Internet-Experte zu Freifunk: Risiken bewusst sein
Netzwerk mit kostenlosem Internet
25 Freifunk-Router sind in Selm aktiv. Das Netz derer, die einen Teil ihres Internetanschlusses für andere Nutzer freigeben, wächst. Aber was sollte man aus rechtlicher Sicht wissen? Wir sprachen mit Rechtsanwalt Christoph Diekmann LL.M., zugleich CDU-Ratsherr aus Bork. Seine Kanzlei ist spezialisiert auf das Informationsrecht.

Der Borker Rechtsanwalt Christian Diekmann LL.M. sieht Probleme in der Datensicherheit und in Haftungsfragen bei Rechtsverstößen: „Nutzer sollten sich dieser Risiken bewusst sein“, sagt er.
Die Freifunk-Initiative will erreichen, dass man in Selm an zentralen Orten, vielleicht irgendwann sogar flächendeckend mit seinen Mobilgeräten über Freifunk online gehen kann. Ist das datenschutzrechtlich bedenklich?
Das kommt im Einzelfall darauf an, wer welche personenbezogenen Daten an wen wie weitergibt. Nur weil ein W-Lan-Netz flächendeckend bestünde, ändert dies nichts daran, dass jeder Nutzer selbst bestimmen kann, welche Daten er freigibt und über das Netz übermittelt. Der Datentransfer darf nicht mit spezieller Software ausgelesen werden. Dabei würde man sich strafbar machen.
Problematisch mit Blick auf die Datensicherheit sehe ich, dass über einen einzigen Router (Zugangspunkt zum Internet) mehrere, meist untereinander unbekannte Personen, verbunden sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass ein Nutzer Geräte oder den Datentransfer anderer Nutzer mit spezieller Software ausspionieren kann. So könnten Passwörter und Zugangskennungen und E-Mail-Adressen leicht abgefangen werden. Nutzer sollten sich dieser Risiken bewusst sein und zum Beispiel kein Onlinebanking über ein offenes W-Lan durchführen.
Freifunk funktioniert ja so, dass Einwohner einen Teil ihres W-Lans für fremde Benutzer öffnen. Die können sich dann ohne Registrierung und Passwort einloggen. Ist das rechtlich unbedenklich oder gefährlich?
Das ist einer der Punkte, wo Praxis und gesetzliche Anforderungen nicht zusammen passen: Der Nutzer eines Freifunk-Netzes will schnell und unkompliziert Informationen aus dem Netz. Daher sind Sicherheitsvorkehrungen wie Registrieren oder Verschlüsseln störend. Die Bundesregierung hat einen neuen Gesetzesentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes (TMG) erarbeitet. Mit diesem soll – insbesondere mit Blick auf Freifunker – die Verbreitung eines freien W-Lans gefördert werden und die Störerhaftung entfallen.
Allerdings wird darin ausdrücklich von Sicherungsmaßnahmen gesprochen, die von jedem Freifunker umzusetzen wären. Weil dies faktisch mehr Hürden als Erleichterungen mit sich bringt, hat aktuell der Bundesrat neue Vorschläge unterbreitet. Diese würden nach meiner Einschätzung genau das umsetzen, was für viele als selbstverständlich gilt: also keine Sicherungspflicht des Internetzuganges, als Freifunk im wahrsten Sinne des Wortes. Hier bleibt jedoch abzuwarten, ob dies so umgesetzt wird, da der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits die Ansicht vertreten hat, dass es möglich sein muss, in derartigen Fällen zu sanktionieren. Dies würde eher dem Entwurf der Bundesregierung entsprechen und sicher weniger den Interessen der Freifunker.
Sie sagen Störerhaftung: Was bedeutet das genau?
Wenn Sie weder Täter noch Teilnehmer einer Rechtsverletzung sind, aber „willentlich und adäquat kausal“ dazu beitragen, gelten Sie nach dem BGH als Störer und können auf Unterlassung in Anspruch genommen und kostenpflichtig abgemahnt werden. Mit anderen Worten: wenn man einen ungesicherten Zugang zum Internet gewährt. Dabei ist die Inanspruchnahme des Freifunkers nur nachgelagert möglich, es ist die Rede von „Kaskadenhaftung“.
Warum gibt es sie in Deutschland, warum in anderen Ländern nicht?
