An Heiligabend sind die Kirchen voll – trotz aufgehobener Corona-Beschränkungen war auch dieses Jahr eine Anmeldung für den Heiligabend-Gottesdienst in der Evangelischen Kirche in Ergste deshalb zwingende Voraussetzung zur Teilnahme, wie Familie Jung aus Schwerte erfahren musste. Sie wurden vor der Kirchentür abgewiesen.
Ihre Empörung war groß, sogar einen Kirchenaustritt zieht die Familie in Erwägung, sollte die Gemeinde sich nicht für ihr „unchristliches Verhalten“ entschuldigen oder zumindest Kontakt aufnehmen.
Unsere Autorinnen beziehen in einem „Pro und Contra“ Stellung: War die Kritik der Schwerter Familie an der Kirche gerechtfertigt? Argumente dafür und dagegen.
Pro: Die Kirche zu Recht kritisiert
Von Vanessa Trinkwald
Die Kritik der Familie Jung an der Vorgehensweise der Gemeinde, ausgerechnet am Heiligen Abend vor der Kirchentür abgewiesen worden zu sein, wurde vor allem in den Sozialen Netzwerken in den vergangenen Tagen hitzig diskutiert. Getreu dem Motto: „Selbst Schuld, hättet ihr euch halt anmelden müssen!“
Ganz so einfach ist das nicht. Denn diese Geschichte hat neben einer emotionalen auch eine ganz andere Ebene: Familie Jung zahlt Kirchensteuer, und das nicht gerade wenig. Dafür erwartet sie am Fest der Nächstenliebe eine Dienstleistung, die sie am Ende nicht bekommt. Geld ja, Gottesdienst nein. Das ist das falsche Signal in Zeiten, in denen sich ohnehin immer mehr Menschen von der Kirche abwenden.
Ja, es gab Einschränkungen in den letzten beiden Corona-Jahren. Ja, man versucht sich zu organisieren, um „chaotische Verhältnisse“, wie sie sich früher ereignet hätten, zu vermeiden. Aber man kann sich auch hinter Regeln verstecken. Die Frage, die man stellen darf: Sollte man nicht einfach grundsätzlich wieder mehr Heiligabend-Gottesdienste anbieten, wie es sie in Schwerte eben auch früher gab? Gerade an Weihnachten hat die Kirche doch die Chance zu zeigen, dass sie noch da ist. Und in Post-Corona-Zeiten ist das mehr als vertretbar.
Einer, der aus meiner Sicht gut reagiert hat, ist Pfarrer Gössling: Ganz unaufgeregt hatte er unsere Anfrage in der letzten Woche kommentiert. Man müsse sich vielleicht für das nächste Jahr eine andere Strategie überlegen. Das ist zumindest lösungsorientiert. Und davon sollten sich viele andere eine Scheibe abschneiden, anstatt bloß plump mit Giftpfeilen zu schießen in Richtung zweier Schwerter, die an dieser Stelle auf etwas hingewiesen haben, was nicht nur ihnen selbst passiert ist.
Contra: Lieber den Fehler eingestehen
Von Carolin West
Meine Familie hat sich an Weihnachten die eine Frage gestellt, die sich all diejenigen hätten stellen sollen, die in den Gottesdienst kommen wollten: Gibt es noch Regeln für den Kirchenbesuch?
Denn auch wenn Wissenschaftler die Endemie einläuten, ist das Virus nicht aus der Welt – Geschäfte und Restaurants können weiterhin Gebrauch von ihrem Hausrecht machen, was eine Maskenpflicht, Abstände und begrenzte Personenzahlen angeht. Warum also nicht auch Kirchen?
Im Fall der Evangelischen Kirche in Ergste gab es gleich mehrere Möglichkeiten, um sich zu informieren. Zumindest eine dieser Quellen – das Internet – hat laut eigener Aussage auch Familie Jung genutzt.
Warum der Anmeldeknopf auf der Homepage der Gemeinde und der mehrfache Hinweis „Anmeldung nötig (online oder im Gemeindebüro)“ nicht als eindeutig, sondern nur als „Möglichkeit“ empfunden wurden, ist mir schleierhaft. Noch mehr allerdings die Empörung im Nachhinein.
Denn auf mehr Kanälen hätte die Gemeinde nicht auf die Anmeldepflicht hinweisen können. Wer sich dennoch nicht angemeldet hat, darf sich vor der Kirchentür nicht über eine Abweisung wundern. Das selbst verschuldete Versäumnis, sich nicht angemeldet zu haben, können die Betroffenen nicht der Kirche ankreiden.
Lieber den Fehler eingestehen und daraus lernen, als auf die Tränendrüse drücken und mit Kirchenaustritt drohen. Denn dann kann es mit der Verbundenheit zur Kirche nicht allzu weit her sein.
Bittere Enttäuschung und Tränen: Familie Jung an Weihnachten vor Kirchentür abgewiesen
Ein Neuanfang, von dem man nicht erzählen möchte: Svitlana Krut floh aus der „Stadt der Rosinen“
Meisterstücke von Josef Hellebrand (85): Krippen mit Schwerter Wahrzeichen in der Walnussschale