
© Stephan Schuetze
Figan Ucar-Macit zur Zeltstadt für Flüchtlinge: „Helfen, wo wir können“
Krieg in Ukraine
Eine Zeltstadt für 1000 Ukraine-Flüchtlinge entsteht auf dem Parkplatz am LAFP. Kaum war das bekannt, hat Figan Ucar-Macit losgelegt: „Klar, werden wir Schicksalshelfer uns einbringen.“
Überrascht war Figan Ucar-Macit nicht über das, was Bürgermeister Thomas Orlowski zusammen mit Vertretern der Bezirksregierung Arnsberg und der Polizei am Donnerstagabend mitgeteilt hat: „Am runden Tisch der Flüchtlingshilfe-Gruppen gab es darauf schon einen Hinweis“, sagt sie am Freitag (18. 3.) - einen Tag, nach der Pressekonferenz im Bürgerhaus. Dort hatten Stadtspitze und Vertreter des Landes NRW angekündigt, auf dem landeseigenen Gelände neben dem Landesamt für Ausbildung der Polizei eine Zeltstadt für 1000 ukrainische Kriegsflüchtlinge zu errichten - für mindestens ein Jahr. Als bei der Flüchtlingswelle 2015 dort die erste Zeltstadt entstand, schlug die Geburtsstunde der Schicksalshelfer. So heißt der von Figan Ucar-Macit mitgegründete Verein. Ein Name, der Programm ist.
„Wir wollen den Menschen beistehen so gut es geht“, sagt die dreifache Mutter aus Bork, die zusammen mit ihrem Mann Erdal das Haus Dörlemann führt: ursprünglich eine Anlaufstelle für Flüchtlinge, heute die einzige Kneipe im Ort. Die Herausforderungen jetzt seien aber anders als 2015.

So sah die Zeltstadt 2015 aus. So ähnlich wird auch die neue Zeltstadt im April 2022 aussehen. © www.blossey.eu
Damals seien vor allem junge Männer aus Syrien, dem Irak, Afghanistan und anderen Krisengebieten gekommen. „Jetzt sind es vor allem Mütter mit Kindern“: Ukrainerinnen, die ihre Männer im Krieg wissen und deren Verwandte in Kellern zerbombter Siedlungen ausharren müssen - traumatisierte Menschen, die nur kurze Zeit in Bork bleiben werden, bevor sie in eine Stadt in NRW vermittelt werden. Während der Zeit des Aufenthalts werden sie in der Zeltstadt rundum versorgt.
Kleiderkammer ist nicht nötig, anderes schon
Eine Kleiderkammer mit gespendeten Sachen und anderen Waren für den täglichen Bedarf brauchen die Schicksalshelfer nicht, anders als bei der ersten großen Flüchtlingswelle vor sieben Jahren. Es gibt aber anderes, was sie tun wollen. Und wofür sie sich Unterstützung aus der ganzen Stadt wünschen.
Figan Ucar-Macit und ihre Mitstreiter wollen wieder eine sogenannte Box-Aktion starten: Jeder Flüchtling, der ankommt, soll eine gepackte Box bekommen mit kleinen Aufmerksamkeiten für Kinder und Erwachsene und einem Willkommensgruß inklusive Kontaktmöglichkeit. „Wir würden eine Auflistung machen und mit den Kartons mitgeben“, hat Figan Ucar-Macit bereits auf der Facebook-Seite der Schicksalshelfer gepostet. „Oder ihr könntet euch direkt mit Geldspenden oder Sachspenden in Form von Hygieneartikeln beteiligen.“ Von anderen Sachspenden bittet die Borkerin vorerst Anstand zu nehmen, „auch weil wir dafür gar keine Lagermöglichkeiten haben“.
Kurze Ausflüge und Gesprächsrunden anbieten
„Ich kann mit außerdem sehr gut vorstellen, dass wir kurze Besuche auf dem Bauernhof organisieren“: Ausflüge für Kinder mit ihren Müttern, „nur damit sie einmal etwas anderes sehen“. Für Sprachkurse sei die Aufenthaltsdauer der Flüchtlinge zu kurz. Sie kann sich aber kurze Gesprächsrunden vorstellen mit dem Ziel Basis-Vokabular zu vermitteln.
Nicht nur die Schicksalshelfer sind aktiv. Auch die drei anderen Asylkreise in den drei Selmer Ortsteilen verzeichnen derzeit wachsenden Zulauf - von Helferinnen und Helfern und von Hilfsbedürftigen: sowohl Menschen, die in den öffentlichen Unterkünftigen der Stadt untergekommen sind als auch von solchen, die privat ein Dach über den Kopf gefunden haben. Dass die Menschen, die vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen sind, so bald nicht werden zurückkehren können, zeichnet sich bereits ab. Die größte Flüchtlingsbewegung innerhalb Europas seit dem Zweiten Weltkrieg werde dazu führen, „dass wir dauerhaft helfen müssen“, sagt Figan Ucar-Macit. Mit welchen Angeboten das am besten gehen kann, werden sie überlegen.
Flüchtlinge sind zu Freunden geworden
Und was ist mit den anderen Flüchtlingen in Selm? „Viele, die wir seit 2015 betreut haben, sind inzwischen in andere Städte gezogen, meistens, weil sie dort leichter eine Arbeit und eine Wohnung gefunden haben“, sagt Figan Ucar Macit. Und die, die in Selm geblieben sind, „sind inzwischen Freunde geworden“.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
