
Wenn die eigenen vier Wände zur Hölle werden, ist es für betroffene Frauen wichtig, schnell einen Ausweg zu finden: ein Frauenhaus und anschließend eine Wohnung. © picture alliance / Peter Steffen/dpa
Bedenkenträger in Selm überspannen den Bogen: Das ist beschämend
Meinung
„Unternehmer schenkt Selm ein Frauenhaus: ,Habe genug verdient‘“, titelten wir zu Weihnachten. Jetzt steht fest: Daraus wird nichts wegen der Nachbarn. Beschämend findet das unsere Autorin.
„Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann - fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“ Dieses Zitat des US-Präsidenten John F. Kennedy kennt nahezu jeder. Menschen, die es beherzigen, sind dagegen weniger bekannt. Heinz Knocks ist so ein seltenes Exemplar. Der Unternehmer wollte mit seiner Stiftung Selm eine Anlaufstelle für Frauen in Not schenken. Dass daraus nichts wird, ist beschämend.
Mitbestimmung ist wichtig. Nachbarn haben mit gutem Grund ein Mitspracherecht, wenn es um Neubauten jenseits der Grundstücksgrenze geht. Sie dürfen Widerspruch einlegen, wenn der Abstand zu ihrem Haus zu klein, die Bebauung zu hoch oder zu Zuwegung zu eng wird. Bei den Fragen, ob der Bau überhaupt sinnvoll ist und wer nebenan wohnen darf und wer nicht, haben sie zum Glück nichts zu sagen. Sonst wäre die Wohnungsnot noch größer als ohnehin.
Die Anwohnerschaft in Selm mag berechtigte Sorgen haben angesichts des Neubaus. Aber sie hat den Bogen überspannt. Dass Frauen mit Gewalterfahrung - und das kann leider jede treffen - in Selm weder Beratung noch Zuflucht finden, obwohl das die Allgemeinheit keinen Cent kosten würde, ist traurig. Dass ein Mann, der es mit dem Kennedy-Zitat ernst nimmt, auf Ablehnung statt auf Dankbarkeit stößt, ebenfalls. Bleibt zu hoffen, dass andernorts die Menschen ihn und sein Millionenprojekt besser willkommen heißen.
Leiterin des Medienhauses Lünen Wer die Welt begreifen will, muss vor der Haustür anfangen. Darum liebe ich Lokaljournalismus. Ich freue mich jeden Tag über neue Geschichten, neue Begegnungen, neue Debatten – und neue Aha-Effekte für Sie und für mich. Und ich freue mich über Themenvorschläge für Lünen, Selm, Olfen und Nordkirchen.
