
© Detlev Schnitker
Marien-Chefarzt: Noch mehr Corona-Patienten und planbare OPs sind nicht mehr möglich
Thema: Coronalage
Noch zwei Corona-Patienten mehr auf der Intensivstation, und man müsse planbare OPs absagen. Das ist nur eine der Aussagen aus dem Video-Interview mit Chefarzt Dr. Spahn. Die wichtigsten Aussagen:
Im Videointerview hatten wir mit dem Chefarzt des Marienkrankenhauses, PD Dr. Thomas W. Spahn über die aktuelle Corona-Situation im Krankenhaus, die Booster-Impfung und die sich zuspitzende Infektionslage gesprochen.
Hier seine Antworten zu den wichtigsten Fragen:
Thema: Aktuelle Corona-Lage
„Mittlerweile hat fast jeder einen in der Familie, der an Corona erkrankt ist. Im Marienkrankenhaus gibt es aktuell sechs Corona-Patienten, einen davon in der Schützenstraße. Die Belegungssituation auf unserer Intensivstation ist nicht repräsentativ für die Situation in der gesamten Bundesrepublik“, sagt PD Dr. Thomas W. Spahn.
„Wir haben hier Patienten mit Impfdurchbrüchen liegen, wenn man das statistisch aber auf das gesamte Bundesgebiet betrachtet, ist es so, dass 27-mal so viele ungeimpfte Patienten auf Intensivstationen behandelt werden wie geimpfte.“
Thema: Intensivbetten und Triage
„Noch sieht es bei der Hospitalisierungsrate im Kreis Unna ganz gut aus. Bei uns ist es so, dass wir, wenn noch ein oder zwei Patienten mit Corona auf der Intensivstation hinzukommen, geplante chirurgische Eingriffe, bei denen die Patienten auf der Intensivstation überwacht werden, nicht mehr durchführen können. Wir hoffen natürlich alle, dass wir keine Triage machen müssen.“
Thema: Wer soll sich boostern lassen?
„Nun wissen wir, dass der Impfstoff fünf, sechs oder im schlechtesten Fall nur vier Monate gut wirkt. Ich bin sehr dafür, dass sich alle über 18 Jahren impfen lassen.“

Dr. Thomas W. Spahn ist mittlerweile geimpft und geboostert. Er empfiehlt allen ab 18 Jahren, nach sechs Monaten eine Auffrischungsimpfung zu machen. © Schnitker
Thema: Wie wirkt die Booster-Impfung?
Spahn erklärt: Es gebe zwei verschiedene Mechanismen im Immunsystem. Der erste sind die Antikörper, die binden das Virus an dem Spikeprotein. „Wir wissen, dass der Antikörperspiegel in zeitlichem Abstand zur Impfung geringer wird. Mit der Verringerung steigt das Risiko einer symptomatischen Infektion und einer Hospitalisierung wieder an.“
Der andere Mechanismus: Es gibt T-Lymphozyten, die die Immunantwort steuern. Die machen bei Tetanus-Impfungen die Hauptimmunantwort aus. Die T-Lymphozyten bleiben über einen längeren Zeitraum aktiv. „Aber die Erfahrung (mit Covid) zeigt, dass man doch einen hinreichend hohen Spiegel von Antikörpern braucht, deshalb muss man nach fünf bis sechs Monaten wieder impfen.“
Thema: Antikörpertest
Deshalb mache auch ein Antikörpertest Sinn. Man bekomme dadurch eine Richtlinie. „Es gibt aber keine Werkgarantie, dass man mit hohem Antikörperspiegel geschützt ist. Ich empfehle allen Leuten, mit der Booster-Impfung im Zweifelsfall großzügig zu sein, weil wir die Mechanismen, die gegen die Krankheit schützen, noch nicht vollständig verstehen.“
Thema: Abstand trotz Impfung
Die Impfung gebe ein hohes Maß an Schutz. „Wenn man die Intervalle einhält, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass man nicht schwer erkrankt und ins Krankenhaus muss.“ Allerdings sollten auch Geimpfte bei der derzeitigen Durchseuchung große Menschenansammlungen vermeiden und möglichst nicht dicht an dicht auf der Südtribüne stehen. „Man muss mit gesundem Menschenverstand sagen, dass man bei einer Erkrankung, die von Mensch zu Mensch übertragen wird, alles meiden sollte, bei dem man dicht an dicht sitzt oder steht.“
Thema: Pandemie der Ungeimpften
Der Ausspruch stammt aus der Politik. Politiker seien oft in der Situation, dass sie die Sachen sprachlich vereinfachen wollen, um sie begreifbarer zu machen. Das werde nicht der Situation gerecht. „Es ist so, dass das Virus länger in den Ungeimpften verweilt, dadurch mehr Möglichkeiten hat, sich auszubreiten. Dadurch ist es schon berechtigt zu sagen, dass Ungeimpfte, die infiziert sind, die Erkrankung in höherem Maße vorantragen als Geimpfte, die infiziert sind. Aber auch wer geimpft ist, kann für einen kürzeren Zeitraum die Erkrankung auf andere übertragen.“
Thema: Weg aus der Pandemie
„Wir wissen alle nicht genau, wie es weitergehen wird. Diese hohen Zahlen haben etwas Furchteinflößendes.“ Man könne nach historischen Vergleichen suchen: „Die spanische Grippe hatte drei Wellen, dann war sie auf einmal weg.“ Das Grippevirus sei zwar weiter da, aber es habe sich so verändert, dass man eine relativ milde Erkrankung bekomme und nur noch sehr selten an der Krankheit sterbe.
Es könne auch sein, dass sich das Coronavirus dahingehend verändert. Schließlich mache das auch evolutionsbiologisch Sinn, wenn das Virus den Wirtsmechanismus nicht tötet, sondern sich munter darin weiter vermehren kann. Dann könne man weiter mit Corona leben, wie mit Erkältungskrankheiten.
Ist mit Überzeugung Lokaljournalist. Denn wirklich wichtige Geschichten beginnen mit den Menschen vor Ort und enden auch dort. Seit 2007 leitet er die Redaktion in Schwerte.
