Was Schwerte für Klimaschutz und Klimaziele tut „Müssen es weiter ambitioniert angehen“

Was Schwerte für Klimaschutz tut: „Weiter ambitioniert angehen“
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Wie ganz aktuell am Donnerstag (13.3.) bekannt geworden ist, fordern mehr als 40 Oberbürgermeister und Bürgermeister aus verschiedenen deutschen Städten die Union, SPD und Grüne auf, den Klimaschutz im Grundgesetz zu verankern. Das geht aus verschiedenen Medienberichten hervor, die sich auf einen offenen Brief an die Vorsitzenden der drei Fraktionen beziehen, der den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vorliege.

Demnach müssten Gebäude energetisch saniert sowie klimafreundliche Energie- und Verkehrsinfrastruktur ausgebaut werden, heißt es. Was aber passiert kommunal eigentlich schon in Sachen Klimaschutz? Was tut die Stadt Schwerte konkret, um das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen? Im Gespräch mit dem Umwelt- und Klimaschutzbeauftragten der Stadt fällt ein Wort durchaus häufig: „Ambitioniert“.

Klimaschutzbeauftragter in Schwerte

Klar, sollte der Klimaschutz tatsächlich als sogenannte Gemeinschaftsaufgabe in die Verfassung geschrieben werden, würde dieser Bereich von Bund und Ländern trotz getrennter Zuständigkeiten gemeinsam finanziert. Es wäre eine erhebliche Unterstützung für die Klimaschutz-Ambitionen auf kommunaler Ebene. In Schwerte beschäftigt sich Florian Hübner seit fast fünf Jahren hauptberuflich damit. Er ist Umwelt- und Klimaschutzbeauftragter der Stadt und gibt einen Einblick, wie Schwerte aktuell in Sachen Klimaschutz dasteht.

Seit März 2024 wird Hübner zusätzlich von einer Kollegin im Bereich Klimaanpassung unterstützt. Zu Hübners Aufgaben zählt unter anderem, der Stadtverwaltung sowie den Einwohnerinnen und Einwohnern von Schwerte in allen Fragen rund um den Umwelt- und Klimaschutz beratend zur Seite zu stehen. Er arbeitet zudem eng mit lokalen Klimaschutz-Organisationen, wie Local Zero, zusammen.

Treibhausgas-Bilanz für Schwerte

Im Ausschuss für Umwelt, Klima und Mobilität Mitte Februar stellte Florian Hübner den Lokalpolitikern im Ratssaal und einigen interessierten Schwerter Anwohnern auf der Besucherempore die aktuelle Treibhausgas-Bilanzierung (THG-Bilanz) für Schwerte vor. Die Bilanz dient als wichtige Grundlage, um Klimaschutzmaßnahmen zu planen, zu bewerten und voranzutreiben. Der Regionalverband Ruhr (RVR) sammelt dafür kontinuierlich und flächendeckend Daten zu Energieverbräuchen und Treibhausgas-Emissionen in Schwerte und stellt diese alle zwei Jahre anhand von Berechnungen in der THG-Bilanz dar. Der Haken an der Sache: Die „aktuelle“ THG-Bilanz weist nur konkrete Zahlen bis 2022 aus. „Da die Datenbeschaffung sehr aufwendig ist, hat man da leider immer einen kleinen Rücklauf. Den langfristigen Trend kann man trotzdem erkennen und Rückschlüsse ziehen“, sagt Florian Hübner.

Das Diagramm zeigt die bisherige Treibhausgasbilanzierung für Schwerte und die Entwicklung, die nötig ist, um eine Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen.
Das Diagramm zeigt die bisherige Treibhausgasbilanzierung für Schwerte und die Entwicklung, die nötig ist, um eine Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. © RVR, Stadt Schwerte

„Man erkennt dabei für Schwerte grundsätzlich erstmal einen Trend abwärts. Das ist schon mal gut. Deswegen ist das Ziel auch realistisch“, analysiert der Klimaschutzbeauftragte. Er gibt aber unumwunden zu: „Wenn man den Trend so weiterführen würde, wie bisher, würde man nicht bei 2045 landen, sondern weiter hinten. Wir müssen es daher weiter ambitioniert angehen, um das Ziel zu erreichen.“ Denn wenn man sich das Diagramm des RVR genauer ansieht, dann fällt auf: Seit 1990 sind die THG-Emissionen in Schwerte zwar deutlich zurückgegangen – in den letzten zehn Jahren ist es aber doch eher ein Auf und Ab und kein extremer Rückgang zu verzeichnen, wie er doch nötig wäre. Sprich: Die Kurve muss deutlich nach unten abgesenkt werden.

