Alles muss raus: Die langgestreckte Halle des früheren Hoesch-Ziehwerks wird leer geräumt.

© Reinhard Schmitz

Nach Ziehwerk-Versteigerung: Stadt sucht Mieter für riesige Hallen

rnHoesch Schwerter Profile

Ziel sind neue Arbeitsplätze. Deshalb möchte die Stadt die Halle des gescheiterten Hoesch-Ziehwerks neu vermieten. Sie ist nicht das einzige Gebäude auf dem Gelände, das auf Interessenten wartet.

Schwerte

, 29.08.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Die Lkw, die aus dem Einfahrtstor rollen, haben keine Fertigwaren mehr geladen. Sie holen eine Maschine nach der anderen ab. Einbauten, die für ihren Betrieb nötig waren, werden abgerissen.

Leere macht sich breit in der riesigen Halle, in der bis zur Insolvenz das Ziehwerk von Hoesch Schwerter Profile war. Es ist der einzige Betriebsteil, für dessen Weiterbetrieb kein Käufer gefunden werden konnte.

Die Maschinen sind vom Insolvenzverwalter versteigert worden

Seine besten Zeiten hatte er zuletzt längst hinter sich. Während Mitte der 1970er-Jahre noch 290 Hoeschianer in der Doppelhalle malochten, waren es im Mai 2021 gerade noch einmal 28 Leute, wie Werkshistoriker Dr. Andreas Acktun weiß.

Sie zogen Stahl durch sogenannte Matritzen, um ihn zu Profilen zu formen: „Die Höchstproduktion lag bei 29.000 Tonnen im Jahr, zuletzt waren es 2000 Tonnen.“ Die Maschinen hätten aber die fünffache Leistung bringen können. Auslastung sieht anders aus.

Gewerkschaft: Ein Sinnbild für fehlende Investitionen

„Das Ziehwerk ist ein Sinnbild für fehlende Investitionen“, erklärt der Geschäftsführer der Industriegewerkschaft (IG) Metall in Hagen, Jens Mütze. Deshalb habe sich für diesen Betriebsteil letztlich kein Käufer finden lassen. Es habe auch kein Interesse an den Produkten gegeben, die man woanders günstiger bestellen könne. „Am Ende des Tages muss die Halle besenfrei sein“, sagt Jens Mütze. Deshalb müsse der Insolvenzverwalter das Inventar verkaufen.

Nach Absprache mit der Stadt fand in der Halle des früheren Hoesch-Ziehwerks eine Inventarversteigerung durch den Insolvenzverwalter statt.

Nach Absprache mit der Stadt fand in der Halle des früheren Hoesch-Ziehwerks eine Inventarversteigerung durch den Insolvenzverwalter statt. © Reinhard Schmitz

Dass die Anlagen jetzt durch den Insolvenzverwalter versteigert oder verkauft wurden, sei mit der Stadt abgesprochen, erklärt Bürgermeister Dimitrios Axourgos: „Im Insolvenzverfahren ist es üblich, dass das Interieur zur Insolvenzmasse gehört.“ Die Stadt habe nur das Grundstück und die aufstehenden Gebäude gekauft.

Dort liefen derzeit die letzten Arbeiten für die Übergabe. Eine Fremdfirma, die noch im Ziehwerk arbeite, ziehe jetzt um ins Walzwerk. Mit den bisherigen Nutzern sei nämlich vereinbart worden, dass sie noch ein paar Wochen an ihrem alten Standort bleiben könnten.

Im Oktober will die Stadt die Vermarktung der Halle starten

„Ich vermute, dass die Hallen in zwei bis drei Wochen so übergeben werden, wie sie sich weitervermarkten lassen“, sagt der Rathauschef. Es sind zwei riesige Produktionsgebäude, die nebeneinander stehen.

Jetzt lesen

Die 1956 gebaute Halle 1 – so berichtet Historiker Dr. Andreas Acktun – sei 225 mal 33 Meter groß, Halle 2 von 1972 noch einmal 150 mal 37 Meter. Einschließlich der Anbauten bedeute das eine Grundfläche von 13.870 Quadratmetern.

