Die Montessori-Schule HagenSchule, die mit ihren weiterführenden Klassen am Gutshof Wellenbad in Schwerte eine weitere Niederlassung bezogen hat, ist in die Kritik geraten: Zwei Familien, deren Kinder an der Grundschule in Hagen angemeldet waren beziehungsweise sie bereits besuchten, hatten das Gefühl, nach ADS-Diagnosen ihrer Kinder von der Schule im Stich gelassen worden zu sein. Wir haben darüber berichtet.
Die Schulleitung hatte erklärt, im Vorfeld nicht ausreichend über den möglichen Förderbedarf informiert worden zu sein. Inzwischen haben sich weitere Eltern gemeldet, deren Kinder die HagenSchule besuchen. Wir haben mit ihnen über die Vorkommnisse und ihre Eindrücke über die Schule gesprochen.
Leopold R. ist Unternehmensberater. Sein Sohn geht in die erste Klasse, die auch der sechsjährige Julian besucht hatte. Julian geht inzwischen auf eine Schwerter Grundschule. Leopold R. ist außerdem zertifizierter Mediator und Konfliktberater.
Auch Julia B. möchte sich äußern. Sie ist Grafik-Designerin. Ihr Sohn besucht die HagenSchule inzwischen im dritten Schuljahr.*
Warum haben Sie sich für das Montessori-Konzept entschieden?
Julia B.: „Mein Sohn geht seit der ersten Klasse dorthin. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, weil wir das Konzept großartig finden. Unser Sohn ist auch ein etwas spezieller Typ. Schon im Kindergarten hatte man uns darauf hingewiesen, dass ihm ein alternatives Schulkonzept sicher guttun würde. Er fühlt sich superwohl. Er hat besondere Eigenschaften, die aber in der Schule hervorragend betreut werden. Und auch in enger Kommunikation mit uns Eltern.“
Welche Eigenschaften sind das?
Julia B.: „Er ist sehr zurückhaltend und hochsensibel. Das Thema Autismus stand im Raum, ist aber nicht diagnostiziert worden. Wir sind während der Bewerbungsphase ganz offen damit umgegangen. Wir haben gesagt: Können Sie das stemmen, können Sie das leisten, wie sieht das aus? Unsere Befürchtungen haben wir kommuniziert. Für uns war es nie ein Problem, dieser Schule auch Vertrauen entgegenzubringen.“
Also lief die Kommunikation immer gut?
Julia B.: „Ich kann nicht eine Situation bemängeln – im Gegenteil. Uns wurden Kontakte vermittelt mit Stellen, an die wir uns wenden können. Durch regelmäßige Etappengespräche, die auch mit dem Kind stattfinden, bekommt man zudem ein gutes Feedback.“
Die betroffenen Eltern stellen genau diese Kommunikation in Frage.
Julia B.: „Ich habe davon erfahren, weil sich der Vater des Jungen in einer Eltern-Whats-App-Gruppe darüber geäußert hat. Als ich das gelesen habe, da dachte ich: Von welcher Schule reden die gerade? Die müssen ganz konträre Erfahrungen gemacht haben. Und ich war ein bisschen schockiert, weil der Ton schon sehr harsch war.“
Die Schule sagt, die Eltern hätten die Auffälligkeiten des Kindes verschwiegen.
Julia B.: „Der Vater sagt, die Eltern hätten der Schule bewusst nichts gesagt, weil das Kind noch in der Diagnostik war. Aber nichtsdestotrotz: Man weiß ja trotzdem, wie sein Kind so drauf ist. Und an einer Privatschule gibt es nicht umsonst solche Aufnahmeverfahren. Es gibt auch einen Fragebogen, den füllt man zwar auf freiwilliger Basis aus. Aber wenn man da etwas verschweigt, schadet das doch am Ende dem Kind.“
Was steht in dem Fragebogen?
Julia B.: „Man soll sein Kind beschreiben. Was macht ihm Spaß? Wie würden Sie es charakterisieren? Und ja, es wird auch nach Auffälligkeiten gefragt. Mir kam es schon so vor, als würde die Verantwortung jetzt komplett auf die Schule geschoben, nach dem Motto: Das Kind kann nicht beschult werden, weil diese Diagnose vorliegt. Ich glaube eher, es ist so eine Art Vertrauensbruch. Wie soll die Schule denn damit umgehen?“
Regelschulen gehen doch auch damit um.
Julia B.: „Es gibt bei uns mehrere Kinder mit Inklusionshintergrund oder Förderbedarf. Mich wundert: Warum sagt man das nicht vorher? Schämt man sich dafür, oder will man es darauf ankommen lassen? Ich finde, das ist der falsche Weg. Die Schule will jedem Kind die bestmöglichen Kapazitäten bieten. Man kann nicht sagen: Hier, mein Kind ist jetzt da, seht mal zu. Das geht auch an keiner anderen Schule.“

Was genau waren denn die Probleme?
