Die Bürger durften am Sonntag für zwei Umbaujahre Abschied von der Burg Botzlar nehmen. Viele waren es nicht. Die, die da waren, erfuhren Geheimnisvolles. Wir haben Fotos von der Abschiedsfeier mitgebracht.
Etwas mehr als fünf Wochen noch, dann wird die Burg Botzlar geschlossen. Die jahrhundertealte Geschichte des Gebäudes, das mal Adelssitz, mal Sitz einer Bergwerksgesellschaft, mal Schule der NS-Frauenschaft und seit den 1980er Jahren Veranstaltungs- und Sitzungszentrum war, schlägt mit Beginn der Sommerferien – genauer: ab dem 17. Juli – ein neues Kapitel auf: den Umbau der Burg Botzlar zu einem Zentrum für alle Bürger.
Die Führungen durch die Burg, die die Bürgerstiftung Stadt Selm am gestrigen Sonntag organisiert hatte, ermöglichten den Besuchern Einblicke, die sie so womöglich noch nie gehabt hatten.
Manches ist von der Burg bekannt. Dass der Rat und die Ausschüsse im Sitzungssaal in der ersten Etage tagen zum Beispiel. Aber wer hätte es für möglich gehalten, dass die massiven Balken unter den Decken weder historische Bedeutung, noch tragende Funktion haben, sondern beim Umbau in den 1980er Jahren nur aus dekorativen Gründen unter die Decken geschraubt wurden? Michael Reckers, Mitglied des Vorstands der Bürgerstiftung und neben Martin Potschadel einer der beiden fachkundigen Führer, hinterließ mit dieser Aussage Fragezeichen. „Das habe ich gar nicht gewusst“, sagte zum Beispiel Besucherin Irmgard Müller.
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So war die Abschiedsfeier für die Burg Botzlar
Die Bürger durften am Sonntag für zwei Umbaujahre Abschied von der Burg Botzlar nehmen. Viele waren es nicht. Die, die da waren, erfuhren Geheimnisvolles. Wir haben Fotos von der Abschiedsfeier mitgebracht.
Reckers und später auch Architekt Reinhard Angelis verrieten zudem ein Geheimnis. Im Souterrain sind die Außenmauern der Burg dicker als weiter oben im Haus. Es könnte sich um Reste eines Wehrturms handeln. „Und in einem Teil dieser Mauer vermuten Historiker eine Wendeltreppe.“
Mit Schließung der Burg am 17. Juli werden laut Reckers Archäologen anrücken und die Mauer an der betreffenden Stelle anbohren, um zu sehen, ob sich etwas dahinter verbirgt, eben womöglich eine Treppe. „Wenn es sie gibt, wird sie aber nicht mehr genutzt, sondern nur ausgestellt“, versicherte Architekt Angelis.
Mai/Juni 2020 fertig
Dass die Burg Botzlar an der Ostseite einen modernen Anbau für Aufzug und Toiletten bekommt, erfuhren die Besucher auch. Alt (Burg) und neu (Anbau) vereint. Spannend. Michael Reckers sagt: „Ich bin mir sicher, dass sich die Selmer darüber streiten werden, ob das schön ist oder nicht. Aber davon lebt Demokratie.“
Zwei Jahre – bis Mai/Juni 2020 laut Zeitplan – ist die Burg demnächst geschlossen. Besucherin Irmgard Müller jedenfalls ist dankbar, dass sie gestern die Burg noch mal besichtigen konnte. „Vieles wusste ich nicht.“ Eisern stieg sie treppauf und treppab. Sie hat einen Wunsch: „Ich möchte erleben, wie es ist, wenn die Burg umgebaut ist.“ Sie sei 83, freue sich auf die neue Burg.
Gerhard Stenner, Vorsitzender der Bürgerstiftung Stadt Selm, der traurig war, dass nicht viele die Einladung zum Abschied angenommen hatten, könnte keine bessere Botschafterin als Irmgard Müller haben. Hatte er doch zum Abschluss der Feier am Sonntagmittag eine Bitte an die Selmer gerichtet: „Nehmen Sie alle die Burg als Ihre Burg an.“