Friedrich Mülln vom Tierschutzverein Soko Tierschutz hofft, dass die Verantwortlichen für den Schächt-Skandal von Selm vor Gericht kommen. © Rademacher/Heckenkamp

Prott

Ein Jahr nach Schächt-Skandal in Selm: Wie geht es weiter im Fall Prott?

Der Schlachthof Prott ist seit März 2021 geschlossen. Es soll dort illegale Schächtungen gegeben haben. Wie ist ein Jahr nach Bekanntwerden des Skandals der Stand der Ermittlungen?

Selm

, 23.03.2022 / Lesedauer: 5 min

Immer wieder, so erzählt es Friedrich Mülln, erreichen ihn Fragen zum Selmer Schlachtskandal von Menschen aus der Region. Ob schon jemand im Gefängnis ist. Wann es einen Prozess gibt. Wie lange das alles noch dauert. Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass der Kreis Unna den Schlachthof Prott an der Schachtstraße in Selm geschlossen hat - weil dort Hunderte Tiere geschächtet worden sein sollen. Schächten - so nennt man es, wenn Tiere ohne vorherige Betäubung geschlachtet werden. In Deutschland ist das illegal, sofern keine Sondergenehmigung vorliegt. Und es ist für die Tiere eine große Quälerei - das beweisen nicht zuletzt die Bilder, die die Soko Tierschutz mit versteckter Kamera in dem Selmer Betrieb aufgenommen und im März 2021 veröffentlicht hat.

Die Szenen sind schwer zu ertragen. Man sieht ein Rind, das kopfüber an der Decke hängt, hin- und her pendelt, in Todesangst laut schreit. Man sieht den Schlachter, der ein Messer ansetzt. Man sieht Blut spritzen und ein Tier, das bei lebendigem Leib ausblutet. Rund dreieinhalb Wochen lang haben Tierschützer in dem Schlachthof gefilmt. Rund 190 Schächtungen von Rindern und Schafen sollen auf den Videos zu sehen sein.

Wie geht es ein Jahr nach Bekanntwerden des Skandals weiter?

Das letzte Jahr über lagen diese Videos bei der Staatsanwaltschaft Dortmund - zur Sichtung und Auswertung. Mittlerweile, das sagte Henner Kruse, Sprecher der Staatsanwaltschaft, Anfang März auf Anfrage der Redaktion, sei das alles erledigt. Schon bald werde es voraussichtlich Neuigkeiten geben im Fall Prott.

Eine Nachricht, die Friedrich Mülln von der Soko Tierschutz erst mal froh stimmt. Wobei: Seine Erwartungen, dass die Konsequenzen groß sein werden für die Verantwortlichen sind nicht gerade groß. „Wir haben oft genug erlebt, dass Staatsanwaltschaften Sachen einfach nur vom Tisch wischen“, sagt Friedrich Mülln, der seit über 20 Jahren Tierschutzaktivist ist.

Im Fall Prott ist es noch offen, wie es weitergeht. Möglichkeiten wären: die Einstellung des Verfahrens, eine Anklageerhebung und dann eine Gerichtsverhandlung oder ein Strafbefehl, der per Post zugestellt wird. Ein Strafbefehl, so behauptet Friedrich Mülln, sei oft „Trick 17“ - „um für Behörden unangenehme Strafverfahren nicht öffentlich auswerten zu müssen“.

Unangenehm für die Behörden - das ist etwas, das beim Fall Prott durchaus zutreffen könnte. Das Veterinäramt des Kreises Unna hatte den Schlachthof im März des vergangenen Jahres geschlossen - unmittelbar, nachdem auch die Behörde die Videos aus dem Betrieb erhalten hatte. Allerdings erhebt die Soko Tierschutz auch erhebliche Vorwürfe gegen den Kreis Unna - von einem „krachenden Versagen“ sprach Friedrich Mülln im vergangenen Jahr. Auf den Videos sei kein Amtsarzt zu sehen, es habe keine Kontrollen des Kreises gegeben - so die Schlussfolgerung. Und der Vorwurf. Auch gegen den Kreis Unna hat die Soko Tierschutz im April des vergangenen Jahres Anzeige erstattet, die ebenfalls noch bei der Staatsanwaltschaft Dortmund liegt.

