Schwerterin sammelt Unterschriften gegen die Impfpflicht: „Die Hölle auf Erden“

© Heiko Mühlbauer

Schwerterin sammelt Unterschriften gegen die Impfpflicht: „Die Hölle auf Erden“

rnCorona-Pandemie

Gegen Impfpflicht oder auch Corona-Auflagen sind nicht nur Rechte und Alu-Hüte: Eine Schwerterin, die bei Corona-Demos Unterschriften gegen die Impfpflicht sammelt, erzählt über ihre Beweggründe.

Schwerte

, 09.02.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Eine Frau steht unter einem Regenschirm mit dem Aufdruck Love&Peace am Rande der Corona-Demo auf dem Friedensplatz in Dortmund. „Nein zur Impfpflicht, unterschreiben Sie hier“, steht auf einem Plakat. An einem Kinderwagen hängen herzförmige Luftballons.

Die Frau, die hier Unterschriften sammelt, stammt aus Schwerte. Rund 1000 Unterschriften hat sie nach eigenem Bekunden bereits zusammen. Gesammelt bei „Corona-Spaziergängen“ und anderen Anlässen in Dortmund, Hagen, Düsseldorf und in Schwerte.

Wer sind die Spaziergänger?

Wie stellt man sich jemanden vor, der Unterschriften gegen die geplante Impfpflicht sammelt. Die Bilder von „Corona-Spaziergängern“ prägen da das Bild: Von Anhängern alternativer Heilmethoden, esoterisch bewegten Selbstverwirklichern bis zu rechten Parteigängern reicht das Spektrum der Bilder, die einem da durch den Kopf gehen. Doch die Mittvierzigerin aus Schwerte passt auf den ersten Blick nicht ins Bild.

Auf dem Friedensplatz in Dortmund sammelte die Schwerterin (unter dem Schirm) ihre Unterschriften, vor Beginn des „Corona-Spaziergangs“.

Auf dem Friedensplatz in Dortmund sammelte die Schwerterin (unter dem Schirm) ihre Unterschriften, vor Beginn des „Corona-Spaziergangs“. © Albers

Sie trägt eine FFP-Maske, nutzt den Desinfektionsspender und betont zu Beginn des Gesprächs: „Ich bin getestet.“ Wie kommt so jemand dazu, inmitten der Spaziergänger Unterschriften zu sammeln?

Eigene Krankheitsgeschichte schürte die Sorge

Alles begann Anfang vergangenen Jahres. Als die Nachrichten über Hirnvenenthrombosen als möglicher Nebenwirkung der Corona-Impfstoffe berichteten, wäre sie eigentlich mit der Impfung an der Reihe gewesen. „Mit Anfang 20 wäre ich beinahe mal an einer Thrombose gestorben“, erzählt die Frau.

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Grundsätzlich neige sie sehr zu Thrombosen, zudem gäbe es in ihrer Familie auch Herzkrankheiten. Auch Beratungen mit dem Hausarzt und anderen Ärzten konnten die Bedenken nicht zerstreuen. Und dann kam die Datenrecherche im Netz dazu: „Bei einem von 5000 Leuten kommt es zu Herzmuskelentzündungen, das finde ich nicht selten.“ (Anm. der Redaktion: „Die Häufigkeit einer impfbedingten Herzmuskel- oder einer Herzbeutelentzündung durch einen mRNA-Impfstoff beträgt im Schnitt ein bis zehn Fälle pro 100.000 Impfungen.“ So die Zusammenfassung einer Auswertung von Studien durch die Deutsche Herzstiftung.)

Da sie zudem noch eine Grunderkrankung mit ähnlichen Symptomen habe, befürchte sie, auch die Warnsymptome im Vorfeld nicht zu erkennen.

Gesamte Familie ist nicht gegen Corona geimpft

Also beschloss sie auf den Totimpfstoff zu warten. Das gleiche gelte für ihren Mann und für die beiden Kinder. Nicht geimpft zu sein, bedeutet aktuell, vom ohnehin reduzierten gesellschaftlichen Leben komplett ausgeschlossen zu sein. Da sie selbst wegen einer anderen Erkrankung noch krankgeschrieben ist, muss sie bei der Arbeit keine Verrenkungen machen. Ihr Mann muss täglich vor den Augen seines Chefs einen Schnelltest machen. „Und ich habe bald ein Gespräch zur Eingliederung, auch da wird es schwierig.“

„Das ist die Hölle auf Erden.“
Thema Lockdown für Ungeimpfte

Warum lässt sich denn ihr Mann nicht impfen, wenn er die Vorerkrankungen nicht mitbringt? „Der war von Anfang an skeptisch“, sagt sie. Aber er habe sich auch nicht schwer getan mit den Veränderungen, die mit der neuen Situation einhergehen. Und diese Veränderungen sind groß: Ihr Ehrenamt in der Kirche gab die Mutter von zwei Kindern auf, „weil dort die 2G-Regel eingeführt wurde“. Kontakte wurden eingeschränkt und auch die Kinder müssen Vorsicht walten lassen.

