe gemacht und unzureichende Kontrollen vorgeworfen, die an eine „Mittäterschaft“ grenzten. „Sehr entscheiden“, so Friedrich Mülln, sei jetzt, dass auch die Rolle, die Amtsveterinäre in diesem Fall gespielt haben, geprüft werde.

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