Der Forellenpark in Brilon (r.) und die Reichshofstraße 95 (l.) haben einen gemeinsamen Besitzer. Der hat beide Immobilien ersteigert, aber nicht bezahlt.

Der Forellenpark in Brilon (r.) und die Reichshofstraße 95 (l.) haben einen gemeinsamen Besitzer. Der hat beide Immobilien ersteigert, aber nicht bezahlt. © Schmitz/privat/Grafik Mühlbauer

Serienweise Immobilien ersteigert und nicht gezahlt – Staatsanwalt: Kein Betrug

rnReichshofstraße 95

Jemand ersteigert Immobilien in Deutschland, bezahlt aber nicht. Und trotz Anzeigen hat die Justiz bislang keine Handhabe gegen den Geschäftsmann. Die Staatsanwaltschaft sagt: Das ist kein Betrug.

Schwerte

, 20.09.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Der Forellenpark in Brilon ist eine Ferienanlage aus den 70er-Jahren, bis zu sieben Geschosse und rund 100 Wohnungen. Die gehören einzelnen Eigentümern. Zu dem Komplex gehört aber auch eine nicht ausgebaute Gewerbefläche. 1974, beim Bau der Anlage, hegte man den Plan, das Feriendomizil noch um eine Wellness- und Sportanlage zu erweitern. Ein Unternehmer dafür fand sich nicht und so blieben die Flächen im Rohbau.

Bei der Versteigerung trat eine britische Firma an

2019 wurden sie zwangsversteigert, weil die Eigentümerin mit ihren Zahlungen an die Eigentümergemeinschaft im Verzug war. Bei der Versteigerung trat eine britische Firma an: die Pegasus Property Nr. 8.

Als Beauftragter trat ein Deutscher Geschäftsmann auf. Der bot am Ende 28.487 Euro für die Gewerbefläche und bekam den Zuschlag. Bezahlt hat die britische Firma nie. Dafür später aber die Flächen vermietet.

Im gleichen Zeitraum die Reichshofstraße ersteigert

Überraschend ist das nicht: Denn etwa zur gleichen Zeit ersteigerte die Pegasus Property Nr. 8 das verfallene Fachwerkhaus an der Reichshofstraße 95 in Westhofen. Auch hier floss nie Geld. Und in beiden Fällen wurden die Immobilien im direkten Anschluss an den Zuschlag an eine andere britische Firma vermietet. Dass beide Firmen nicht wirklich und auf Dauer angelegt sind, verriet schon die Adresse der Pegasus.

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Die befand sich nämlich in einem Haus mit Bordell, Werkzeugverleih und vor allem vielen Postfächern für Firmen der unterschiedlichsten Art. „Befand“ deshalb, weil die Pegasus Property Nr. 8 bereits im Februar 2020 den Namen in „11998391 LTD“ änderte, einen Pakistani zum Direktor bestellte und die Adresse änderte. Jetzt residiert man wenige Kilometer entfernt, auch in Manchester, diesmal in einem Haus mit einem afrikanischen Restaurant und natürlich einem Postfachverleih.

Gläubiger erstatteten Anzeige

Was den Fall Reichhofstraße 95 von dem in Brilon unterscheidet: Im Sauerland versuchten die Gläubiger, gegen die britische Firma vorzugehen. Am 27. Januar 2022 erstatte man Anzeige gegen die Pegasus und andere Firmen aus dem Firmengeflecht.

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Was die beiden Fälle dann doch nicht unterscheidet: Strafrechtlich passierte nichts. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Arnsberg sah keinen Anlass zu ermitteln. Am 27. April 2022 schrieb man zurück: „Ein Tatnachweis wegen Betruges konnte im vorliegenden Fall nicht mit einer für eine Anklageerhebung erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit geführt werden.“

Fall ist eine zivilrechtliche Angelegenheit

Die Begründung lautet wie folgt: Für einen Betrug müsse die verfügende Person durch die Täuschung einem Irrtum unterlegen sein. Die verfügende Person war in diesem Fall die Rechtspflegerin bei der Zwangsversteigerung. Und die sei keinem Irrtum unterlegen.