Leopold R.: „Um eines vorwegzunehmen: Beide Eltern waren mir von Anfang an sympathisch. Der springende Punkt ist: Es geht nicht nur um eine Diagnose, sondern um den Gesamtzusammenhang. Passen diese Montessori-Schule und ein Kind zusammen? Denn es gibt zum Beispiel Anforderungen an den Umgang mit Freiheit und Konflikten. Eine kleine Schule, die schon viel Förderbedarf schultert, muss hier genau abwägen und trifft so eine Entscheidung nicht leichtfertig.“
Was hat es mit dem Begriff der „Normalisierung“ auf sich?
Leopold R.: „Die Familie hat sich durch den Begriff ‚nicht normalisiert‘ stigmatisiert gefühlt. Dazu muss man wissen, dass das eine spezifische Montessori-Begrifflichkeit ist. Den Begriff kannte ich vorher auch nicht. Normalisierte Kinder sind in dem Sinne Kinder, die in der Montessori-Welt zurechtkommen.“
Und das bedeutet was genau?
Leopold R.: „Es wird nicht kleinteilig vorgegeben: Mach jetzt dies, mach jetzt das. Es wird zu Selbstständigkeit angeleitet. Ein Kind, das Schwierigkeiten hat sich zu fokussieren und zum Beispiel ein Lernthema selbst fokussiert zu bearbeiten, das ist in dieser Welt ‚nicht normalisiert‘, weil es damit nicht umgehen kann. Es ist also auf die Lernumgebung nicht normalisiert. Ich glaube, dass die Eltern diese Begrifflichkeit total in den falschen Hals bekommen haben. Das ist ja auch verständlich. Wenn die Nerven zum Zerreißen gespannt sind, und dann kommt da jemand und sagt: Ihr Kind ist nicht normalisiert, dann würde ich auch, wenn ich die Begriffe nicht kenne, denken: Was erzählt der mir jetzt?“

Was sagen die anderen Eltern?
Julia B.: „Wenn ein Kind aggressiv wird, dann spricht sich das ja auch auf dem Schulhof rum. Ich verstehe die Enttäuschung der Eltern des Jungen total. Aber da sind 30 andere Kinder, die auch das Recht auf Beschulung haben. In einem ruhigen und nicht aggressiven Lernumfeld. Und die müssen auch geschützt werden. Es geht nicht, dass ein Kind so ausartet, dass andere Kinder Angst haben müssen, zur Schule zu kommen. Die sind selber noch klein.“
Es hieß, in der Probezeit war alles noch gut.
Leopold R.: „Es ist so, dass Kinder ein Jahr lang vorher für drei Stunden im Monat in einer Gruppe mitmachen, in einer sehr kleinen Gruppe. Das ist nicht vergleichbar. Es ist eine kleine Schule: Ein Kind mit anderem Betreuungsbedarf schlägt da ganz anders durch. Die Schule muss dort, aber auch an anderen Stellen, härtere Entscheidungen treffen, um überlebensfähig zu sein. Kinder mit Förderbedarf müssen bekannt sein. Und wenn man feststellt, man hat ein Kind, das nicht funktioniert in dem Setting, dann besteht ein Handlungsbedarf.“
Die Mutter von Lisa hat ähnliche Erfahrungen gemacht: Nach der ADS-Diagnose meldete sich drei Wochen niemand – dann kam die Auflösung des Vertrags.
Leopold R.: „Es wäre natürlich schön, erstmal auf eine Nachricht eine Antwort zu bekommen: Wir nehmen das mit, wir schauen, wie es weitergeht, wir melden uns. Selbst wenn das Ergebnis genau das Gleiche wäre. Wichtige Entscheidungen brauchen etwas, weil sie erst im Kollegium abgewogen werden. Zudem hat die Schule in kurzer Zeit große Veränderungen umgesetzt: Der internationale Schulabschluss steht (IBDP) und der Bezug des Wellenbads ist gelungen. Das bindet Ressourcen und dann kann es auch mal passieren, dass eine Mail zwei Wochen später kommt.“
Aber nicht, wenn in der Zwischenzeit Anmeldefristen für andere Schulen ablaufen.
Leopold R.: „Den konkreten Fall kenne ich nicht im Detail. So etwas gilt es auf jeden Fall immer zu vermeiden. Es wird gerade eine Art Schul-ABC erstellt. Eltern sollen leichter und schneller verstehen können, wie die Schule tickt, was sie ist und kann – und was sie nicht ist.“
Julia B.: „Wir richten jetzt Elternpatenschaften ein. Das habe ich ins Leben gerufen. Neue Eltern können sich an uns wenden und uns Fragen stellen. Vielleicht auch über Dinge, die man sich vor der Schulleitung nicht direkt zu fragen traut. Oder um Einschätzungen zu kriegen. So wie bei Patenkindern, die es dort auch gibt. Man lernt ja auch aus seinen Fehlern. Die Schule arbeitet daran, die Kommunikation auszuweiten. Und das ist im Prinzip auch etwas Gutes.“
*Beide Eltern werden nicht mit vollem Namen genannt, damit die Namen ihrer Kinder außerhalb der Schulgemeinde nicht bekannt werden. Sie liegen der Redaktion aber vor.
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