Die Werksbahn von Schwerter Profile transportiert derzeit Material für eine Letmather Spedition, deren Betriebsgelände von der Lenneflut betroffen worden ist.

© Reinhard Schmitz

Schwerter Profile: Nach eigener Rettung jetzt Hilfe für Flutopfer

rnKein Hoesch mehr

Schwerter Profile hat nach der Rettung gut gefüllte Auftragsbücher. Zwölf Auszubildende sollen eingestellt werden. Man blickt nach vorn und hilft Flutopfern - aber nicht mit einer Geldspende.

Schwerte

, 09.08.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Hoesch und Hoeschianer gibt es in Schwerte nicht mehr. Das Wort ist aus dem Namen des Unternehmens der Eisenindustriestraße gestrichen. Schwerter Profile heißt jetzt das Walzwerk, das sich vor dem drohenden Aus retten konnte. Und schon hilft das Unternehmen Anderen, denen es schlecht geht.

Es unterstützt Flutopfer im heimischen Raum. Nicht mit einer Geldspende, sondern mit seinen Werksbahn- und Kran-Kapazitäten. Und das ist viel wichtiger für die Spedition, deren Anlagen am Bahnhof Letmathe von der Lenneflut verwüstet worden sind.

Spediteur nutzt Werksbahn-Anlagen zum Umladen auf Lkw

„Er stand vor dem Nichts“, berichtet Geschäftsführer Jürgen Mensinger von dem Spediteur, der auch für sein Unternehmen tätig war: „Wir lassen ihn hier umladen.“ Vom Anschlussgleis zur Deutschen Bahn werden die für die Spedition bestimmten Waggons voller Stahlcoils und Draht von der Werkslok auf das Profil-Gelände gezogen. Der mächtige Laufkran mit seinem Magnetgreifer lädt das Material dort auf die Lkw um, die es weiter zu den Kunden bringen.

Die Wagen mit dem Material für die Spedition werden von der Werksbahn unter den Laufkran geschoben, wo auf Lkw umgeladen wird.

Die Wagen mit dem Material für die Spedition werden von der Werksbahn unter den Laufkran geschoben, wo auf Lkw umgeladen wird. © Reinhard Schmitz

„Das passt zeitlich zum Sommerstillstand“, sagt der designierte neue Betriebsrats-Vorsitzende Ralf Behler (55). Noch bis zum 22. August liegt das Werk in der üblichen Pause, um die Anlagen warten zu können. Bahn und Kran haben in dieser Zeit auch wenig zu tun. Jetzt schiebt Lokführer Waldemar Kotzyba, seit 29 Jahren im Führerstand, häufiger das große Tor des Lokschuppens beiseite, um seine orangene Deutz-Maschine herauszuholen. Für ihre 550 PS sind die beladenen Waggons keine große Herausforderung.

Die Auftragsbücher sind bis zum Jahresende voll

Beinahe hätte die Lok noch mehr zu tun gehabt. „Es war mal angedacht aus alter Verbundenheit“ - so berichtet der Hagener IG-Metall-Geschäftsführer Jens Mütze - auch Transporte zu ThyssenKrupp (TK) Hohenlimburg in Schwerte umzuschlagen, da dessen Anlieferung unter den Flutzerstörungen im Bahnhof Hohenlimburg litt. Doch bei einem Termin in dieser Woche habe die Spitze der Deutschen Bahn zugesagt, die Trasse Duisburg-Hagen ab Montag oder Dienstag wieder für Transporte freizumachen. Bis zu 4000 Tonnen Stahl bekomme TK am Tag - und davon hänge eine ganze Kette von weiteren Werken ab, die das Material weiterverarbeiten: „Südwestfalen ist der drittgrößte Wirtschaftsraum in Deutschland.“

Für den Weiterbestand von Schwerter Profile kämpften gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter (v.l.) Geschäftsführer Jürgen Mensinger, die Betriebsräte Ralf Behler und Gerhard Niebaum sowie IG-Metall-Geschäftsführer Jens Mütze.

Für den Weiterbestand von Schwerter Profile kämpften gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter (v.l.) Geschäftsführer Jürgen Mensinger, die Betriebsräte Ralf Behler und Gerhard Niebaum sowie IG-Metall-Geschäftsführer Jens Mütze. © Reinhard Schmitz

Dazu gehört auch Schwerter Profile, dessen Auftragslage nach Auskunft von Geschäftsführer Jürgen Mensinger gut ist. „Wir sind dieses Jahr voll“, sagt er. Das Konzept sei, weiterhin eigenständig am Markt zu agieren und keineswegs nur für die beiden Kunden zu produzieren, die das Walzwerk gekauft haben. Alle anderen würden ebenso beliefert, Projektaufträge sowie Forschung und Entwicklung durchgeführt. Ziel sei es, mit einem vollen Programm unabhängiger zu werden von den Abnehmern aus der Flurförderzeug-Industrie.

