Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht - zwei Themen, mit denen sich junge Menschen ungern beschäftigen. Denn sie regeln das Lebensende. Ausfüllen sollte man sie aber möglichst früh.

Selm

, 11.02.2019, 11:45 Uhr / Lesedauer: 4 min

Das Lebensende vorbereiten, solange man noch gesund und fit ist - das raten Bianca Krumminga und Dorothea Stockmann von der Hospizgruppe Selm-Olfen-Nordkirchen. Sie erklären, wie das geht und wie man Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht ausfüllen sollte. Fragen und Antworten:

Was ist eine Patientenverfügung? Eine Patientenverfügung ist ein Dokument, das ein Mensch in Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ausfüllen sollte. Es geht darin um die medizinische Versorgung. „Die Patientenverfügung wird insbesondere am Lebensende wichtig“, sagt Bianca Krumminga. „Man regelt darin, was man noch möchte und was nicht.“ Sie sei sozusagen der letzte medizinische Wille eines Patienten.

Was genau wird in einer Patientenverfügung festgehalten? Zunächst legt der Patient fest, wann genau die Patientenverfügung gelten soll: im Sterbeprozess, im Fall einer unheilbaren Krankheit, die zum Tod führt oder, wenn der Patient nicht mehr ansprechbar ist, im Koma liegt oder sich nicht mehr äußern kann.

Anschließend entscheidet der Patient, wer im Falle einer solchen Lebenssituation bezüglich der medizinischen Behandlung befragt werden soll: nahe Verwandte, ausgewählte Personen oder Mitglieder des Pflegeteams.

Zudem kann der Patient in der Patientenverfügung angeben, von wem er in seiner letzten Lebensphase begleitet werden möchte: einem Mitarbeiter eines ambulanten Hospizdienstes, dem Hausarzt oder von einem Seelsorger. Darüber hinaus kann der Patient auch entscheiden, wen er nicht um sich haben möchte.

Zusätzlich kann der Patient verfügen, wer von den Ärzten über seinen Gesundheitszustand informiert werden darf.

Worum geht es noch in einer Patientenverfügung? Der Patient kann festhalten, ob und inwieweit er Organe spenden möchte und - wenn vorhanden - auf seinen Organspendeausweis verweisen. Darüber hinaus kann er persönliche und spezielle Wünsche hinsichtlich seiner medizinischen Versorgung niederschreiben. Zudem gibt er an, bei wem die Patientenverfügung aufbewahrt wird.

Wen kann ich auf meiner Patientenverfügung als Bevollmächtigten einsetzen? Früher habe sich diese Frage gar nicht gestellt, da seien es automatisch der Ehepartner oder die Eltern gewesen, die über die medizinischen Schritte entscheiden. Inzwischen haben sich die gesetzlichen Regelungen geändert. Der Patient muss aktiv festlegen, wer sein Bevollmächtigter ist. „So muss man sich damit intensiv auseinandersetzen“, sagt Dorothea Stockmann. „Die meisten setzen jemanden ein, den sie gut kennen und dem sie vertrauen.“

Heißt das, dass beispielsweise Ehepartner und Eltern von Erwachsenen nicht automatisch informiert werden? Angehörige können, wenn die Kontaktdaten vorhanden sind, auch dann informiert werden, wenn sie nicht die Bevollmächtigten sind. Entscheidungen dürfen jedoch nur die Bevollmächtigten treffen.

Was passiert, wenn ich niemanden habe, den ich als Bevollmächtigten angeben kann oder möchte? Wenn es keine Vorsorgevollmachten gibt, wird das Amtsgericht eingeschaltet. Im Eilverfahren schaut der Amtsrichter, wer die Betreuung übernehmen kann. „Natürlich werden dann gerne auch nahe Verwandte oder Ehepartner genommen, wenn dem nichts im Wege steht“, erklärt Dorothea Stockmann. „Dieser Vorgang ist eine Zeitverzögerung und mit bürokratischem Aufwand verbunden.“ Zudem müsse dem Amtsgericht Rechenschaft abgelegt werden, immer auch bei Eingriffen, die lebensbedrohlich sind.

Welche Behandlungsweise wird festgelegt? In einer Patientenverfügung kann der Patient angeben, wann und inwieweit er anstelle einer kurativen, also heilenden, eine palliative Behandlung wünscht. „Man kann festlegen, dass medizinische Maßnahmen nur noch zum Lindern des Leidens getroffen werden“, sagt Bianca Krumminga.

Wer unterschreibt eine Patientenverfügung? Der Patient selbst und ein Zeuge. „Wir fungieren hier als Zeugen“, erklärt Bianca Krumminga. „Wir bestätigen mit unserer Unterschrift, dass der Patient aus freiem Willen unterschrieben und den Inhalt der Patientenverfügung verstanden hat.“

Wer kann als Zeuge fungieren? Grundsätzlich jeder. Es sei denn, es besteht ein Interessenskonflikt.

Wann sollte ich eine Patientenverfügung ausfüllen? „Eigentlich braucht jeder über 18 eine Patientenverfügung“, rät Dorothea Stockmann. Denn bei volljährigen Patienten haben die Eltern keine Handhabe mehr. „Wir hören ganz oft: ‚Wir sind jung, wir brauchen das noch nicht.‘“ Doch das sei die falsche Einstellung. Man solle Entscheidungen treffen, solange man noch gesund sei und sie eigenständig treffen könne. „Die meisten füllen ihre Patientenverfügung erst aus, wenn sie älter sind oder etwas passiert ist“, bedauert Dorothea Stockmann das Vorgehen der meisten.