Das Auf und Ab zuletzt ließe sich auch damit erklären, so Hübner, dass es 2021 beispielsweise hohe Kohleverstromung aufgrund des teuren Gaspreises gegeben habe. Dazu wehte weniger Wind für Windenergie. 2021 sei zudem im Vergleich zu den umliegenden Jahren ein „verhältnismäßig“ kalter Winter gewesen, weshalb mehr geheizt wurde. Der Verkehr sei außerdem nach Corona wieder deutlich angestiegen. Es gebe also durchaus äußere Faktoren.

Verkehr mit größtem Emissions-Anteil

Interessant wird es, wenn man genauer unter die Lupe nimmt, welche Emissionen in die Bilanz einfließen. „Man kann es sich wie eine Käseglocke mit dem Stadtumlauf von Schwerte vorstellen, die man auf das Stadtgebiet setzt. Alles, was darunter an Emission passiert, zahlt darauf ein“, veranschaulicht Florian Hübner. Bedeutet: Nicht nur die täglichen Emissionen der Schwerter Bürger fließen mit ein, sondern auch die der Berufspendler, die die Autobahnen auf Schwerter Stadtgebiet nutzen, wie die A1 oder die A45.

Die Grafik zeigt, die Treibhausgasbilanzierung gegliedert nach den Sektoren Verkehr, Wirtschaft und private Haushalte.
Die Grafik zeigt, die Treibhausgasbilanzierung gegliedert nach den Sektoren Verkehr, Wirtschaft und private Haushalte. © RVR, Stadt Schwerte

„Wer von Holzwickede nach Wuppertal über die A1 in Schwerte fährt, trägt auch zu der Bilanz bei“, sagt Hübner. Ganze 57 Prozent der Emissionen wurden zuletzt durch den Verkehr verursacht, der sich zumindest im Fall der Autobahnen aus Sicht der Stadt nicht groß beeinflussen lässt. Über 80 Prozent der Emissionen aus dem Verkehrssektor entfallen allein auf die Autobahnen. Ein enormer Anteil also. Die Wirtschaft wird mit 23 Prozent und die privaten Haushalte mit 21 Prozent ausgewiesen.

Was tut die Stadt?

Während sich der Einfluss der Stadt Schwerte auf die Emissionen auf Autobahnen in Grenzen hält, können gerade im privaten Sektor, beispielsweise mit dem Ausbau von Fahrradwegen, oder auch im Bereich der Wirtschaft, gewisse Hebel in Gang gesetzt werden. 1990 habe es laut Florian Hübner in Schwerte bereits ein CO₂-Minderungskonzept gegeben. „Schwerte war NRW-weit eine der ersten Kommunen, die das Thema frühzeitig erkannt haben.“ 2013 sei dann ein Klimaschutzkonzept erstellt worden, mit konkreten Maßnahmen in einzelnen Sektoren. „Eine Maßnahme war unter anderem die Teilnahme am European Energy Award“, ergänzt der Klimaschutzbeauftragte. Die Teilnahme beschloss der Rat in Schwerte 2013. Aber was steckt dahinter?

