
© Bodo Brauer (Archiv)
Was Nestlé damit zu tun hat, dass Tierarzt Dr. Wolf keinen Nachfolger findet
Tierarztmangel
Mit Dr. Stefan Wolf schließt bereits der zweite Tierarzt in Schwerte in kurzer Zeit seine Praxis. Beide Tierärzte fanden keinen Nachfolger. Das hat auch mit den Konzernen Mars und Nestlé zu tun.
2019 schloss die Tierärztin Dr. Ulrike Janas ihre Praxis, die sie kurz zuvor nach Holzen verlegt hatte. Damals klagte die Veterinärin, dass es immer weniger Tierärzte gibt. Zum Jahresende schleißt auch Dr. Stefan Wolf seine tierärztliche Praxis. Sie ist eine der größten in der Region und lässt viele Tierhalter ohne ärztliche Betreuung zurück. Und auch Wolf erklärte, er habe lange versucht, einen Nachfolger für seine Praxis zu finden.
Gibt es zu wenig Tierärzte und warum ist das so?
Eigentlich viele Tierärzte in Westfalen-Lippe tätig
Grundsätzlich sieht es im Kammerbezirk Westfalen-Lippe, zu dem auch Schwerte gehört, gar nicht schlecht aus. Ein Blick in die Statistik zeigt: 2011 gab es im Kammerbezirk 933 niedergelassene Tiermediziner, 2020 waren es sogar 955.
Eine Antwort liefert die Tierärztekammer Westfalen-Lippe: Trotz großer Beliebtheit des Studienfachs Tiermedizin sind laut Tierärztestatistik 2018 fast ein Drittel der ausgebildeten Tierärzte nicht oder nicht mehr tierärztlich tätig. Zudem gebe es immer mehr Großpraxen mit angestellten Tierärzten. Die sind aber anders als Praxisinhaber an die Höchstarbeitszeiten des Arbeitszeitgesetzes gebunden, sodass dies den Tierärztemangel verschärft.

Astrid Behr ist selbst Tierärztin und Sprecherin des Verbandes niedergelassener Tierärzte. © privat
Über 80 Prozent der Studienanfänger weiblich
„Über 80 Prozent der Studienanfänger in Veterinärmedizin sind derzeit Frauen“, sagt Astrid Behr vom Bundesverband praktizierender Tierärzte. Ob die dann wegen Familienplanung oder weil sie das Risiko scheuen keine eigene Praxis übernehmen, wisse man nicht. Das Problem sei auf jeden Fall sehr vielschichtig.
Ihr Verband fordert unter anderem:
- Ein verändertes Auswahlverfahren für Studienanfänger. Das müsse sicherstellen, dass Bewerber mit realistischen Erwartungen an den Tierarztberuf bessere Chancen bekämen.
- Und auch die tierärztlichen Gebührenordnung müsse nach oben korrigiert werden. Im europäischen Vergleich verdienten Tierärzte in Deutschland verhältnismäßig wenig Geld.
- Außerdem müsste man bereits im Studium angehenden Tierärzten neben dem Fachwissen auch ökonomische Grundkenntnisse vermitteln, damit sie Praxen führen könnten.
Die Lücke, die dadurch entsteht, dass immer weniger Tierärzte bundesweit eine eigene Praxis aufmachen wollen, füllen Großkonzerne aus dem Ausland. Aktuell kaufen Finanzinvestoren große Praxen auf und stellen dann Tierärzte an. Das lohnt sich im Bereich der Kleintiere und der Versorgung von Pferden in dicht besiedelten Räumen.
Lebensmittelkonzerne steigen in die Branche ein
Die größten Investoren dieser Art kommen aus den USA oder der Schweiz und sind mit den Tierfutterherstellern wirtschaftlich verwoben. Sie heißen AniCura oder Evidensia und gehören den Lebensmittelherstellern Nestlé (Evidensia) und Mars (AniCura). Die Lebensmittelkonzerne stellen schon lange auch Tierfutter her. So gehören zum Marskonzern unter anderem die Marken Whiskas, Frolic, Kitekat und Chappy.
Solche Firmen würden aber auch Druck auf ihre angestellten Ärzte ausüben, welche Produkte und Leistungen sie ihren Patienten empfehlen, sagen Kritiker. Außerdem bieten sie einen Arbeitsmarkt für angestellte Tierärzte, die so nicht auf die Idee kommen, Praxen zu übernehmen. AniCura betreibt nach eigenen Angaben 400 Tierarztpraxen in ganz Europa. Evidensia erklärt auf seiner Homepage, dass man 50 Praxen in der Schweiz und Deutschland habe.
An einen der internationalen Investoren habe er nicht verkaufen wollen, sagte Dr. Stefan Wolf. Ein deutscher Investor fand sich nicht. Allerdings räumt der Tierarzt auch ein, dass er seine Arbeitszeiten sehr ausgedehnt habe. Wochenenddienst und Notdienst übernahm der Praxisinhaber meist selbst.
Genau das ist aber heutzutage für viele junge Tierärzte und Tierärztinnen nicht attraktiv. Sie achten mehr auf Work-Life-Balance und wünschen sich Teilzeitmodelle. Das funktioniert meist aber nur in den Großpraxen,
Ist mit Überzeugung Lokaljournalist. Denn wirklich wichtige Geschichten beginnen mit den Menschen vor Ort und enden auch dort. Seit 2007 leitet er die Redaktion in Schwerte.