Wann kann ich eine Patientenverfügung nicht mehr ausfüllen? „Wenn jemand leicht demenziell verändert ist, aber noch weiß, was er tut, kann er die Patientenverfügung noch ausfüllen“, sagt Dorothea Stockmann. Bei fortgeschrittener Demenz sei das nicht mehr möglich.

Reicht ein einmaliges Ausfüllen und Unterschreiben der Verfügung? Dorothea Stockmann und Bianca Krumminga von der Hospizgruppe Selm-Olfen-Nordkirchen raten, die Patientenverfügung regelmäßig zu aktualisieren. „Man kann sich ja auch zerstreiten und möchte dann jemand Neues als Bevollmächtigten einsetzen“, erklärt Dorothea Stockmann. „Wenn die Verfügung schon 20 Jahre alt ist, fragt sich der Arzt auch: ‚Gilt das überhaupt noch?‘“, fügt Bianca Krumminga hinzu. Eine Aktualisierung im Zwei-Jahres-Rhythmus sei ratsam.

Wann kommt eine Patientenverfügung zum Einsatz? „Solange ich mich selbst äußern kann, brauchen Ärzte, beispielsweise im Krankenhaus, meine Patientenverfügung nicht unbedingt“, sagt Dorothea Stockmann. Dennoch werde im Krankenhaus vorsorglich immer nach einer Patientenverfügung gefragt. Zum Einsatz kommt sie, wenn der Patient sich nicht mehr äußern kann oder der Tod unmittelbar bevorsteht.

Inwieweit hilft die Verfügung Ärzten? Ärzte können sich auf die Patientenverfügung berufen und unverzüglich danach handeln. „Vorher steckten die Ärzte oft in einem Dilemma“, sagt Dorothea Stockmann. Nun sei es leichter für Ärzte, da ein schriftlicher Wille vorliege. „Der Arzt kann ausführen, was der Patient festgelegt hat. Die Patientenverfügung ist wie ein Sprachrohr des Patienten.“

Wie hilft die Hospizgruppe mir, wenn ich eine Patientenverfügung ausfüllen möchte? Die Hospizgruppe informiert persönlich oder telefonisch darüber, wie eine Patientenverfügung ausgefüllt werden sollte. Bianca Krumminga und Dorothea Stockmann nehmen sich dazu etwa eineinhalb Stunden Zeit. Im vergangenen Jahr haben sie circa 80 Patienten beim Ausfüllen unterstützt. Die Unterstützung ist kostenlos.

Dorothea Stockmann (l.) und Bianca Krumminga von der Hospizgruppe Selm-Olfen-Nordkirchen helfen beim Ausfüllen von Vollmachten.

Dorothea Stockmann (l.) und Bianca Krumminga von der Hospizgruppe Selm-Olfen-Nordkirchen helfen beim Ausfüllen von Vollmachten. © FOTO:CAROLIN WEST

Wann und warum kommen die meisten auf die Hospizgruppe zu? „Im Sommer kommen weniger“, sagt Dorothea Stockmann. „Das ist meist saisonal bedingt, in den trüben Tagen setzen sich die Menschen eher damit auseinander.“ Zumeist informieren sich die Menschen aus Angst, etwas falsch auszufüllen.

Wie geht die Hospizgruppe mit dieser Angst um? Patienten können auch erst einmal Infomaterial mit nach Hause nehmen und sich in Ruhe damit auseinandersetzen. Das Ausfüllen einer Patientenverfügung brauche Zeit. „Manche brauchen mehrere Anläufe“, sagt Dorothea Stockmann, „aber wenn sie sich dann trauen, sind sie erleichtert.“ Es sei leichter, über Patientenverfügungen und Ähnliches zu sprechen, solange man gesund sei.

Mit welcher Patientenverfügung arbeitet die Hospizgruppe? Die Hospizgruppe arbeitet mit einer Vorsorgemappe im Wert von 10 Euro pro Stück. Darin enthalten sind unter anderem die Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht, eine Betreuungsverfügung, eine Vollmacht für Rechtsgeschäfte, eine Behandlungsvereinbarung sowie eine Notfallkarte. So habe der Patient eine umfassende Möglichkeit, detailliert zu regeln, was wann gemacht werden soll. Es gebe aber auch verschiedene Patientenverfügungen im Internet.

Um welches Dokument sollte ich mich abgesehen von der Patientenverfügung frühzeitig kümmern? Um die Vorsorgevollmacht.

Was ist eine Vorsorgevollmacht? In der Vorsorgevollmacht werden die persönlichen Daten der Bevollmächtigten festgehalten, die den Willen des Patienten, der in der Patientenverfügung festgelegt ist, kennen und durchsetzen sollen. Zudem können Ersatzbevollmächtigte angegeben werden, die zum Einsatz kommen, wenn die ursprünglichen Bevollmächtigten nicht Willens oder in der Lage sind, ihrer Verantwortung nachzukommen.

Was sollte ich mit dem Bevollmächtigten besprechen? Weil nicht alles detailliert in einer Patientenverfügung festgehalten werden könne, sollte der Patient über spezielle Wünsche mit dem oder den Bevollmächtigten sprechen. So könne im Einzel- oder Zweifelsfall auch der mutmaßliche Wille des Patienten durchgesetzt werden.