Neuer Integrations-Wegweiser in der JVA Ergste

Gefängnis-Fibel

Ein Flüchtling begeht eine Straftat, er muss ins Gefängnis. Dort wartet ein Integrations-Kurs auf ihn, doch er spricht ja nicht mal Deutsch, und mit dem Alltag in der Justizvollzugsanstalt (JVA) kommt er auch nicht zurecht, denn er kann nicht lesen, was auf den Merkblättern steht. Die JVA Ergste hat sich für dieses Problem eine besondere Lösung ausgedacht.

Ergste

, 09.08.2017, 17:35 Uhr / Lesedauer: 2 min
Neuer Integrations-Wegweiser in der JVA Ergste

Wie könnte man dem Sträfling helfen? Mit einer Gefängnis-Fibel, die mit Bildern und ohne Schrift auskommt, so eine, wie sie gerade von Vanessa Koczwara, der Integrationsbeauftragten der JVA Ergste erarbeitet wird und die im September vorgestellt werden soll.

Dieser mit Piktogrammen gestaltete Wegweiser soll den ausländischen Häftlingen die besondere Herausforderung meistern helfen, vor der sie stehen: Integration in die deutsche Kultur und Gesellschaft und gleichzeitig Integration in die Welt des Gefängnisses mit seinen vielen eigenen Regeln.

Integration ist ein noch recht neues Thema in der JVA Ergste

Bei 364 Haftplätzen lag der Ausländeranteil im Jahr 2014 bei drei Prozent, stieg 2015 auf acht Prozent, 2016 auf 16 Prozent und hat nun bei rund 80 ausländischen Gefangenen einen Anteil von 22 Prozent erreicht.

Sozialarbeiterin Vanessa Koczwara bewarb sich als Integrationsbeauftragte und hat seitdem einiges zu tun, denn: „Integration ist keine Einbahnstraße.“ Das heißt, sie kümmert sich sowohl um die Integration der Häftlinge, als auch um die kulturelle Weiterbildung des Personals und der deutschen Gefangenen.

Anweisungen von Frauen Folge leisten

So lernen die Deutschen, dass es keine persönliche Beleidigung ist, wenn ein Gefangener aus dem arabischen Raum einen Handschlag zur Begrüßung verweigert, denn einen Handschlag mit der rechten Hand gibt es dort nicht.

Die ausländischen Häftlinge lernen dagegen, in ihrem Mikrokosmos Gefängnis, dass es in Deutschland ganz normal ist, höherrangigen Frauen zu begegnen und von ihnen Anweisungen entgegenzunehmen. In Ergste bekommen die Männer in dieser Beziehung eine gehörige Portion: Die Integrationsbeauftragte – eine Frau; Anstaltsleiterin Gabriele Harms – eine Frau; und die Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache – ebenfalls eine Frau.

Unter den ausländischen Gefangenen sind auch viele Muslime aus dem arabischen und nordafrikanischen Raum. Die Seelsorge dieser Gefangenen übernimmt ein Iman des Netzwerks europäische Sufis „Shems“. Wie in Dortmund weigerten sich die Imame der Türkisch-Islamischen Union Ditib, sich einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, was für jeden Mitarbeiter einer JVA obligatorisch ist.

Der Imam ist an der JVA Ergste sehr beliebt

Er schafft es, die Mitglieder der unterschiedlichen Glaubensrichtungen des Islam gleichmäßig anzusprechen. Der Imam leitet das Freitagsgebet und gibt dienstags Unterricht in Religion und Ethik.

Trotz dieser Harmonie wurden alle Mitarbeiter der Anstalt speziell geschult, um Anzeichen einer Radikalisierung bei muslimischen Gefangenen zu erkennen. Wer sich einen langen Bart stehen lässt, sein Gebetsverhalten ändert oder plötzlich Hosen hochkrempelt, wirkt verdächtig (siehe Info-Kasten).

Für Gefangene lohnt sich der Erwerb der deutschen Sprache enorm, denn viele Aspekte des Lebens, wie Besuch empfangen, Telefonate in die Heimat machen oder in einer der Werkstätten zu arbeiten, sind mit viel bürokratischem Aufwand verbunden.

Eine wichtige Leistung der JVA-Mitarbeiter ist die Motivation der ausländischen Gefangenen, denn wem nach der Haft die Abschiebung droht, sieht möglicherweise keinen Sinn darin, die deutsche Sprache und Kultur kennenzulernen. Doch selbst Inhaftierte, die sich zurückziehen, werden immer wieder angesprochen. „Wir lassen keinen in Ruhe, wir lassen nicht nach, die Betroffenen weiter zu motivieren. Das ist unsere Aufgabe“, sagt Gabriele Harms.

Zusammen mit den neuen Piktogrammleitfäden wird es im September neue Gruppenarbeit für mehr Integration geben. Die Motivation zur Teilnahme an solchen Gruppen-Sitzungen ist einfach, aber effektiv. Wer daran teilnimmt, bekommt Geld. Und nur so kommen Häftlinge an Tabak oder Kaffee.

Kleidervorschriften für muslimische Männer
Im Islam gibt es auch Bekleidungsvorschriften für Männer:
So sollten Männer Kleidung tragen, die zumindest ihre Knie bedeckt. Auf keinen Fall sollten Männer Kleidung tragen, die bis auf den Boden reicht. Radikalisierte Muslime tragen betont wadenfreie Kleidung.