Ganz geheuer war ihr der einsame Spielplatz am Ende der Lichtendorfer Straße nicht. Halbstarke lungerten des öfteren zwischen den Klettergeräten herum. Deshalb blieben die Männer bei der Krötenschutzaktion am Gehrenbachsee immer in Rufweite, wenn Renate Neuhaus dort mit ihren Kindern wartete. „Was machen Sie denn da?“, wurde sie plötzlich von den Jugendlichen von der Seite angequatscht. Freundlich, wie sie ist, erklärte sie den Unbekannten, warum die Amphibien zur Laichzeit über die Fahrbahn getragen wurden: „Da halfen die Jungs mit.“
Kröten platt unterm Autoreifen
Viel hat die leidenschaftliche Naturschützerin in den fast 40 Jahren erlebt, in denen sie jeweils im Frühling den Erdkröten half, die zum Laichen von ihrem Trieb zu ihrem Geburtsgewässer hüpften. Der gefährliche nächtliche Weg endete oft plattgefahren unter irgendeinem Autoreifen. 1984 sei diese Situation am Gehrenbachsee in den Fokus der Arbeitsgemeinschaft Ornithologie und Naturschutz (Agon) geraten, erinnert sich Renate Neuhaus. Man war sich einig: „Mit dem See muss irgendwas passieren.“
Mit großem Engagement spannten die Helfer nahe dem Uferbereich einen Maschendrahtzaun entlang der Lichtendorfer Straße. Unüberwindlich, hinderte er die Amphibien daran, auf die Fahrbahn zu gelangen. Sie hüpften so lange an ihm herum, bis sie in einen der eingegrabenen Eimer plumpsten, in denen sie später gefahrlos auf die andere Seite getragen werden konnten.

„Es gab eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme beim Jugendamt, die halfen“, berichtet Renate Neuhaus. Das sogenannte Umweltschutzprojekt unter Leitung von Dirk Hoppe packte mit an, die Zäune aufzubauen. An der Letmather Straße, wo die Agon 1988 auf eine weitere Krötenwanderung in Höhe der Gaststätte Hiddemann Im Spieck aufmerksam wurde, kam Unterstützung von Anwohnern und von der Straßenmeisterei Iserlohn.
Deren Mitarbeiter verlängerten den Schutzzaun in Richtung Schälk und stellten zusätzlich Hinweisschilder für die Autofahrer auf. Später wurde ein Ersatz-Laichgewässer auf der anderen Straßenseite der B236 gebuddelt, um den Amphibien die Straßenüberquerung zu ersparen. Nur die im alten Teich geborenen versuchen es immer noch und müssen in Eimern am Zaun eingefangen werden.
Zweite Aktion bei Hiddemann
Bei Hiddemann gebe es außer Erdkröten auch Laubfrösche, erzählt Renate Neuhaus. Akribisch hat sie in all den Jahren Buch geführt über die Schutzaktionen und ihre Daten regelmäßig dem Arbeitskreis Amphibien und Reptilien NRW in Hagen übermittelt. In starken Jahren waren es allein am Gehrenbachsee rund 2000 Kröten, die während der Aktion im Frühjahr den Eimertransport nutzten.
Das ist heute nicht mehr nötig, weil zwei Schranken den gefährdeten Bereich der Lichtendorfer Straße während der Laichsaison nachts für den Autoverkehr sperren. Nur für Fußgänger und Radler sind sie passierbar.
Mit dem Umweltpreis geehrt
Das Aufstellen eines „Dienstplans“ für die Helfer, die morgens und abends die Schrankenbäume bedienen, gehörte zu den Aufgaben von Renate Neuhaus, die niemand sah. Genauso wie das Beobachten der Kröten, um der Stadt den Beginn der Laichwanderung zu melden. Ohne Herzblut ist so etwas nicht durchzuhalten.
„Ich war da eigentlich immer drin“, sagt die Naturschützerin, die im Sommer 1995 von der Stadt Schwerte für ihren Einsatz beim Umweltmarkt öffentlich mit dem Umweltpreis ausgezeichnet worden ist: 250 Mark und ein Sachbuch überreichte die damalige Bürgermeisterin Ursula Sobelat. Mit der Agon erhielt sie darüber hinaus die Stadtmedaille.

Kaum zu glauben, dass dieses Engagement für die Umwelt eigentlich ein Großstadt-Import ist. „Ich war Berlinerin bis 1966“, verrät Renate Neuhaus. Wenn man es weiß, hört man es sogar noch ein wenig heraus. Der Weg ins Ruhrtal Schwerte war verschlungen.
Nach einer Ausbildung bei Autoveri zog es die Berlinerin zunächst in die Buchhaltung von Air Kanada am Frankfurter Flughafen. Ziel war eigentlich irgendwann einmal Hamburg. Doch dann kam jenes Vogelkundlertreffen in Wilhelmshaven, das alles verändern sollte. An dem Wochenende trat der Schwerter Franz-Dieter Neuhaus in ihr Leben.
Es muss sofort gefunkt haben. Die junge Frau schickte ein Fotoalbum mit Naturbildern aus Nordeuropa auf die Schwerterheide – und erhielt postwendend einen dicken Brief mit Botanik-Dias zurück. Sechs Monate lang führte das Paar eine Wochenend-Beziehung, bis Renate Neuhaus im April 1973 mit ins Haus der späteren Schwiegereltern an der Ostberger Straße einzog.
Weil die das Naturfreundehaus an der Waldstraße mitgebaut hatten, wurde sie zunächst auch dort aktiv und organisierte Touren zu den Frühlingsblumen. Doch irgendwie gab es zu wenig Programm in dem Verein.
Kröten in der Badewanne
Ganz anders legte die Agon los, die Renate Neubaus 1979 mit gründete: „Die war interessanter als die Naturfreunde, weil die sich richtig um die Natur kümmerte. Ich bin ganz fest in der Agon drin seitdem.“ Das führte auch zu kuriosen Situationen. Als die Volkshochschule einmal Fotos vom Krötenschutz machen wollte, brachte Ehemann Franz-Dieter Neubaus drei Eimer Kröten mit nach Hause, die quakend in der Badewanne übernachteten, um am Morgen am Gehrenbachsee vor den Kameras freigelassen zu werden.
Ein Leben ohne Agon – das kann sich Renate Neuhaus immer noch nicht vorstellen, auch wenn sie im Alter von 82 Jahren die Krötenschutzaktion jetzt an Claudia Weigel weitergegeben hat. „Ich bin sehr froh, dass sie das macht“, sagt sie. Denn ihr Lebenswerk wisse sie in guten Händen.
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