Die Akten zum Fall Prott in Selm liegen jetzt beim Landgericht in Dortmund.

Die Akten zum Fall Prott in Selm liegen jetzt beim Landgericht in Dortmund. © picture alliance/dpa

Schlacht-Skandal in Selm: Was ändert sich durch Übernahme des Landgerichts?

rnFall Prott

Hunderte Tiere sollen im Schlachthof Prott in Selm illegal geschächtet worden sein. Das Amtsgericht Lünen hat die Akten dazu an das Landgericht in Dortmund weitergegeben. Was ändert sich dadurch?

Selm

, 06.09.2022, 05:55 Uhr / Lesedauer: 3 min

Das Gesicht von Friedrich Mülln ist fassungslos und ungläubig, als das Urteil verkündet wird. Zwei Jahre auf Bewährung und eine Geldstrafe: Dazu hat der Richter den Chef eines Schlachthofes in Bad Iburg gerade verurteilt - wegen mehrerer Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Friedrich Mülln verlässt daraufhin den Gerichtssaal - die Tür fällt laut hinter ihm ins Schloss. Viel zu milde sei das Urteil des Amtsgerichts Bad Iburg. „Diese Strafen stehen in keinerlei Relation zu den Profiten, die die Verurteilten durch ihre Taten erzielt haben. Was muss man denn Tieren noch alles antun, bis man dafür eingesperrt wird?“, sagt der Tierschützer danach zu der taz.

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„Hinterhofgericht“: So nennt er das Amtsgericht in Bad Iburg wenige Tage später im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. Gerade in dem Zusammenhang findet der Tierschützer von der SOKO Tierschutz auch die neusten Entwicklungen im Selmer Fall Prott lobenswert.

Friedrich Mülln und die Soko Tierschutz haben den Schlacht-Skandal bei Prott in Selm aufgedeckt.

Friedrich Mülln und die Soko Tierschutz haben den Schlacht-Skandal bei Prott in Selm aufgedeckt. © Marie Rademacher (Archvi)

Das Amtsgericht in Lünen, an das die Staatsanwaltschaft Dortmund die Anklage im Frühjahr dieses Jahres gesandt hatte, hat die Akten an das Landgericht in Dortmund weitergegeben. „Das“, so sagt es Friedrich Mülln in Anspielung auf Bad Iburg, „zeigt, dass das in Nordrhein-Westfalen viel besser läuft als zum Beispiel in Niedersachsen. Da werden solche Fälle ganz häufig mit Geldstrafen in Amtsgerichten beerdigt.“

Amtsgericht Lünen hat an Landgericht Dortmund übergeben

Tatsächlich liegt es zumindest im Rahmen des Möglichen, dass im Schlacht-Skandal von Selm für die Verantwortlichen höhere Strafen drohen. Das hatte das Amtsgericht in Lünen mit Blick auf seine eigene Strafgewalt erklärt. Bis zu vier Jahre Freiheitsstrafe dürfen Amtsgerichte in Deutschland verhängen - mehr nicht. Im Fall Prott „dürfte das nicht ausreichend sein“, so das Amtsgericht zur Begründung, warum jetzt ein Landgericht zuständig ist.

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Das Höchststrafmaß für Verstöße gegen das Tierschutzgesetz liegt in Deutschland zwar bei drei Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe. Aber Hubert Prott und drei seiner Mitarbeiter wird Tierquälerei in jeweils mehreren Fällen vorgeworfen. Tiere sollen in dem Betrieb geschächtet - also ohne Betäubung getötet - worden sein. „In 23 Tagen im Februar und März 2021 sollen durch zwei Angeschuldigte in 188 Fällen und in 73 beziehungsweise 90 Fällen durch zwei weitere Angeschuldigte 45 Rinder und 143 Schafe wie vorstehend geschildert zu Tode gekommen sein“, so das Amtsgericht Lünen.

Wenn die Angeschuldigten in dem Selmer Fall verurteilt werden sollten, dann würde eine sogenannte „Gesamtstrafe“ gebildet, wie die Lüner Juristin Esther Brauhardt erklärt. „Hat jemand mehrere Straftaten begangen, die gleichzeitig abgeurteilt werden, und dadurch mehrere Freiheitsstrafen oder mehrere Geldstrafen verwirkt, so wird auf eine Gesamtstrafe erkannt“, heißt es dazu im Gesetzestext (Paragraf 53 Strafgesetzbuch).

Prozess zu Fall Prott hat noch nicht begonnen

Ganz grundsätzlich schauen Richterinnen und Richter in Verhandlungen, bei denen mehrere Straftaten angeklagt sind, auf das Einzeldelikt, für das die schwerste Strafe anstünde, und auf die Summe der Strafen, die für alle Einzeldelikte zusammenkommen würde. Innerhalb dieser Spanne kann die Strafe dann liegen. „Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen“, heißt es dazu im Paragraph 54 im Strafgesetzbuch.

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Ob es wirklich eine hohe Strafe geben wird im Fall Prott? Bislang ist das nur Spekulation - der Prozess hat ja noch nicht einmal begonnen.

Der nächste Schritt wird sein, dass das Landgericht einen Termin bestimmt für die Hauptverhandlung. Die wird dann - wie auch in Bad Iburg - öffentlich sein. Mitarbeiter des Schlachthofes dort, das haben sie im Prozessverlauf gestanden, haben Rinder, die sich vor Krankheit nicht mehr bewegen konnten, brutal gequält. Auf Videos, die die Organisation SOKO Tierschutz 2018 aufgenommen hat, sieht man, wie Menschen die Tiere schubsen und am Schwanz ziehen, damit sie die Transporter verlassen. Mit Elektroschocks und massiver Gewalt versuchen sie, die Tiere zum Aufstehen zu bewegen, ziehen sie teilweise mit Seilwinden und Ketten aus den Wagen - und fügen ihnen großes Leid, große Schmerzen zu. Nicht nur der Schlachthof soll involviert gewesen sein - sondern auch Bauern und Händler, die die kranken Tiere illegal in die Schlachthöfe transportieren. Die Veterinäre bemerkten bis zum Eingreifen von SOKO Tierschutz offenbar nichts.

„Massiver“ Verstoß gegen das Tierschutzgesetz

Die mit versteckter Kamera aufgenommen Videos aus dem Schlachthof Prott in Selm hatte die SOKO Tierschutz im März 2021 veröffentlicht. Der Kreis Unna hatte den Betrieb kurz vor der Veröffentlichung geschlossen, die Staatsanwaltschaft ermittelte. In der Begründung der Staatsanwaltschaft für die Anklageerhebung gegen Hubert Prott und drei seiner Mitarbeiter heißt es, dass elektronische Treibgeräte exzessiv zum Einsatz gekommen seien. Kehlschnitte seien unsachgemäß und mehrfach durchgeführt worden, Rinder und Schafe seien entweder gar nicht oder unsachgemäß betäubt worden, bevor sie geschlachtet wurden. Die Angeschuldigten sollen, so der Vorwurf, nur die Wirtschaftlichkeit im Blick gehabt haben - und das Tierwohl zu diesen Gunsten ausgeblendet haben. „Massiv“, so die Staatsanwaltschaft soll das Tierschutzgesetz dabei verletzt worden sein.

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