
© Heiko Mühlbauer
Teure Lösung in Sicht: Kann Familie Ahlers den Abriss ihres Hauses verhindern?
Der Fall Ahlers
Die Familie Ahlers hatte eine Baugenehmigung und stockte ihren Bungalow auf. Doch ein Nachbar klagte dagegen. Jetzt sollen sie ihr Haus wieder abreißen. Es gäbe eine Lösung, doch die Zeit drängt.
Drei Jahre lebte die Familie Ahlers aus Schwerte mit der Drohung, dass ihr frisch renoviertes Haus wieder abgerissen werden muss. Nun deutet sich eine Lösung in dem Fall an. Doch die wird für die Familie teuer und kann nur gelingen, wenn die Stadt eine Fristverlängerung gewährt. Doch bislang ließ die Verwaltung nichts von sich hören.
2012 glaubten die Ahlers, sie hätten ihr Traumhaus gefunden: In der Nähe der Ruhr, unweit der Innenstadt, allerdings ein Bungalow. Doch das Problem schien lösbar, denn die meisten Nachbarn in der Siedlung hatten längst aufgestockt und ein Dachgeschoss auf ihre Flachdächer gesetzt.
Kein Bebauungsplan für die Siedlung
Das taten die Ahlers auch, mit ihrem Architekten entwickelten sie einen Ausbauplan: Eine Einliegerwohnung wurde gebaut, das Haus aufwendig gedämmt und mit Spitzdach und Gaube versehen. Einen Bebauungsplan für die Siedlung gab es nicht, deshalb orientierte man sich an den Ausbauten der Nachbarn.
Fast zwei Jahre hatte die Familie auf die Baugenehmigung gewartet. Die wurde 2015 auf der Grundlage des Paragrafen 34 des Baugesetzbuchs erteilt. Der besagt, dass sich Neu- und Anbauten in die Umgebung einfügen müssen.
Weil man bereits so lange auf die Genehmigung gewartet und auch schon im Inneren mit Umbauten begonnen hatte, machte sich die Ahlers mit ihrer Baugenehmigung direkt an den Ausbau. Ein verhängnisvoller Fehler, wie sich später herausstellte. Denn auch wenn die damaligen Mitarbeiter des Bauordnungsamtes der Familie versichert hatten, die Baugenehmigung sie bombensicher, war sie das nicht.
Nachbar klagte gegen die Baugenehmigung der Stadt
Ein Nachbar klagte gegen die Stadt und ging gegen die Baugenehmigung vor. Besonders ärgerlich: Dem Mann gehört zwar ein bislang nicht aufgestocktes Nachbarhaus, er wohnt aber gar nicht dort. Noch ärgerlicher: Die Begründungen, die der Kläger vortrug, konnten dem Bauantrag nichts anhaben. Sehr wohl aber ein Passus im Baurecht, den offensichtlich auch die Stadt Schwerte nicht auf dem Schirm hatte.
Wenn eine Häuserreihe kürzer als 50 Meter ist, orientiert man sich nicht an der Bebauung in der Nachbarschaft, sondern muss die Harmonie der gesamten Häuserreihe herstellen. Da aber die drei übrigen Bungalows in der Reihe der Ahlers noch nicht groß aufgestockt hatten, war die Baugenehmigung ungültig.

Während viele Nachbarn in anderen Häuserreihen der Siedlung ihre Häuser aufgestockt haben, ist in der Reihe der Ahlers nur ein Schutzdach entstanden. Die direkten Nachbarn haben noch ein Flachdach. © Bernd Paulitschke
Nun meint man, dass die Ahlers ihr Dachgeschoss wieder abreißen müssten. Doch das deutsche Baurecht ist da gründlich: Statt eines Rückbaus, wurde die Stadt verpflichtet, eine Abrissverfügung zu erteilen. Das tat die Stadt Schwerte. Die Ahlers klagten dagegen.