Aus der fehlenden Impfung wurde ein lebensbeherrschendes Thema. Oder wie sie es sagt: „die Hölle auf Erden“.

„Es vergeht kein Tag, an dem mir nicht vor Augen geführt wird, dass ich ohne bin. Wir leben quasi seit dem 3. Dezember im Lockdown.“ Und dann erzählt sie sichtlich bewegt die Geschichte von der Weihnachtsfeier in der Grundschule: Dort sei ihr Sohn das einzige Kind gewesen, das alleine kommen musste.

„Wir halten uns seit Beginn der Pandemie an die AHA-Regeln“

Sorgen um die eigene Gesundheit angesichts der steigenden Inzidenzen an den Schulen und dem Risiko, dass die Kinder die Infektion mitbringen, macht sie sich nicht? Viele Virologen sagen, dass Omikron ein Geschenk des Himmels sei, betont sie und zitiert einen Lungenfacharzt, der das bei Maischberger gesagt habe.

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Und außerdem sei die Familie vorsichtig: „Wir halten uns seit Beginn der Pandemie an die AHA-Regeln, die Kinder haben jeweils nur einen Indoor-Kontakt, wir gehören ja auch nicht in die Gefahrengruppe für Corona.“ Und dann ergänzt sie: „Ich bin mir darüber bewusst, dass ich mich anstecken kann, bin aber nicht bereit, mein Leben aufzugeben für die Angst.“ In ihrem Umfeld habe sie erlebt, dass Familien, die geimpft und geboostert sind, sich komplett aus dem Leben herausgezogen hätten.

„Ich werde in Schubladen gesteckt, in die ich nicht gehöre“

Und dann kommt das Thema Corona-Spaziergang auf. Fraternisiert man sich da nicht mit Menschen, die Corona leugnen, mit Menschen, die politisch rechts stehen oder auch die Schulmedizin komplett ablehnen? „Nein, man wird da immer in vier Schubladen gesteckt, in denen ich mich nicht wiederfinde“, betont sie und zählt auf:

  • „Ich leugne die Existenz von Corona nicht. Wir hatte auch im Umfeld Menschen, die schwer daran erkrankt sind, wir wussten von Anfang an, das ist eine schwere Krankheit, aber dennoch landet man immer in der Schublade Coronaleugner.
  • „Wir haben uns mit den Entwicklungen beschäftigt und entdeckt, dass da Zahlen fehlen und später auch widerrufen wurden. Und da kommen Ungereimtheiten zu Tage.“ Deshalb glaube sie aber nicht an Verschwörungstheorien. Und auch das sei eine Schublade, in der man immer wieder lande.
  • Mitglieder der Antifa stünden bei jedem Corona-Spaziergang ganz in schwarz gekleidet da, mit Maske und halten ein Plakat „Mitläufer“ in die Höhe. Sie täte sich auch sehr schwer damit, dass dort Rechte mitgehen. „Aber man kann die ja nicht am Kragen packen und rausziehen.“ Da seien ja nicht alle rechts, es gehe ja um ein parteiunabhängiges Thema.
  • „Und ich bin ja kein genereller Impfgegner, sondern gegen die Impfpflicht. Meine Mutter ist vorerkrankt, da bin ich dankbar, dass die geimpft ist. Auch bei Kindern, die Asthma haben, da finde ich das richtig. Sie selbst und die Kinder seien gegen viele andere Krankheiten geimpft. „Wir sind verankert in der Schulmedizin.“

Fast alle Bundestagsabgeordneten angeschrieben

Aber die Impfung würde ihr doch ihr Leben zurück geben? „Ich bin mit 20 fast an einer Thrombose gestorben“, sagt sie kurz. Und kommt auf ihren Kampf gegen eine Impfpflicht zurück. Fast alle Bundestagsabgeordneten habe sie schon angeschrieben. Nur die CDU-Fraktion fehle noch.

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Die Antworten seien enttäuschend. Nur wenige antworteten überhaupt. Die meisten dann mit der Antwort, dass nur die Impfung der Weg aus der Pandemie sei. Das Problem sei das zusammengesparte Gesundheitssystem mit seinen schlechten Arbeitsbedingungen und nicht, dass es ungeimpfte Menschen gibt. Die werden jetzt zu Sündenböcken gemacht.

Mit dem Auto an einem Tag nach Berlin und zurück

Jene 1000 Unterschriften, die sie bislang gesammelt habe, will sie bald nach Berlin bringen. Und auch da ist der Impfstatus ein Problem. Als Ungeimpfte kann sie weder mit der Bahn nach Berlin fahren noch dort übernachten. Also muss es mit dem Auto gehen. Morgens hin und abends zurück.

(Anm. der Redaktion: Das Gespräch fand am 4. Februar statt. Am Montag 7. Februar, trafen wir die Frau beim Corona-Spaziergang in Schwerte wieder. Ohne Unterschriftenliste ging sie dort mit, auf dem Rücken ein Plakat mit der Aufschrift: „Frei atmen“.)