Gute Frage. Deutschland hat schon immer einen besonderen Blick auf urheberrechtlichen Schutz. Die Störerhaftung ist eine weitere Möglichkeit, dass Urheber bei einer Rechtsverletzung zu ihrem Recht kommen können.
Technisch ist das Freifunk-Netz ja so organisiert, dass Einwohner einen zusätzlichen Router aufstellen, sprich einen Zugangspunkt, der zusätzlich zu dem eigenen geschützten W-Lan ein W-Lan mit dem Namen Freifunk aufbauen. Das regelt der Verein Rheinland e.V. für den Anbieter. Ist man damit als Aufsteller eines Zugangspunktes aus der Störerhaftung entlassen?
Rein rechtlich betrachtet Nein. Faktisch mag dies aktuell anders aussehen: Ob das Argument ohne Vorbehalte greift, dass aufgrund der Art der technischen Verbindung eine Rückverfolgung gänzlich ausgeschlossen ist, ist mir nicht bekannt.
Der Freifunk Rheinland e.V. nimmt ja im Freifunk-Konstrukt die Rolle eines Providers ein: Er schlüpft in die Rolle zum Beispiel der Deutschen Telekom, er bietet eine Internetverbindung an. Unterschied zu andere Providern: Er rechnet nicht mit seinen Kunden ab, da sie kostenfrei ihr Angebot des freien W-Lans machen. Er darf darum aus Rechtsgründen keine Daten anlegen, sammeln - und hat darum keine Verbindungsdaten. Ist man also nicht auch als Anbieter von Freifunk geschützt? Funktioniert diese Argumentationskette aus Ihrer Sicht?
Der BGH hat sich bereits in 2014 mit einem Fall der Speicherung von IP-Adressen bei einem Provider beschäftigt. Das Ergebnis in Kürze ist, dass ein Provider IP-Adressen zumindest wenige Tage speichern darf. Dies ist unabhängig davon, ob der Dienst kostenfrei bereitgestellt wird. Der Freifunk Rheinland e.V. ist, wie andere Freifunk-Provider auch, bei der Bundesnetzagentur gelistet.
Damit dürften diese Provider aber auch nach Ablauf der Umsetzungsfrist in 2017 von der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung betroffen sein, sofern die gesetzliche Vorschrift einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung standhält. Ob Freifunk-Provider die damit für die technischen Anforderungen einhergehenden Kosten stemmen und weiter existieren können, bleibt abzuwarten.
Was ist bei öffentlichen Hotspots wie zum Beispiel am Marktplatz in Olfen anders?
Rechtlich prinzipiell nichts. Aber in einigen Fällen muss man sich dort als Nutzer einloggen, ist also dann personalisierbar.
Wie stellen Sie als Politiker sich in Selm die digitale Entwicklung vor? Welche Bedeutung hat sie als Standortfaktor einer Stadt?
Für Selm ist der Breitbandausbau sicherlich ein wichtiges Thema. Jedes Unternehmen benötigt eine schnelle Internetverbindung, um konkurrenzfähig zu sein.
Und Freifunk?
Freifunk sehe ich nicht als ein Muss. Man muss sich fragen: Wem nützt es wirklich? Bringt es einen wirklichen Mehrwert mit Blick auf die immer schnellere Digitalisierung? Heute sind viele Smartphones und Tablets mit entsprechenden Tarifen und Datenvolumen ausgestattet.
Diese Verbindungen sind schneller als Freifunk-Zugänge. Wenn man seinen Freifunk-Router so konfiguriert, dass jeder Nutzer schnell surfen kann, dann bietet das ein Einfallstor für rechtswidrige Aktionen, welche sich über langsame Verbindung nicht lohnen würden. Zudem sind viele rechtliche Fragen ungeklärt. Die Gefahr, dass Nutzer Daten anderer Nutzer abgreifen, sollte nicht unterschätzt werden.
Was würden Sie Leuten raten, die Freifunk trotzdem gut finden und anbieten wollen?
Man sollte überprüfen, ob das Anbieten von Freifunk vertraglich seitens des eigentlichen Internet-Providers wie Telekom, 1&1 oder Vodafone zulässig ist. Im Sinne des Freifunks wäre es im Ergebnis gut, wenn das Gesetz angepasst würde.