Neuer Bauantrag ist rechtsgültig
Bis Ende Anfang diesen Monats mahlten die Mühlen der Justiz, langsam und gründlich. Das Ergebnis: Die Abrissverfügung ist gültig, aber es gibt eine Hoffnung, sogar für das ausgebaute Dachgeschoss. Das kann zurückgebaut werden. Die Gaube muss verschwinden und auch der turmartige Eingangsbereich.
Aus der 80 Quadratmeter Einliegerwohnung würde dann eine Erweiterung des Wohnraums im Untergeschoss. 60 Quadratmeter Wohnfläche blieben übrig. Einen entsprechenden Bauantrag haben die Ahlers auch eingereicht und bewilligt bekommen. Und: Er wurde auch nicht vom Nachbarn beklagt.
Also am Ende des Prozessmarathons ein Happy End? Das steht derzeit noch in den Sternen. Denn während die Abrissverfügung in neun Monaten umgesetzt sein soll, hätten die Ahlers für ihren Umbau laut Baugenehmigung drei Jahre Zeit.
Einen Zeitraum, den man angesichts der aktuellen Lage am Baumarkt dringend braucht. „Alleine einen Dachdecker zu finde, der noch einen Termin frei hat, ist derzeit nahezu unmöglich“, sagt Andrea Ahlers. „Wir sind da auf die Mithilfe der Stadt angewiesen.“ Bei der hatte man Anfang des Monats um eine Fristverlängerung gebeten. Eine Antwort gab es bislang aber nicht.
Auf Anfrage der Redaktion signalisierte die Rechtsverwaltung der Stadt aber Entgegenkommen: Als man die Abrissverfügung (vor der Klage) gefertigt habe, seien sowohl der Bauboom als auch Corona noch keine Themen gewesen. Eine Fristverlängerung sei also durchaus möglich. so Sandra Brinkmann von der Stadtverwaltung. „Wir sind da aber auf jeden Fall gesprächsbereit“, betonte sie. Allerdings müssten die Ahlers zumindest mit dem Rückbau irgendwie begonnen haben. „Das ist ja genau das Problem! Wie ohne Handwerker. Das beißt sich der Hund selber in den Schwanz“, sagt Markus Ahlers dazu.
Finanziell große Verluste und Verlust von Wohnraum
Ihr Vertrauen im Jahr 2015 in die Baugenehmigung der Stadt hat der Familie finanziell schwer zugesetzt. Neben den Kosten für das Haus und den Ausbau von rund 200.000 Euro steht nun der ebenfalls sechsstellige Umbau des Obergeschosses und der damit einhergehende Wertverlust an. Abgesehen davon, dass man für Rechtsanwälte und Architekten im Verlauf des Streits auch rund 25.000 Euro ausgegeben hat.

Die Familie Ahlers soll ihr Haus abreißen obwohl schon eine Häuserreihe dahinter ein ähnlich aufgestocktes Haus steht. © Foto: Björn Althoff
Und das alles, um aus einem Haus mit Einliegerwohnung wieder ein Einfamilienhaus zu machen. „Alle reden davon, die Bausubstanz zu verdichten und nicht soviel Fläche zu versiegeln. Das ist sowas von unzeitgemäß“, sagt Andrea Ahlers. Ihrer Mieterin musste sie zum August kündigen. Die ziehe jetzt in eine andere Stadt.
Warum der Nachbar derart auf seiner Klage beharrt hat und auch die finanziellen Angebote der Ahlers ausschlug, bleibt rätselhaft. Einmal hatte er sich im Laufe des Verfahrens über seinen Anwalt geäußert: Damals erklärte er, durch den Anbau würden wichtige Lüftungsöffnungen in seinem Dach verschlossen. Ein Argument, dass das Gericht dann aber nicht gelten ließ.
Die Stadt, die 2015 die nicht gültige Baugenehmigung erteilt hatte, durch die das Ganze überhaupt ins Rollen geriet, sieht sich nicht in der Verantwortung. Man habe den Ahlers ja mitgeteilt, dass die Baugenehmigung beklagt würde.
Ist mit Überzeugung Lokaljournalist. Denn wirklich wichtige Geschichten beginnen mit den Menschen vor Ort und enden auch dort. Seit 2007 leitet er die Redaktion in Schwerte.
