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Stauferstele in Selm: Ergebnis von „Riesen-Engagement eines Bürgers“
Barbarossa
Am Tag der Einweihung von Deutschlands nördlichster Stauferstele fällt immer wieder der Name eines Mannes. Die einen nennen ihn „Visionär“ die anderen „verrückt“. Es ist nicht Barbarossa.
Nach einer Woche Dauerregen und Sturmesbrausen zeigt sich das Wetter am Mittwoch (23. 2.) wie ausgewechselt: blauer Himmel, Sonnenschein, 12 Grad. Dafür, räumt Prof. Dr. Ralf Schaltenbrand ein, könne er nichts. Für alles andere, das die Gäste aus der ganzen Region an diesem Vormittag im Bürgerhaus und auf dem Campus-Platz zu sehen und zu hören bekommen, aber irgendwie schon.
„Wir würden heute hier nicht sitzen, wenn es nicht so einen Verrückten geben würde“, sagt Landrat Mario Löhr, und das Publikum im Bürgerhaus applaudiert. Heimatministerin Ina Scharrenbach nennt ihn nicht verrückt, sondern einen hartnäckigen Visionär. „Kurz nachdem ich als Ministerin im Amt war, meldete er sich und sagte, er habe da ein tolles Heimat-Projekt.“ Das fand sie spontan auch und sagte Unterstützung zu. Daran habe Schaltenbrand sie fortan immer wieder erinnert - mit Erfolg.
Sanierung der Stiftskirche war beendet
Zum Jubiläumsjahr 2022 - Kaiser Barbarossa wurde vor 900 Jahren geboren, der Grundstein für die Stiftskirche Cappenberg wurde gelegt und die Grafen Gottfried und Otto von Cappenberg verschenkten ihr gesamtes Hab und Gut dem jungen Prämonstratenser-Orden - ist alles vorbereitet: Das Land NRW hat die in ihrem Eigentum befindliche Stiftskirche für 7,3 Millionen Euro in Rekordzeit sanieren lassen, der LWL hat eine international beachtliche Staufer-Ausstellung vorbereitet, und draußen auf dem Campus-Platz wartet die eingewickelte Stauferstele auf ihre Enthüllung. „Ich erkläre das Jubiläumsjahr offiziell für eröffnet“, braucht Ministerin Scharrenbach nur noch zu sagen.
Bevor es nach draußen in den Sonnenschein geht, um die 2,75 Meter hohe Stele den Blicken frei zu geben, tritt Norbert Lammert ans Rednerpult. Dass der ehemalige Bundestagspräsident in Selm ist, sei auch nur Schaltenbrand zu verdanken, sagt er. Vor mehr als zwei Jahren habe der Selmer Rotarier mit den vielen Barbarossa-Ideen ihn eingeladen. Und seitdem nicht mehr locker gelassen. Dass er aber nicht nur aus Mangel an Ausreden nach Selm gekommen ist, sondern weil es ihm ein Anliegen ist, zeigt Lammert in seiner 40-minütigen Rede.
„Muss man solche Jubiläen feiern“, fragt der Redner und gibt sofort selbst die Antwort: nein. „Aber es gibt gute Gründe, es zu tun.“ Menschen tue es gut, sich vor Augen zu führen, „dass mit uns nicht die Weltgeschichte begonnen hat“. Jede denkbare Zukunft habe ihre Vorgeschichte. Um die zu wissen, sei lohnenswert „denn anders als zur Zeit Barbarossas haben wir die Möglichkeit, auf Veränderungen Einfluss zu nehmen“ - und nicht Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
Lammert: Digitalisierung und Globalisierung prägen
„Wir sind Damen und Herren unserer eigenen Zukunft, mehr als jede andere Generation vor uns.“ Noch nie habe es in so kurzer Zeit so viele Veränderungen gleichzeitig gegeben wie in den vergangene 25/30 Jahren, sagt er mit Blick auf Globalisierung und Digitalisierung. Die neuen Möglichkeiten würden aber nicht zum Besseren genutzt. Nicht zuletzt die aktuelle Russland/Ukraine-Krise, die zum Krieg zu werden drohe, zeige, „dass wir die Lektion des 20. Jahrhunderts nicht begriffen haben“. Umso wichtiger seien Denkmäler wie die Stauferstele, die auf Initiative von Ralf Schaltenbrand, dem Rotary Club Kaiser Barbarossa und dem von ihnen geknüpften großen Netzwerk aufgestellt wurde. Sie führe Geschichte vor Augen. Das sei wichtig: „Den Geschichtsvergessenheit ist Kopflosigkeit.“
Dass nicht nur wohl gesetzte Worte nötig sind, um ein Denkmal seiner Bestimmung zu übergeben, sondern auch kräftige Arme, erfährt Lammert eine halbe Stunde später. Die 40. Stauferstele in Europa will nicht ihre Hüllen fallen lassen. Erst als Norbert Zolda, der seitens der Stadt Selm die Jubiläumsveranstaltungen koordiniert, und Bürgermeister Thomas Orlowski mit anpacken, gelingt es.
Orlowski hätte gerne noch mehr getan. Für die über 100 Gäste seien Führungen geplant gewesen, sagt Selms erster Bürger. Denn die Stele, die die Vergangenheit begreifen helfen soll, steht da, wo gerade Selms Zukunft passiert: am Rande des Campus-Platzes mit der großen Baustelle für die Dreifach-Halle inklusive Restaurant. Wenige Schritte weiter stehen das umgebaute Jugendheim Sunshine, die neue Skateranlage und der Auenpark mit Riesen-Spielplatz und Flächen für die Natur. Wegen der Corona-Lage seien diese Führungen ausgefallen, sagt Orlowski. Allen Gästen legt er aber ans Herz, auf eigene Initiative den Rundgang zu machen, „und zu sehen, wofür uns andere Städte gerade durchaus beneiden“: eine Stadt im Aufbruch.
Barbarossa-Roman hat am 24. März Premiere
Geht es nach Ralf Schaltenbrand, der die Stele aus eigenen Mitteln finanziert hat, wird es noch oft Gelegenheit geben für auswärtige Gäste nach Selm zu kommen: immer dann, wenn die nächsten Veranstaltungen des Jubiläumsjahres anstehen. Das nächste Mal ist es am Donnerstag, 24. März, 19 Uhr, so weit. Dann stellt der Autor Michael Peinkofer im Gelben Saal des Schlosses Cappenberg seinen Roman „Barbarossa – Im Schatten des Kaisers“ vor. Der Findelknabe Arndt aus Cappenberg spielt darin eine Schlüsselrolle.
Ob ihm nicht langweilig sei, nachdem er in den verhangenen Jahren so viel ehrenamtlich gearbeitet habe für das Jubiläumsjahr 900 Jahre Cappenberg, will Ministerin Scharrenbach von Schaltenbrand wissen. Der Hochschullehrer schüttelt nur den Kopf. Jetzt, wo alles beginne, sei es doch gerade spannend.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