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Nicht weil sie von vornherein nicht daran geglaubt habe, dass der Kunde zahlt. Sondern sie ja die Zahlungswilligkeit und -fähigkeit des Bieters im Regelfall nicht überprüfe. Der Fall sei eine rein zivilrechtliche Angelegenheit, so die Anklagebehörde.

Die Eigentümergemeinschaft wollte das nicht auf sich beruhen lassen und legte Beschwerde beim Generalstaatsanwalt in Hamm ein.

Hinter den Firmen steht ein Vater-Sohn-Duo vom Niederrhein

Was die Gläubiger besonders ärgert: Es sind ja nicht irgendwelche britischen Firmen, die hier agieren, sondern reale Personen. Und zumindest einige von denen sind deutsche Staatsbürger und leben auch nicht in Großbritannien.

Wer die Handelsregister-Einträge zurückverfolgt, stößt immer wieder auf ein Vater-Sohn-Gespann vom Niederrhein. Die treten mal als Company-Director oder Officer auf, oft aber nur als Inhaber über verschiedene andere britische Firmen.

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Dafür treten sie aber ganz real in den Amtsgerichten auf, wenn es etwas zu versteigern gibt – immer mit einer Vollmacht der jeweiligen Firma ausgestattet. So war es auch in den Fällen Reichshofstraße und in Westhofen. Der Senior stellte sich dort als Repräsentant der Pegasus vor und wies sich mit einer Vollmacht aus.

Amtsgericht in Unna sah einen „Einzelfall“

Und auch das hat System und einen Grund: Denn im Februar vergangenen Jahres landete der damals 70-Jährige tatsächlich mal vor Gericht. In Unna hatte er ebenfalls für eine britische Firma drei Grundstücke für insgesamt 12.651,14 Euro ersteigert. Geld floss nie, die Gläubiger zeigten jenen Mann an, der geboten hatte.

Doch die Klage scheiterte vor Gericht. Denn der Angeklagte betonte, dass er als Repräsentant nur das Gebot abgegeben habe. Dass die Firma nicht zahlen würde, habe er nicht ahnen können. Das Ergebnis: Freispruch.

2014 in Honnef mit dieser Masche gescheitert

Vor Jahren war das mal anders: 2014 hatte das Vater-Sohn-Duo mit einer Firma namens Alpha Ferienhaus Ltd. eine ganze Ferienhaussiedlung ersteigert. Und auch damals nicht gezahlt, das Gelände zum Teil für 50 Jahre mietfrei weitervermietet.

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Die Stadt Honnef setzte sich durch. Sie erstattete Anzeige und das Gelände kam erneut unter den Hammer, sodass die Stadt es selbst wieder ersteigern konnte. Noch im Gerichtssaal wurden Vater und Sohn nach einem Bericht des Bonner Generalanzeigers festgenommen, weil ein Haftbefehl aus Aurich gegen sie vorlag.

Aktuell gibt es weitere Ermittlungsverfahren gegen das System. So ermittelt die Staatsanwaltschaft in Hagen gegen den Senior. Und in Kleve gibt es ein weiteres Verfahren. Auskünfte zu den Inhalten wollten die Ermittlungsbehörden nicht preisgeben. Es gehe aber auch um Immobiliengeschäfte.

Nach dem Zuschlag kann man bereits vermieten

Die Masche, die hinter dieser Sache steht, wird von Fachleuten so beschrieben: Wer eine Immobilie ersteigert, ist zwar erst nach dem Verteilungstermin, also wenn das Geld geflossen ist, der Eigentümer. Er kann aber schon nach dem Zuschlag über die Immobilie verfügen, zum Beispiel einen Mietvertrag abschließen.

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Und den schließt man dann mit einer Firma ab, die möglichst von deutschen Gerichten schlecht zu laden ist, zum Beispiel weil der Chef seine Adresse in Bangladesch hat. So kann man zwar eine neue Versteigerung erzwingen, bekommt aber keine seriösen Gebote, weil man den „Mieter“ nicht los wird.

Also ersteigert erneut eine Briefkastenfirma aus demselben Netzwerk das Haus, für ein Minigebot. In diesem Augenblick löst der Mieter freiwillig den Vertrag auf. Die Immobilie hat wieder einen Wert und für den wird sie dann auch verkauft.