Heinz-Georg Mors freut sich, dass er und seine Mitstreiter an Heiligabend im Bürgerhaus Gäste empfangen dürfen: gemeinsam statt einsam.

© Sylvia vom Hofe

Selmer öffnen die Tür zum Bürgerhaus für einen besonderen Heiligabend

rnGemeinsam statt einsam

Die Stadtverwaltung hat sich in die Weihnachtsferien verabschiedet. Alle öffentlichen Gebäude sind geschlossen. Im Bürgerhaus wird an Heiligabend dennoch Licht brennen - eine echte Bescherung.

Selm

, 23.12.2021, 19:08 Uhr / Lesedauer: 3 min

„Eigentlich sollte man mal ...“ Das ist ein Satz, den Heinz-Georg Mors nicht leiden kann. Wenn jemand so anfange, werde sowieso nichts daraus, sagt der Selmer. Niemand fühle sich dann richtig verantwortlich. Und alle konzentrierten sich mehr auf die Bedenken als auf die Chancen des Vorhabens. Wie es anders geht, haben er und einige Freunde vorgemacht: der Grundstein für eine Weihnachtsaktion, die sich verselbständigen könnte und für einen Verein, der auch unter dem Jahr Gutes tun will.

Am Dienstag nach dem dritten Advent war es, als Heinz-Georg Mors zu seinem Freund Harald Schäfer sagte: „Das machen wir jetzt einfach.“ „Das“ ist ein gemeinsamer Heiligabend im Bürgerhaus für Selmerinnen und Selmer, die den beliebtesten Feiertag der Deutschen alleine nicht feiern würden, ob aus Einsamkeit oder aus Geldnot. Dass die Umsetzung dieses Plans nicht einfach werden würde kurz vorm Anrollen der fünften Corona-Welle und dem Inkrafttreten strengerer Auflagen, war beiden klar. Abgeschreckt hat sie das nicht. Im Gegenteil.

„Heiligabend ist der längste Tag für alleinstehende Menschen“

Die Tage werden seit dem Winteranfang zwar wieder länger. Das ändere aber nichts, sagt Harald Schäfer: „Heiligabend ist und bleibt der längste Tag für einsame Menschen“. Während andere sich und ihr Heim herausputzen, kochen und letzte Geschenke einpacken, um ja zur Bescherung alles fertig zu haben, zieht sich der 24. Dezember für sie wie Kaugummi hin. Das Gefühl, nicht dazu zu gehören, wachse in ihnen mit jedem Augenblick. Die Aktion „Gemeinsam statt einsam“ will etwas dagegen setzen - nicht mit schönen Worten, Grußkarten und Liedern, sondern ganz praktisch.

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Die Familien Mors, Schäfer, Roterbork und Wiewel feiern erstmals 2021 Heiligabend nicht bei sich zuhause im Kreis der Familie, sondern im Bürgerhaus am Willy-Brandt-Platz - in Gemeinschaft mit zehn Menschen, die sie noch gar nicht näher kennen: Kundinnen und Kunden der Selmer Tafel, die sich über die Einladung sehr gefreut haben, wie Harald Schäfer sagt. „Auch die, die abgelehnt hatten, haben sich herzlich bedankt“, sagt Schäfer. Dass es nicht eine Aktion nur für sie ist, sondern zusammen mit ihnen, sei besonders gut angekommen: echte Gemeinschaft eben nicht zu den Zeiten, an denen der 23. Dezember noch Werk- und noch nicht Feiertags ist, sondern mittendrin: zwischen 15 und 18 Uhr.

Fokus-Chef Sträter hat sofort die gute Sache unterstützt

Dass das Bürgerhaus zu dieser Zeit öffnet, gab es noch nie. Und sollte es ursprünglich auch in diesem Jahr nicht geben. „Das Bürgerhaus ist von Donnerstag, 23. Dezember, bis einschließlich Freitag, 7. Januar 2022, geschlossen.“, heißt es bei der Stadtverwaltung. Als der Leiter der städtischen Abteilung Fortbildung, Kunst und Sport (Fokus), Benedikt Sträter, von der Idee zu „Gemeinsam statt einsam“ hörte, war er aber sofort Feuer und Flamme. Und die Hausmeister ebenfalls. Sie schaffen die Möglichkeit, dass die Gastgeber das von Marlies Mors selbst gekochte Festtagsmenü - nicht etwa die einfache Kartoffelsalat/Würstchen-Variante, sondern Wild aus dem heimischen Revier mit Beilagen - an schön gedeckten Tischen servieren können.

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Ab dem 28. Dezember werden private Zusammenkünfte für Geimpfte und Genesene nur noch mit maximal zehn Personen erlaubt sein, im Innen- wie im Außenbereich. Kinder bis 14 Jahre sind ausgenommen. Sobald eine ungeimpfte Person teilnimmt, gilt dann eine Beschränkung auf den eigenen Haushalt und höchstens zwei Personen eines weiteren Haushalts. Zu Weihnachten gelten diese strengeren Regeln noch nicht. Aber es gibt den dringenden Appell, auf größere Zusammenkünfte freiwillig zu verzichten.

Teststation an der Eingangstür: Feiern nur mit 2G plus

Mors und seine Mitstreiter haben abgewogen und sich für die Veranstaltung entschieden - allerdings unter größten Sicherheitsvorkehrungen. Nur Geimpfte und Genesene, die zusätzlich einen negativen Test vorlegen können (2G plus), dürfen hinein. Damit da nichts schiefgeht, gibt es eigens eine kleine Teststation im Bürgerhaus.

Mors lächelt. Ja, das alles vorzubereiten, sei sportlich gewesen. „Aber es hat geklappt.“ Im nächsten Jahr werden sie mehr Vorlauf haben. Und es wird einen gemeinnützigen Verein geben, der Spenden annehmen und die Finanzierung so dauerhaft sicherstellt. „Selmer helfen Selmern“ soll er heißen in Anlehnung an „Lüner helfen Lünern“ in der Nachbarstadt. Neben der Ausrichtung der Heiligabendfeiern geht es darum, schnell und unbürokratisch Hilfe zu leisten - wenn zum Beispiel der Mutter mit kleinen Kindern plötzlich die Waschmaschine kaputtgeht.

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Harald Schneider staunt, mit welcher Energie sein Freund Mors die Vorbereitung durchgepeitscht hat. Und er freut sich. „Es ist wunderbar, wenn man die Welt zumindest ein ganz kleines Stück besser machen kann.“ Das haben sich auch die bereits erwachsenen Kinder der beiden gedacht. „Obwohl meine Kinder eigentlich nach Münster wollten, bleiben sie jetzt doch hier und freuen sich auf den gemeinsamen Abend“, sagt Heinz-Georg Mors. Auf neue Begegnungen und die Gewissheit, den Start von etwas zu erleben, das Selm vielleicht einmal prägen wird.