
© Arndt Brede
Hilfe für Flüchtlinge braucht langen Atem: Lasst es uns in Selm vormachen!
Meinung
Singen, Kerzen anzünden, spenden: alles wichtig. Die größte Herausforderung steht uns aber erst bevor: auf Dauer den Alltag meistern mit den vielen Kriegsflüchtlingen. Selm kann sich beweisen.
Die Bereitschaft, Menschen aus der Ukraine zu helfen ist riesig - auch noch nach mehr als drei Wochen Krieg. Allerdings wächst inzwischen auch die Erkenntnis, dass die Flüchtlinge bleiben werden - nicht ein paar Wochen im Gästezimmer, sondern vielleicht Jahre. Und dass sie Kita-Plätze, verständnisvolle Lehrerinnen und Lehrer, günstige Wohnungen und Arbeit brauchen werden. Erstunterkünfte sind jetzt schon knapp. Unsere Solidarität wird also einen langen Atem brauchen. Da ist es gut, wenn Selm schon jetzt lernt, einmal tief Luft zu holen.
Eine Zeltstadt für 1000 Menschen ist eine Belastung für einen kleinen Ortsteil wie Selm-Bork. Wer etwas anderes behauptet, macht sich etwas vor. Der Frust wäre dann umso größer, wenn Probleme auftreten. Denn die sind unvermeidlich, wenn viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen. Aber was ist diese Belastung schon gegenüber dem, was die Hilfesuchenden erlebt haben: Bombenhagel, Artilleriefeuer, Trennung, Zerstörung?
Selm hat jetzt die Chance, intensiver und früher als manche anderen Städte, die Solidarität im Ausnahmezustand in den Alltag hinüberzuretten. Dabei braucht sie nicht bei Null anzufangen - nicht nur, weil in Bork seit der Flüchtlingswelle 2015 noch Hülsen für die Zeltstangen im Boden stecken, sondern vor allem, weil Menschen seitdem wissen, wie sie Neuankömmlinge unterstützen - mit langem Atem.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