Energiepolitisches Arbeitsprogramm

Das EEA ist ein europaweites Zertifizierungsverfahren, das versucht, die Klimaanpassungsaktivitäten von Kommunen vergleichbar zu machen. Die Anstrengungen und Erfolge einer Kommune lassen sich damit neutral messen und vergleichen. Die Durchführung des Prozesses erfolgt dabei in einem beauftragten, externen Berater. Die Grundlage der Aktivitäten im Klimaschutz in Schwerte bildet schließlich das sogenannte Energiepolitische Arbeitsprogramm (kurz: EPAP) als Teil des EEA, welches im Schwerter Energieteam des European Energy Awards erarbeitet und politisch beschlossen wird. Das Energieteam setzt sich aus Mitarbeitern der Stadtverwaltung (Bereich Stadtplanung und Umwelt, Bereich Zentrales Immobilienmanagement), der Stadtwerke Schwerte GmbH sowie der TechnoPark und Wirtschaftsförderung Schwerte zusammen.

Bürgermeister Dimitrios Axourgos und die Mitarbeiter Jan Menges und Florian Hübner nehmen die EEA-Auszeichnung
Im August 2020 nahmen Bürgermeister Dimitrios Axourgos und die Mitarbeiter Jan Menges und Florian Hübner die EEA-Auszeichnung entgegen. Seitdem hat sich der Auditierungswert weiter verbessert. © Ingo Rous, Stadt Schwerte

Das EPAP enthält eine Übersicht über die bedeutendsten Klimaschutzmaßnahmen in Schwerte sowie weitere Informationen je Maßnahme, beispielsweise die jeweilige Zuständigkeit für die Umsetzung und zeitliche Perspektive. Einfach zu finden, ist dieses durchaus wichtige Papier für Interessierte allerdings nicht. Über die Homepage der Stadt gelangt man im Bereich „Planen & Bauen“ zum fünfseitigen Dokument, das eine riesige Tabelle abbildet. „Die Bibel unserer Klimaschutzarbeit“, nennt Florian Hübner das Papier.

Darin beispielsweise enthalten: die Erstellung einer Machbarkeitsstudie und Vorplanung einer Radvorrangroute zwischen Ergste, Villigst und Schwerte, die Teilnahme am Stadtradeln oder auch die kommunale Wärmeplanung, für deren Ausarbeitung die Stadtwerke Schwerte den Zuschlag bekommen haben. Die Maßnahmen sind in verschiedene Kategorien gegliedert. „Auch an den städtischen Gebäuden wird geprüft, wo PV-Anlagen angebracht werden können und wo energetisch saniert werden kann“, so Hübner.

Klimaschutz zugänglicher machen

Was dem Klimaschutzbeauftragten der Stadt Hoffnung macht, sind mehrere Aspekte: Zum einen wurde die Stadt Schwerte im Rahmen des European Energy Awards zuletzt besser bewertet als zuvor und konnte damit die kommunale Klimaschutzarbeit faktisch schon verbessern – trotz verschärfter Kriterien. Andere Kommunen konnten ihr Vorergebnis beispielsweise nicht bestätigen. Und: Die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Schwerte lässt Hübner positiv in die Zukunft blicken. Geplante Windräder, wie auf dem Schälk, oder große PV-Anlagen, wie für die Firma Zapp, dürften die Treibhausgas-Bilanz deutlich verbessern. Dazu hebt Hübner das gut ausgebaute E-Ladesäulen-Netz in Schwerte hervor. Genau wie die „sehr engagierte Ehrenamtskultur“ in Sachen Klimaschutz.

Dass die Stadt allerdings daran arbeiten kann und muss, das Thema Klimaschutz zugänglicher und vor allem niedrigschwelliger für die breite Bevölkerung zu machen, gibt Hübner ebenfalls zu. Ein erster Ansatz ist dabei, dass der Klimaschutz in Schwerte auf der Homepage der Stadt sichtbarer wird, wie von Local Zero zuletzt angeregt.

Doch auch dann bleibt noch Nachholbedarf: Was bringen einzelne Maßnahmen in Schwerte konkret? Wie könnte die „Bibel der Klimaschutzarbeit“ in Schwerte für Interessierte zugänglicher gemacht werden? Wie soll konkret die Kurve in der THG-Bilanz nach unten gehen? Ob die genannten Anstrengungen genügen, bleibt aktuell mindestens fraglich. So oder so ist es weiterhin ein „ambitionierter Weg“, den Florian Hübner und die Stadt Schwerte gemeinsam mit den Bürgern bestreiten.

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Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 16. März 2025.