Rückkehr zum Manteltarifvertrag ist ein erklärtes Ziel

184 Mitarbeiter plus Auszubildende haben ihre Arbeit in dem Walzwerk behalten. „Wenn wir es hinkriegen, wollen wir jetzt weitere zwölf Auszubildende einstellen“, kündigt Jürgen Mensinger an. Derzeit laufen die Auswahlverfahren, Start könnte dann zum 1. September sein. Und noch etwas werden die Beschäftigten gern hören: Wenn die entsprechenden Wirtschaftsergebnisse vorliegen, wolle man sukzessive vom Haustarifvertrag zum Manteltarifvertrag der Branche zurückkehren.

Nicht nur Lkw mit eigener Ware verlassen derzeit das Tor von Schwerter Profile. Das Unternehmen hilft einer Spedition aus Letmathe, die schwer vom Hochwasser betroffen worden ist.

Nicht nur Lkw mit eigener Ware verlassen derzeit das Tor von Schwerter Profile. Das Unternehmen hilft einer Spedition aus Letmathe, die schwer vom Hochwasser betroffen worden ist. © Reinhard Schmitz

Pünktlichkeit und Qualität, die man auch in der Insolvenz bewiesen habe, sieht der Geschäftsführer als einen Schlüssel zur Rettung: „Wichtig war der Ruf als verlässlicher Partner.“ Mit einem wirtschaftlichen Geschäftsmodell habe man die Erwerber überzeugt, die langfristig dächten. Das zeige schon der Erbbau-Mietvertrag, der erst einmal über zehn Jahre abgeschlossen sei. Erklärtes Ziel sei es, dass die erwirtschafteten Ergebnisse im Unternehmen bleiben sollen, beispielsweise für Investitionen.

Betriebsrats-Vorsitzender Gerhard Niebaum geht in Rente

Nach dem Ende der unruhigen Zeiten geht der Betriebsrats-Vorsitzende Gerhard Niebaum (64) in den Ruhestand. „Ich bin seit 48 Jahren in diesem Unternehmen“, sagt der Metaller, der zuvor sogar noch eine Verkäuferlehre im Coop am Cavaplatz abgeschlossen hatte: „Als ich 1973 hier angefangen habe, gab es noch 1600 Mitarbeiter in allen drei Werken.“

Das große Verwaltungsgebäude an der Eisenindustriestraße wird die Verwaltung von Schwerter Profile noch in diesem Monat verlassen und gegenüber in die kleinere alte Verwaltung umziehen.

Das große Verwaltungsgebäude an der Eisenindustriestraße wird die Verwaltung von Schwerter Profile noch in diesem Monat verlassen und gegenüber in die kleinere alte Verwaltung umziehen. © Reinhard Schmitz

Davon hat nur das kleinste, das sogenannte Ziehwerk, die Krise nicht überstanden. Weil kein Käufer gefunden werden konnte, musste der Insolvenzverwalter die Anlagen in der 270 Meter langen Halle versteigern lassen. Rote Hinweisschilder auf dem Werksgelände zeigen immer noch, wie den Interessenten der Weg gewiesen wurde.

Verwaltung zieht in kleineres Gebäude auf anderer Straßenseite

Das dritte Werk, das sogenannte Presswerk, wird ebenfalls von neuen Besitzern weitergeführt und heißt jetzt Montanstahl. Mit diesem Unternehmen will Schwerter Profile weiterhin eine partnerschaftliche Zusammenarbeit im technischen Bereich pflegen. Es gebe Equipment am Standort, das man gemeinschaftlich nutzen könne, erläutert Jürgen Mensinger. Gemeinsam unterhalten wird auch die Werksfeuerwehr, die mit drei Fahrzeugen eine schnelle Eingreiftruppe im Unglücksfall sicherstellt.

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Verwaltungstätigkeiten werden für das Presswerk dagegen künftig nicht mehr von Schwerter Profile übernommen. Man setzt sich mit seinen Büros auch ein Stück kleiner. Zum Monatsende wird das riesige Verwaltungsgebäude mit dem „Ahnensaal“ an der Eisenindustriestraße frei gemacht. Die Mitarbeiter ziehen auf die andere Straßenseite in den Flachbau der alten Verwaltung um, deren Büros derzeit gerade renoviert werden.

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