Die große Halle des früheren Hoesch-Ziehwerks will die Stadt mithilfe der Wirtschaftsförderung vermarkten, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Die große Halle des früheren Hoesch-Ziehwerks will die Stadt mithilfe der Wirtschaftsförderung vermarkten. © Reinhard Schmitz

Jede Menge Platz also für die Neuansiedlung von Gewerbe, mit der die Stadt die Arbeitsplatzverluste in den früheren Hoesch-Betrieben ausgleichen möchte. „Ich vermute, dass wir im Oktober zusammen mit der Wirtschaftsförderung einsteigen werden, in die aktive Vermarktung zu gehen“, erklärt Dimitrios Axourgos.

Doch auch ohne diese Werbung habe es in den vergangenen Wochen schon etliche Anfragen gegeben. Einige Interessenten hätten sich das Ziehwerk auch bereits angesehen.

Gewerkschaft fordert: Jetzt die Zukunft organisieren

„Derzeit hat es Priorität, die bestehenden Firmen zu halten“, sagt der Bürgermeister. Nach der Rettung von Walz- und Presswerk fokussierte man sich auf das sogenannte Technikum. Nach Angaben der IG Metall ist ein Unternehmen aus den USA an der Spezialeinheit interessiert, die Sonderwerkstoffe für die Rüstung herstellt. Dort seien etwa acht Mitarbeiter beschäftigt.

Weiterhin seien knapp 190 Arbeitsplätze im Walzwerk und weitere 65 im Presswerk erhalten worden, so Jens Mütze, der erklärt: „Für jeden Arbeitsplatz, der verloren gegangen ist, tut es mir in der Seele weh.“ Aber man arbeite daran, dass jetzt im Werk eine Entwicklung stattfinde, damit es nicht irgendwann erneut in wirtschaftliche Schieflage gerate: „Wir müssen die Zukunft organisieren.“

Was passiert mit dem Verwaltungsgebäude?

Die doppelte Fabrikhalle ist zwar das größte, aber nicht das einzige Objekt, das die Stadt auf dem früheren Hoesch-Gelände anbieten kann. Es gibt auch noch Nebengebäude wie Kantine oder Magazin sowie den repräsentativen Verwaltungstrakt an der Eisenindustriestraße.

Durch den Kauf des rund 250.000 Quadratmeter großen Grundstücks, das sich vom Bahnhof bis zum Ortsrand von Wandhofen erstreckt, hat sie die Nutzung selbst in der Hand. „Wir können selber bestimmen, dass wir keine Logistiker dort haben wollen“, sagt der Bürgermeister klipp und klar. Noch mehr Lkw-Verkehr will man nicht in die Innenstadt holen.

Das markante neue Verwaltungsgebäude mit dem „Ahnensaal“ an der Eisenindustriestraße verlässt die  Verwaltung von Schwerter Profile, um gegenüber in die kleinere alte Verwaltung umzuziehen.

Das markante neue Verwaltungsgebäude mit dem „Ahnensaal“ an der Eisenindustriestraße verlässt die Verwaltung von Schwerter Profile, um gegenüber in die kleinere alte Verwaltung umzuziehen. © Reinhard Schmitz

Und was passiert mit der 1956 gebauten neuen Verwaltung, wenn die Mitarbeiter von Schwerter Profile in ihr Altgebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite umgezogen sind? Gerüchte im Werk wollten wissen, dass es von der Stadtverwaltung genutzt werden solle. Das kann Dimitrios Axourgos nicht bestätigen. „Wir können uns da alles vorstellen und nichts“, sagt er, sich alle Möglichkeiten offen lassend.

Jetzt lesen

Die 837 Quadratmeter der zwei Büroetagen hätten ursprünglich mal für 200 Leute ausgereicht, weiß Historiker Dr. Andreas Acktun. Es gebe einen großen Dachboden für die Ablage und einen Atombunker im Keller, der ebenfalls als Aktenlager genutzt werde. Und noch eine Besonderheit: Die Stahlfenster bestehen aus Profilen, die man selbst im Werk gewalzt habe.

Jetzt lesen