Zum Fall Prott im Kreis Unna kam noch der Fall Mecke

„Das Versagen beim Kreis Unna, was sich über Jahrzehnte hingestreckt hat, ist so katastrophal, dass es für uns eigentlich an eine Mittäterschaft grenzt“, sagt Friedrich Mülln - ziemlich deutlich.

Der Kreis Unna hat diesen Vorwürfen von Anfang an widersprochen. Ähnlich deutlich. Im Sommer wurde in Werne aber ein weiterer Schlachtskandal bekannt - dieses Mal richteten sich die Vorwürfe gegen das Unternehmen Mecke. An einer Viehsammelstelle sollen Tiere schlimm gequält worden sein - etwas, das wieder für viel Empörung gesorgt hat. Und das die Kontrollarbeit des Kreises Unna wiederholt in Frage gestellt hat.

Das geht an der Behörde nicht spurlos vorbei. Im Zuge der Empörung hat es viele Anfeindungen gegen Mitarbeiter gegeben. Massenhaft, so hatte es der Kreis im vergangenen Jahr erklärt, habe es Nachrichten mit Schimpftiraden gegeben. Ein Veterinäramtsmitarbeiter sei vor seiner Wohnung abgepasst und gefilmt worden. In einer Mail schrieb ein Absender sogar, dass er Landrat Mario Löhr am nächsten Baum aufhängen wolle. Derartige Hass-Nachrichten, so sagt es Kreissprecher Volker Meier, gebe es ein Jahr nach dem Prott-Skandal nicht mehr. „Allerdings kommen solche Reaktionen immer mal wieder vor, insbesondere dann, wenn es eine intensivere Berichterstattung zum Thema gibt. Das stellt Ihr Recht auf Information und Berichterstattung natürlich nicht in Frage“, sagt er.

Veränderungen gibt es beim Kreis Unna ebenfalls, seit die Vorwürfe vor einem Jahr bekannt wurden. „Der Kreis Unna hat mit dem neuen Haushalt den Stellenplan für das Veterinärwesen um insgesamt zehn Stellen erhöht. Das geht einher mit veränderten rechtlichen Rahmenbedingen, versetzt den Kreis Unna aber auch in die Lage besser und schneller reagieren zu können“, sagt Volker Meier.

Wie geht es weiter am Schlachthof an der Schachtstraße?

Seit die Behörde den Schlachthof Prott am 18. März 2021 geschlossen hat, ist dort kein Tier mehr geschlachtet - oder geschächtet - worden. Hubert Prott hatte damals auf Anfrage der Redaktion gesagt, dass er sich gegenüber den Ruhr Nachrichten nicht zu dem Fall äußern möchte. Ein Jahr später hängt das Schild mit seinem Namen nicht mehr am Schlachthof.

Das Gebäude soll an den Schlachtbetrieb Schlunz aus Werne verkauft worden sein. Etwas, das aber weder das Unternehmen auf Anfrage der Redaktion bestätigt, noch der Kreis mit Hinweis auf Datenschutzgründe sagt. Noch, so erklärt es Kreissprecher Volker Meier Anfang März, gebe es keine genehmigte Nutzung an der Schachtstraße. „Allerdings kann diese Genehmigung kurzfristig, nach Abschluss der Umbauarbeiten und Freigabe durch das Kreisveterinäramt erfolgen.“

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Wie es im Fall Prott weitergeht, werden voraussichtlich schon die nächsten Wochen zeigen. Der Wunsch von Tierschützer Friedrich Mülln für die Zukunft ist klar: „Ich hoffe, dass diese Leute vor Gericht kommen. Und ich hoffe, dass die Richter das lächerliche Strafmaß von drei Jahren ausschöpfen.“ Allerdings habe er schon gehört, dass die Chancen dafür wohl nicht so gut stehen. „Wenn ich mich an die Szenen erinnere, macht mich das einfach nur traurig.“

An dem Feedback, das er immer noch von den Menschen aus Selm und der Region erhalte, sehe er, dass sie nicht vergessen haben. „Die Leute fiebern da immer noch mit und haben die Tiere in Erinnerung behalten. Dieses Bullenrind, das da geschächtet worden ist vor laufender Kamera...“

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