Zutritt verwehrt, die Kirchentür vor der Nase zugeschlagen. Mit Tränen in den Augen stand Jasmin Jung am Heiligen Abend mit ihren beiden kleinen Kindern vor der evangelischen Johanniskirche in Ergste. „Sie stehen nicht auf der Liste“, hatten ihnen die Kontrolleure am Eingang beschieden. Wer sich nicht vorher angemeldet habe, komme nicht herein. Punkt, darüber gab es keine Diskussion. Das Gotteshaus sei proppenvoll.
Dreijähriger Sohn war am Ende
Total enttäuscht musste die Familie umdrehen und den vorzeitigen Heimweg antreten. „Wie damals, als Maria und Josef abgewiesen wurden“, vergleicht Jasmin Jung mit Blick auf die biblische Geschichte vor der Geburt Jesu: „Es hat sich also seit dieser Zeit nichts geändert.“
Sie habe ihrem dreijährigen Sohn erklären müssen, warum die Kirche für sie nicht geöffnet war: „Er war fürchterlich am Ende.“ Und die siebenjährige Tochter konnte durch den Türspalt alle ihre Klassenkameradinnen sehen, die sich auf das Krippenspiel freuten. Im vergangenen Jahr war sie als dritter Engel noch selbst mit dabei gewesen.
Eine alte Dame weinte auch
Nach zwei Jahren Corona-Pandemie sollte der Kindergottesdienst für die Familie eigentlich ein Lichtblick werden. „Wir sind dermaßen enttäuscht“, sagt Jasmin Jung. Keiner habe sie informiert, dass man sich zwingend für den Besuch anmelden müsse. Im Internet sei nur von der Möglichkeit die Rede gewesen, sich anmelden zu können. Die Abweisung der Familie sei offensichtlich kein Einzelfall gewesen. Eine Familie mit einer Seniorin habe ebenfalls Probleme beim Eintritt bekommen: „Die alte Dame weinte.“

Ehemann und Vater Maik Jung musste die dramatischen Augenblicke nicht miterleben, weil er gerade noch einen Parkplatz suchte. Eigentlich überflüssig, weil er die Familie sofort unverrichteterweise wieder nach Hause fahren musste. Auf Wunsch der Kinder schaute man sich dort den Live-Stream des Gottesdienstes am Rechner an. Dabei habe die Kirche gar nicht so voll gewirkt, wie die Aufpasser am Eingang behauptet hatten, sagt die Familie.

„Wenn die Kinder vorne sitzen und spielen, sieht es so aus, als ob es nicht so voll wäre“, erklärt Pfarrer Thomas Gössling. Er leitete den Gottesdienst, habe aber von dem Geschehen an der Tür nichts mitbekommen. „Das ist total schade“, sagt er: „Das soll natürlich nicht sein.“ Man habe auf allen Kanälen wie beispielsweise dem Schaukasten oder dem Gemeindebrief versucht zu betonen, dass eine Anmeldung notwendig sei.
Gemeinde will Chaos vermeiden
Mit dieser Maßnahme wollte die Kirchengemeinde „chaotische Verhältnisse“ verhindern, wie sie sich früher ereignet hätten, nachdem die Zahl der Heiligabend-Gottesdienste von zwei auf einen reduziert worden war. Im vergangenen Jahr habe man zusätzlich noch einen Live-Stream angeboten, berichtet Pfarrer Gössling weiter: „Damit jedes Mitglied die Möglichkeit hat, es anzusehen.“
Thema für die Nachbesprechung
Die erforderliche Technik füllte beim Weihnachtsgottesdienst die komplette Empore. Für Besucher stand deshalb nur der Kirchenraum selbst zur Verfügung. „Es war voll“, sagt Pfarrer Gössling. Corona-Abstände habe man nicht mehr einhalten müssen.
Die jetzt aufgetretenen Probleme sollen bei einer Nachbesprechung thematisiert werden. Zum Einen gehe es darum, frühzeitig alles zu unternehmen, um auf allen Kanälen auf die Anmelde-Pflicht hinzuweisen. Außerdem müsse man sich eine Strategie überlegen, was man mache, wenn doch noch Gläubige ohne Anmeldung kommen. Möglicherweise müsse man für diesen Fall von vornherein einen bestimmten Prozentsatz der Plätze frei halten.
Kirchenaustritt wird überlegt
Das nützt der Familie Jung jetzt nicht mehr. Sie hat eine E-Mail an das Gemeindebüro geschrieben. „Sie sollten sich für Ihr unchristliches Verhalten schämen“, heißt es darin. Gleichzeitig denken die Abgewiesenen über einen Kirchenaustritt nach. „Wenn keine Entschuldigung oder Kontaktaufnahme vonseiten der Kirche kommt, werden wir das tun“, erklärt Jasmin Jung.
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