Landwirt Friedhelm May aus Selm nutzt die moderne Technik, aber derzeit hilft das den Betrieben, die Schweine halten, nichts. Die Lage ist ernst.

© Sabine Geschwinder (Archiv)

Selmer Landwirte in schwieriger Lage: Niedrige Preise, teures Futter

rnKein Export ins Ausland

Billige Konkurrenz aus dem Ausland und teures Futter - die Lage der heimischen Landwirte ist gerade nicht einfach. Landwirt Friedhelm May kämpft derzeit auch mit Vorurteilen.

Selm

, 14.09.2021, 19:25 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Hälfte seines Lebens ist Friedhelm May selbstständiger Landwirt in Selm. So schwer wie momentan war das Arbeitsleben für den 56-Jährigen aber noch nie. „Meine Eltern haben uns den Hof überschrieben, als ich 28 Jahre alt war“, erzählt der Sprecher des landwirtschaftlichen Ortsvereins in Selm. Eigentlich plant er auch, bis zur Rente Landwirt zu sein. Doch, ob das klappt, steht in den Sternen. „Unsere Kinder werden den Hof wohl nicht übernehmen und ob ich es bis zur Rente schaffe, weiß ich nicht.“

Momentan kommt für den Landwirt, der 1200 Schweine hält, alles Negative zusammen. In diesem Jahr ist das Futter für die Tiere so teuer wie lange nicht mehr. Gleichzeitig sinken Nachfrage und Preise für deutsches Schweinefleisch weiter.

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Das liegt zum einen an Skandalen wie den um die Werner Schlachterei Mecke oder zu Beginn der Corona-Pandemie um den Schlachtbetrieb Tönnies, die die Verbraucher verunsichern. Noch größer jedoch sind die Probleme durch die Afrikanischen Schweinepest (ASP), die in Deutschland an der Grenze zu Polen grassiert. „Dadurch ist für alle deutsche Schweinebauern der Export des Fleisches in andere Länder unmöglich, auch wenn die ASP gar nicht in allen Teilen Deutschlands vorkommt.“

Konkurrenz aus Spanien

China als großer Importeur von europäischem Schweinefleisch nimmt wegen der ASP kein Fleisch aus Europa mehr an. May: „Bisher durften die Spanier noch nach China liefern, das geht jetzt auch nicht mehr. Dafür liefern die Spanier ihr Schweinefleisch jetzt nach Deutschland. Und hier wird es billiger angeboten als deutsches Fleisch.“ Mittlerweile seien die Spanier die größten Mastschweine-Produzenten in der Europäischen Union. May: „In Katalonien, das weniger dicht besiedelt ist als Kanada, entstehen riesige Mastschwein-Betriebe, bei denen Landwirte unter Vertrag großer Firmen stehen.“

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Mancher deutsche Landwirt, der Tierhaltung betreibt, wisse nicht, wie es auf Dauer weitergehen soll. In den benachbarten Niederlanden sieht die Lage ähnlich aus. „Dort zahlt der Staat Prämien, damit die Landwirte ihre Betriebe schließen, als Ausstiegshilfe.“

Früher wurden in Deutschland eine Million Schweine pro Woche geschlachtet und verarbeitet. May: „Heute sind es 800.000 pro Woche, die Landwirte gehen also schon runter mit den Zahlen.“ Das Land bräuchte, so der Selmer Landwirt, pro Woche 700.000 geschlachtete Schweine zur Selbstversorgung. Das Fleisch von 100.000 Tieren müsste also pro Woche exportiert werden. Was aber wegen der ASP nicht geht.

Riesen-Betriebe in Russland

„Auch Polen und Russland sind von der ASP betroffen. Früher importierte Russland viel Schweinefleisch aus Deutschland. Mittlerweile ist dort aber derart aufgestockt worden, dass die vielen neuen und großen Schweinemast-Betriebe ihr Fleisch nach Deutschland exportieren.“ Betriebe mit 30.000 Schweinen seien in Russland keine Seltenheit.

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May ärgert sich darüber, dass auf diese Weise das CO2-Problem ins Ausland verlagert wird: „Darüber wird aber nicht gesprochen. Auch nicht darüber, dass 60 Prozent des CO2-Ausstoßes durch unseren Konsum kommt.“ Wenn Kleidung billig in China oder Indien und Bangladesh produziert wird und dann per Schiff nach Deutschland transportiert wird. „Warum können nicht mehr Hersteller hier produzieren, so wie Trigema?“ fragt sich May. Und weiß die Antwort - weil dann T-Shirts nicht mehr für drei Euro in den Handel kommen.

Ärger über Doppelmoral

Diese Doppelmoral - einerseits fordert man Klimaschutz, andererseits will man möglichst billig einkaufen - ärgert den Landwirt maßlos. „Ich habe jetzt erstmal nur für die nächsten fünf Jahre geplant, habe auch das Tierwohl-Label und bewirtschafte meine Böden nachhaltig, aber trotzdem sieht es gerade nicht gut aus.“