
© Bernd Paulitschke (Archiv)
Pfarrer Iwan: „Die Kirche, wie wir sie zuletzt kannten, ist wohl zu Ende“
Missbrauchsskandal
Das Münchener Gutachten zu sexuellem Missbrauch erschüttert die katholische Kirche. Pfarrer Peter Iwan fand in einer Predigt deutliche Worte. Der Respekt vor den Autoritäten ändere sich, heißt es vonseiten der Schwerter Kirche.
Im Erzbistum München und Freising gab es seit 1945 laut eines am 20. Januar veröffentlichen Gutachtens 497 Missbrauchs-Fälle – also mehr als sechs Fälle pro Jahr. Die Kirchenoberen haben die Täter weiter arbeiten und damit weiter Verbrechen an Kindern begehen lassen.
Die externen Gutachter sprechen von einer „Bilanz des Schreckens“. Die Bundesregierung zeigt sich „fassungslos“. Wer immer noch Mitglied ist in dieser katholischen Kirche, werde spätestens jetzt von Freunden und Verwandten gefragt, wie das noch mit dem eigenen Gewissen zu vereinbaren sei, sagt selbst Georg Bätzing, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz.
Für Martin Krehl, Sprecher der Katholischen Kirchengemeinde St. Marien Schwerte, ist das veröffentlichte Gutachten ein „epochaler Einschnitt“, der Folgen haben müsse.
„Gutachten legt klaffende Wunden offen“
Die Predigt des Schwerter Pfarrers Peter Iwan sei daraufhin geprägt gewesen von den neuesten erschreckenden Erkenntnissen. Und, so Krehl: „Wir haben den Text auf unserer Internetseite veröffentlicht. Etwas, das wir sehr selten tun.“
„Das Gutachten legt klaffende Wunden offen“, heißt es in der Predigt „und stellt erneut die Fragen, die schon lange im Raum stehen: Wie konnte es dazu kommen, und was tun die Verantwortlichen, um solche Verbrechen möglichst zu verhindern?“
„Der Generalverdacht gegenüber der katholischen Kirche lähmt“, sagt Martin Krehl. Er spüre die Unsicherheit in der Schwerter Gemeinde. Vor Ort in der Ruhrstadt „zeigen wir durch unser Tun, dass unsere Arbeit und unser Glauben der wahre Glauben ist“, so Krehl. „Und wir werden uns keine Vorschriften mehr machen lassen, ob wir beispielsweise eine Regenbogenfahne aufhängen dürfen.“ Der Respekt vor den Autoritäten ändere sich durch diese Skandale.
Neu beschreiben, wer auf welche Weise Macht ausübt
Martin Krehl ist aber auch der Meinung, dass die Gemeinden vor Ort wenig Möglichkeiten haben, hierarchisch einzugreifen. Die Macht-Orientierung in den Führungsebenen überwiege. Die Falschaussagen des emeritierten Papstes Benedikt XVI. seien schädlich. Wichtig sei jetzt aber umso mehr die Arbeit vor Ort.
Und die lebe mit und von dem Ehrenamt. Hier seien alle tätig, „Frauen, Homosexuelle, Geschiedene, und ohne all diese Menschen ginge es auch nicht“, sagt Krehl, der überzeugt ist, dass sich die Haltung der hohen und höchsten Führungsebenen in der katholischen Kirche ändern muss.
Abkehr von „fragwürdiger Sexualmoral“ nötig
Auch Pfarrer Iwan fordert in seiner Predigt, dass „sich jeder geschlossene Corps- oder Elitegeist verbietet“. Denn: „Die Kirche ist nicht für sich selbst da. Die Verantwortlichen müssen neu beschreiben, wer auf welche Weise Macht ausübt.“
Ein weiterer wichtiger Schritt läge in der Beteiligung von Frauen auf allen Ebenen, auch um eine andere Kultur zu schaffen. Außerdem, so Iwan, brauche es die Abkehr von einer fragwürdigen Sexualmoral. „Warum hat die Kirche gerade die Sexualität viel stärker bewertet als zum Beispiel Gerechtigkeit, Friedfertigkeit oder Gewaltfreiheit?“
Letztlich brauche es die Erkenntnis, dass die Kirche sich nicht allein heilen kann, sondern mithilfe von außen. Sonst gehe der Rest der beschädigten Glaubwürdigkeit verloren. Pfarrer Iwan: „Die Kirche, wie wir sie zuletzt kannten, ist wohl zu Ende.“