
© Jürgen Weitzel (Archiv)
Abrechnungsaffäre: Warum hat Orlowski den Selmer Rat nicht informiert?
Ratssitzung
Der Selmer Bürgermeister Thomas Orlowski steht wegen seiner Informationspolitik in der Abrechnungsaffäre in der Kritik. In der Ratssitzung versuchte er, sein Verhalten zu erklären.
Es sei ein Ermessen von ihm gewesen. Das war eigentlich die wesentliche Erklärung von Thomas Orlowski, warum er die Mitglieder des Rates der Stadt Selm nicht früher über die Entwicklungen der Abrechnungsaffäre im Kreis Unna informiert hatte. Der Bürgermeister hatte in den Tagen zuvor in deutlicher Kritik gestanden.
Von den Anschuldigungen gegen Dr. Hubert Seier, der Verdienstausfallstunden doppelt abgerechnet haben soll, hätten sie „nur aus der Zeitung erfahren“, mahnten mehrere Mitglieder des Gremiums bei der letzten Sitzung am Donnerstag (24. März) an. Dass die Staatsanwaltschaft ermittelt und welche Rolle die Stadt bei der ganzen Sache gespielt hat - Ratsherrn und Ratsfrauen hatten hier keinen Wissensvorsprung vor den normalen Zeitungslesern.
Und das, obwohl die Stadtverwaltung keineswegs unwissend war. Im Gegenteil: Sie hatte den Stein in Bezug auf die Ermittlungen gegen Seier wohl erst ins Rollen gebracht. Das erklärte Thomas Orlowski in der Ratssitzung auch noch mal ganz deutlich. „Wir waren immer vor der Lage“, sagte er. Die Unstimmigkeiten seien im Dezember per Zufall aufgefallen. „Wir haben frühzeitig die Polizei über den Landrat informiert und auch den Kreis Unna. Und wenn man über Jahre mit einem verdienten Ratsmitglied zusammen arbeitet, dann hört man das Ratsmitglied auch an. Und das haben wir dann auch getan“, erklärte Orlowski. Im Januar habe das Gespräch mit Hubert Seier stattgefunden. Danach habe die Stadt durch einen Rechtsanwalt die Staatsanwaltschaft informiert.
Warum hat die Stadt so gemauert?
Einen Informationsfluss in Richtung des Stadtrates hat es die ganze Zeit über nicht gegeben - obwohl bereits Anfragen und Anträge zu der Sache vorlagen. Auch gegenüber dieser Redaktion wollte die Stadtverwaltung sich zur Abrechnungsaffäre eigentlich nicht äußern - und ließ es auf ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht ankommen. Das Gericht sprach aber das Recht auf Auskunft aus - mit Verweis auf das Grundrecht der Pressefreiheit.
Warum hat die Stadt so gemauert? Nicht nur den Medien gegenüber, sondern auch vor den eigenen Ratsmitgliedern? „Der Bürgermeister hat ein Ermessen“, sagte Thomas Orlowski. Er habe abwägen müssen, inwieweit strafrechtliche Ermittlungen durch eine Veröffentlichung beeinträchtigt werden könnten. Außerdem wollte er eine Vorverurteilung vermeiden. „Es gilt die Unschuldsvermutung“, sagte er. Wenn er etwas gesagt hätte, hätte das auch etwas in der Öffentlichkeit ausgelöst, so Orlowski.
Die Veröffentlichungen dieser Redaktion seien dann in so schneller Abfolge gekommen, dass die Verwaltung nicht hinterhergekommen sei. So habe man den Rat auch nicht vor der öffentlichen Stellungnahme der Stadt informieren können.
„Stellung des Rates herabgewürdigt“
Insbesondere die CDU ließ die Argumente des Bürgermeisters nicht so richtig gelten. Schließlich hätte die Fraktion zum ersten Mal im Dezember einen Antrag mit dem Wunsch zu Transparenz gestellt. Dieser wurde dann bis in den Februar geschoben. Zu dem Zeitpunkt wusste der Bürgermeister längst, dass bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren läuft.
Mit seinem „Ermessen“ habe er in dieser Sache falsch gelegen, sagte Claudia Mors für die CDU. „Wir möchten als Rat mitgenommen werden. Und ich empfinde es so, dass Sie mit Ihrer Ermessensausübung die Stellung des Rates herabgewürdigt haben“, sagte die Vorsitzende der CDU-Fraktion. Ralf Piekenbrock sah das ähnlich: „Ich habe den Eindruck, dass Sie den Rat als Mitläufer sehen“, warf der Vorsitzende der Fraktion der Familienpartei dem Bürgermeister vor.
Von der FDP kam ebenfalls deutliche Kritik. „Wenn wir als Ratsmitglieder von den Bürgern gefragt werden: Was steht denn da in der Zeitung? Stimmt das? Und wir können gar nichts dazu sagen, dann finde ich das ein bisschen wenig“, sagte Fraktionsvorsitzender Klaus Schmidtmann.
Ich mag Geschichten. Lieber als die historischen und fiktionalen sind mir dabei noch die aktuellen und echten. Deshalb bin ich seit 2009 im Lokaljournalismus zu Hause.
