Die Stadt Schwerte hat das riesige Gelände der früheren Firma Hoesch Schwerter Profile gekauft und an neue Betriebe verpachtet. Über 300 Industriearbeitsplätze sollen dort auf diese Weise in Schwerte erhalten bleiben.

© Hoesch Schwerter Profile (A)

Amerikaner pachten letzte Hoesch-Halle: Das „Technikum“ war einst streng geheim

rnHoesch-Insolvenz

Was früher im Technikum von Hoesch hergestellt wurde, war geheim. In der Stadt wurde von „Rüstungssachen“ getuschelt. Jetzt hat ein US-Unternehmen die Halle langfristig gepachtet.

Schwerte

, 18.03.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Auch im vierten und kleinsten Betriebsteil der früheren Firma Hoesch Schwerter Profile geht es weiter: Das sogenannte Technikum ist von der Stadt Schwerte in Erbpacht an die Firma Plymouth Schwerter Technik vergeben worden, wie Stadt-Pressesprecher Ingo Rous mitteilt. Der Vertrag über die Nutzung sei am Montag (14.3.) notariell geschlossen worden.

Ein amerikanisches Unternehmen ist eingestiegen

Das Unternehmen – so der Stadtsprecher weiter – habe sieben Mitarbeiter in Schwerte. Aus dem Mutterkonzern Plymouth Tube Company (USA) sei verlautet, dass man sich freue, die innovativen Fähigkeiten von Plymouth Schwerter Technik in das Produkt- und Serviceportfolio aufzunehmen.

Die Amerikaner stellen sich in ihrem Internet-Auftritt als globaler Spezialhersteller von Rohren aus Kohlenstoff-Legierungen, Nickel-Legierungen und Edelstahl vor. Das Familienunternehmen in vierter Generation verfüge über acht Produktionsstätten.

In Hoesch-Zeiten war das Technikum geheimnisumwittert

In Hoesch-Zeiten galt der Bereich des damaligen Technikums als eine Art geheimes Werk im Werk für Sonderwerkstoffe. In der Stadt wurde getuschelt, dass dort beispielsweise an besonders harten Blechen für Rüstungszwecke gearbeitet werde – etwa für den Einsatz in kugelsicheren Westen oder zum Schutz von Lufteinlässen von Fahrzeugen.

Knapp zehn Leute sollen vor der Hoesch-Insolvenz an den Maschinen in der Halle tätig gewesen sein. Wer nicht zu dem Team dazugehörte, durfte erst gar nicht hinein, so hieß es. Was künftig auf dem Technikum-Gelände hergestellt wird, ist nicht öffentlich bekannt.

Alle vier Betriebsteile von Hoesch Schwerter Profile sind von neuen Eigentümern gerettet worden, wie das Schild vor der Werkseinfahrt an der Eisenindustriestraße verkündet. Der Traditionsname Hoesch ist überall von den Tafeln verschwunden.

Alle vier Betriebsteile von Hoesch Schwerter Profile sind von neuen Eigentümern gerettet worden, wie das Schild vor der Werkseinfahrt an der Eisenindustriestraße verkündet. Der Traditionsname Hoesch ist überall von den Tafeln verschwunden. © Reinhard Schmitz

„Plymouth hat damit einen deutschen Standort“, erläutert Jens Mütze, Geschäftsführer der Industriegewerkschaft (IG) Metall in Hagen. Das sei beispielsweise nötig, um für die europäische Luftfahrzeugindustrie tätig zu werden. Die Amerikaner hätten ursprünglich auch schon Interesse am Hoesch-Presswerk gehabt, das der Insolvenzverwalter dann aber an die Firma Montalstahl vergeben habe.

Aus kurzfristiger Miete wurde ein langfristiger Pachtvertrag

Mit einem kurzfristigen Mietvertrag waren in der Technikum-Halle die Lichter schon vor längerer Zeit wieder angegangen. Jetzt, so erläutert Ingo Rous, wurde daraus ein langfristiger Pachtvertrag, der neu abgeschlossen wurde.

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Bürgermeister Dimitrios Axourgos, der für die Stadt die Verhandlungen führte, zeigte sich sehr zufrieden. „Das sind zwei weitere große Erfolge für unsere Stadt“, sagte er, als er den Stadtrat in der Sitzung am Mittwoch (9.3.) über die Neubelebung der früheren Hoesch-Betriebsteile Technikum und Ziehwerk informierte.

Auch das Zieh-, Walz- und Presswerk konnten verpachtet werden

Das frühere Ziehwerk, nach dem Walz- und dem Presswerk die dritte große Produktionsstätte auf dem ehemaligen Hoesch-Gelände, wurde kürzlich von der Akcelik Blankstahl erworben. Im August oder September sollen der Lagerbestand und die Maschinen vom derzeitigen Sitz in Kerpen (Niederrhein) nach Schwerte gebracht werden. Zunächst sollen 20 Mitarbeiter in der Ruhrstadt tätig sein, mittelfristig soll sich deren Zahl auf 50 erhöhen.

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Schon im Frühjahr 2021 hatte die Stadt einen Erbbaurechtsvertrag mit den Unternehmen Jungheinrich und Kion abgeschlossen und damit die Basis dafür geschaffen, dass es im Hoesch-Walzwerk weitergehen konnte. Im Juni 2021 wurde man dann mit dem Schweizer Familienunternehmen Montanstahl über die Nutzung des ehemaligen Presswerks handelseinig.

Insgesamt sollen auf dem Gelände über 300 Arbeitsplätze bleiben

Die Erbbaurechtsverträge mit den neuen Nutzern des Walzwerks, des Presswerks, des Ziehwerks und des Technikums haben den Angaben der Stadt zufolge eine mehrjährige Laufzeit und sichern dem Rathaus Einnahmen. „Zum Erwerb des ehemaligen Hoesch-Geländes hatten wir uns entschlossen, um zum einen mögliche städtebauliche Entwicklungen steuern zu können, und weil wir zum anderen dazu beitragen wollten, Arbeitsplätze im Industriebereich erhalten zu können“, erklärt Dimitrios Axourgos.

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Mehr als 300 Beschäftigte sollen insgesamt einmal in diesen neuen Bereichen arbeiten, wenn Akcelik Blankstahl die angepeilte Anzahl von Mitarbeitern erreicht hat.

IG Metall: „Da kann die Stadt nur gewinnen“

„Wir begrüßen das“, sagt IG-Metall-Chef Jens Mütze: „Je mehr Arbeitsplätze dort generiert werden, umso besser. Da kann die Stadt auch nur gewinnen.“ Er wünsche sich, dass bei den Nachfolgeunternehmen auch der eine oder andere Kollege noch eine Chance bekomme, der im Zuge der Insolvenz von Hoesch Schwerter Profile ausscheiden musste.