Seit rund vier Wochen darf in Fahrschulen kein Theorie-Unterricht mehr stattfinden. Online-Unterricht ist für die Fahrlehrer von Fahrschulen in Selm, Olfen und Nordkirchen aber kein Thema.
Wegen der Kontaktsperre haben nicht nur normale Schulen noch bis zum 4. Mai geschlossen - auch in Fahrschulen ist der Theorie-Unterricht seit rund vier Wochen komplett untersagt. Während Schüler von ihren Lehrern mit Arbeitsaufträgen versorgt werden und Unterricht - außerhalb der Ferien - sogar mitunter online stattfindet, verzichten die Fahrschulen in Selm, Olfen und Nordkirchen auf die Möglichkeit, Online-Theorie-Stunden anzubieten - trotz einer temporären Erlaubnis dafür.
Vorübergehend hatte das NRW-Verkehrsministerium diese normalerweise untersagte Form von Theorie-Unterricht wegen des Erlasses der Kontaktsperre doch temporär genehmigt. Gebrauch davon gemacht haben laut einer Recherche der Redaktion aber die meisten Fahrschulen in Selm, Olfen und Nordkirchen nicht.
Genehmigung „ein Schuss ins Blaue“
„Diese Genehmigung des Verkehrsministeriums war ein Schuss ins Blaue. Es gab kein klares Konzept für diese Art von Unterricht“, sagt etwa Stefan Kroiher von der gleichnamigen Fahrschule mit Filialen in Selm, Olfen und Nordkirchen. Er präferiert eindeutig den Präsenz-Unterricht. Auch in Sachen Datenschutz sei laut Kroiher ein Online-Unterricht „sehr bedenklich“. „Zudem wäre es für uns auch überhaupt nicht kontrollierbar, ob die Fahrschüler tatsächlich vorm Computer sitzen“, zählt Kroiher Gründe auf, wieso er nicht auf diese Form von Unterricht setzt.
Ganz ähnlich sieht es sein Kollege Benjamin Janke von der Fahrschule Janke in Olfen. „Ich bin Vollblut-Fahrlehrer und muss meine Schüler bei mir haben. Ich muss mit denen in Gruppenarbeiten diskutieren können“, sagt er. Außerdem würde es überhaupt nichts bringen, „jetzt zig Fahrschüler für ihre Theorieprüfungen online fertig zu machen, und dann können sie die Prüfung gar nicht antreten.“
Fahrschulen haben teilweise Kurzarbeit beantragt
Auch die Fahrschule Tittmann in Olfen bietet einen Online-Unterricht aus diesen Gründen nicht an. Bürokauffrau und Ehefrau des Fahrlehrers Jens Tittmann, Sandra Tittmann, ergänzt: „Dazu müssten wir ja auch erstmal die ganzen Sachen und Lizenzen erwerben und uns in der Materie einfinden.“ Und weiter: „Wir haben es jetzt vier Wochen geschafft, dass kein Unterricht stattfindet, den Rest stehen wir auch noch durch.“
Während die Fahrschulen Kroiher und Janke bereits Kurzarbeit bei der Arbeitsagentur beantragt haben, hat die Fahrschule Tittmann davon abgesehen. „Wenn das Arbeitspensum von einhundert auf null Prozent runtergeht, hat man keine andere Möglichkeit“, sagt Stefan Kroiher zu den Gründen, warum er Kurzarbeit für seine Mitarbeiter beantragt hat. Existenzängste haben er und seine Kollegen Benjamin Janke und Sandra Tittmann wegen der aktuellen Krise aber nicht, wie sie unisono mitteilen
Eröffnung neuer Filiale verschoben
Kroiher wollte Anfang April zudem eigentlich seine vierte Filiale in Ascheberg eröffnen. „Ich habe sogar einen neuen Fahrlehrer eingestellt und am 13. März noch ein weiteres Fahrschul-Auto abgeholt.“ Die Eröffnung der Ascheberger Filiale verschiebt sich wegen der Corona-Krise aber nach hinten.
Die Schließung der Fahrschulen und das Nicht-Stattfinden von Theorie- und Fahrstunden birgt aber nicht nur Probleme für die Fahrschulen. Fahrschüler, die vor der Corona-Krise kurz vor ihrer praktischen Prüfung standen, könnten sich nach einer so langen Pause bald nicht mehr ganz so sicher fühlen. „Sicherlich kommt man ein kleines bisschen aus der Übung, aber man verlernt das Fahren ja nicht. Da kommt man schnell wieder rein“, ist Stefan Kroiher überzeugt, dass dies kein allzu großes Problem darstellt.
Fahrschüler müssen erst wieder warm werden
So sieht es auch Sandra Tittmann: „Ich denke, die Fahrschüler müssen erst wieder ein bisschen warm werden. Aber sie kennen ja immer noch die Regeln und ich glaube nicht, dass sie nach dieser längeren Pause wieder zig Fahrstunden kloppen müssen.“ Sie glaube daher nicht, dass die momentane Schließung ein gravierendes Problem für die Fahrschüler darstelle.
Im Jahr 2019 sind im Kreis Unna insgesamt 3792 Führerscheine ausgestellt worden. Das sind etwa vier Prozent mehr als im Jahr zuvor. Sind wegen der langen Fahrschul-Schließungen in diesem Jahr also weniger Führerschein-Ausstellungen zu erwarten?
Kroiher rechnet nicht mit Ansturm auf Prüfungsstellen
„Ich denke, es wird sich einpendeln“, sagt Stefan Kroiher. Dass es demnächst einen Ansturm auf die Prüfungsstellen geben wird, glaubt er nicht: „Wenn die Menschen ihre Reserven in der aktuellen Krise aufgebraucht haben, stellen sie einen Führerschein womöglich hinten an. Der Führerschein ist dann bestimmt nicht das Erste, was sie nach der Lockerung der Kontaktsperre machen.“
Sandra Tittmann geht jedoch davon aus, dass in den kommenden Monaten nicht wenig los sein wird in ihrer Fahrschule. „Ich weiß nicht, ob es in diesem Jahr weniger Führerschein-Anwärter geben wird, weil wir jetzt für längere Zeit geschlossen haben. Demnächst wird es sicherlich wieder stressig, da wir in diesem Jahr auch keinen Urlaub mehr machen.“
Anmerkung d. Redaktion: Wir hatten in diesem Artikel ursprünglich geschrieben, die Fahrschule Tittmann komme aus Selm. Das ist nicht richtig, die Fahrschule kommt das Olfen. Wir haben den Fehler korrigiert.
Jahrgang 1992. Geboren und aufgewachsen in Unna. Kennt den Kreis Unna wie seine Westentasche, hat in seinem Leben aber noch nie eine Weste getragen. Wollte schon als Kind Sportreporter werden und schreibt seit 2019 für Lensing Media über lokale Themen - auch über die Kreisgrenzen hinaus.
