
Ralf Piekenbrock hat im Rat eine Anfrage gestellt, die sich auf den Park-Ärger einer ehrenamtlich aktiven Frau bezieht. © dpa/Goldstein (A)
Knöllchen im Ehrenamt: Piekenbrock macht Park-Ärger zum Thema im Selmer Rat
Verkehr
Gute Ausreden, falsch zu parken, gibt es viele. Gibt es aber auch gute Gründe? Diese Frage hat den Selmer Stadtrat beschäftigt. Ralf Piekenbrock hatte einen konkreten Fall geschildert.
Die einen schimpfen laut, die anderen schweigen verschämt: Auf Knöllchen reagieren Menschen ganz unterschiedlich. Selten werden sie aber zu einem öffentlichen Thema wie in der letzten Sitzung des Selmer Stadtrates vor der Sommerpause.
Unter „Anfragen“ können die gewählten Bürgervertreterinnen und -vertreter zum Ende jeder öffentlichen Ratssitzung der Stadtverwaltung regelmäßig Fragen stellen: solche, die ihnen selbst auf den Nägeln brennen, oder solche, die Bürgerinnen und Bürger an sie herangetragen hatten. Zum Beispiel, ob die Caritas schon einen Bauantrag zur Errichtung des Altenheims auf dem ehemaligen Borker Marktplatz gestellt hat (ja, hat sie. Mit der Genehmigung sei im Herbst zu rechnen). Oder ob schon bekannt ist, wie hoch der Verlust ist, weil die Konzerte beim Stadtfest schlechter besucht waren als erhofft (nein, die Abrechnung steht noch aus). Ralf Piekenbrocks Anfrage fiel etwas aus diesem Rahmen.
Geschäftsführerin der ambulanten Hospizgruppe parkt zu lange
Es ging um ein Knöllchen für Marion Koch-Gersdorf, die Geschäftsführerin der ambulanten Hospizgruppe Selm-Olfen-Nordkirchen. Dass Piekenbrock unwidersprochen vom Kinderhospizdienst sprach, den es in Selm gar nicht gibt, sondern unter anderem in Lünen, ist dabei nicht entscheidend. Denn es ging um großes ehrenamtliches Engagement, eine wichtige Arbeit für die Gesellschaft und ein schönes Knöllchen.
Marion Koch-Gersdorf hatte, wie sie vor der Ratssitzung Piekenbrock erzählt hatte und nach der Sitzung auf Anfrage bestätigte, zu lange geparkt und dafür ein Verwarnungsgeld kassiert: 20 Euro. „Ich war in einem wichtigen Sponsoren-Gespräch, da konnte ich nicht einfach rausgehen“, sagt sie. Und schrieb sie auch - an die Stadtverwaltung. Darauf habe sie aber keine Reaktion bekommen, sagte Piekenbrock. Das finde er schade, angesichts der wichtigen Arbeit, die Koch-Gersdorf und die anderen Aktiven in der Hospizarbeit leisteten.
Dezernent Schwager räumt Versäumnis ein, bleibt aber hart
Dezernent Stephan Schwager antwortete für die Verwaltung. Dass niemand auf das Schreiben reagiert habe, sei tatsächlich bedauerlich. Allerdings bestehe kein Zweifel, dass das Knöllchen bezahlt werden müsse - ganz egal, welchen guten Grund jemand auch vorbringt, verhindert gewesen zu sein. Marion Koch-Gersdorf hatte zu diesem Zeitpunkt schon längst überwiesen. Am Folgetag erhielt sie auch den ausstehenden Anruf - sinngemäß mit der gleichen Botschaft wie die von Stephan Schwager.

Über diese Nachricht freut sich kaum jemand: eine Verwarnung des Ordnungsamtes für falsches Parken © picture alliance / dpa
Der ADAC rät jedem Falschparker, ein Verwarnungsgeld direkt zu zahlen. „Mit der fristgerechten Zahlung können Sie das Verfahren einfach und ohne zusätzliche Kosten beenden.“ Der Betrag sei vollständig und innerhalb der gesetzten Frist von einer Woche bei der Behörde zu begleichen. „Bezahlen Sie die Verwarnung nicht oder zu spät, wird in der Regel ein kostenpflichtiges Bußgeldverfahren eingeleitet.“ Rechtsmittel gegen die Verwarnung gebe es nicht.
Was ist, wenn der Fahrer nicht bekannt ist?
Im Selmer Fall war es völlig unstrittig, dass die Fahrerin die Parkzeit überschritten hatte. Das hatte sie nie in Frage gestellt. Andere sind nicht so ehrlich wie sie. Das weiß auch der Gesetzgeber und hat vorgesorgt mit Paragraf 25 a des Straßenverkehrsgesetzes. Das nimmt den Halter in die Pflicht, sofern „in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes der Führer des Kraftfahrzeugs, der den Verstoß begangen hat, nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt werden“ kann. Mindestens 20 Euro sowie weitere Auslagen werden dann fällig.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Dezember 2019 die Hürde für faule Ausreden höher gelegt. Nur zu behaupten, sein Auto nicht selbst falsch abgestellt zu haben, ohne den dann verantwortlichen Fahrer oder die Fahrerin zu benennen, reicht nicht mehr aus. Dann greift die Halterhaftung. Halter haben die Kosten des Verfahrens zu übernehmen: mindestens 20 Euro sowie weitere Auslagen, wie der ADAC vorrechnet.
Den Aktiven des Hospizdienstes geht es nicht anders als Ärztinnen und Ärzten im Dienst oder Kurieren, die „eilige Arzneimittel“ ausfahren. Auch sie müssen Knöllchen zahlen, selbst wenn sie entsprechende Schilder im Auto liegen haben. Sonderrechte haben nur Einsatzfahrzeuge mit Martinshorn und Blaulicht.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
