40 Prozent der im Kreis Unna ansässigen Hausärzte sind über 60 Jahre alt – 44,1 Prozent der niedergelassenen Allgemeinmediziner sind es sogar in Schwerte. Diesen Wert teilte die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) kürzlich mit.
Befürchtet wird, dass durch das anstehende Pensionsalter vieler Ärzte und Ärztinnen und einen Mangel an nachkommenden Medizinern zukünftig Engpässe bei der Versorgung der Patienten entstehen könnten. Diese Befürchtung wird durch den Umstand befeuert, dass unsere Bevölkerung immer älter wird.
Beate Henschel arbeitet seit über 20 Jahren als niedergelassene Hausärztin in Schwerte. Die Internistin teilt die Auffassung der KVWL. „Das ist so“, sagt sie. „wir brauchen mehr nachkommende Jungmediziner.“ Das Problem sei, dass eine Niederlassung für viele gar nicht so attraktiv sei, wie angenommen würde. „Wenn man eine adäquate Bezahlung sucht, ist das nicht der richtige Job. Man muss schon Spaß daran haben, Leuten zu helfen und ihnen etwas Gutes zu tun.“
Schon zu wenig Studienplätze
Grundsätzlich, glaubt Henschel, gebe es schon zu wenige Studienplätze für Mediziner. Die sind für die Universitäten relativ teuer. Und nach der langen Studienzeit landen gar nicht alle ausgebildeten Mediziner in der Patientenversorgung. In Beratungstätigkeiten, in der Pharmaindustrie und in anderen Berufsfeldern tun sich Möglichkeiten für Mediziner auf.
Und dann folgt noch die Frage, für welche Fachrichtung man sich entscheidet. Die Fachrichtungen buhlen um den Nachwuchs. Die Ärztekammer hat zudem festgestellt, dass von denjenigen, die dann Allgemeinmediziner werden wollen, heute viele den Schritt zur Übernahme einer Praxis scheuen.
Lange Dienste und Mangel an Betreuung
Ein weitere Faktor, der laut Henschel eine große Rolle spiele, warum sich bundesweit zu wenig Mediziner entschließen, Hausarzt zu werden, seien lange Dienste und ein Mangel an Betreuung während der ärztlichen Ausbildung. „Wenn die Oberärzte die ganze Zeit mit medizinischen Aufgaben betraut sind und keine Zeit für Rückfragen haben, dann fehlt da ein stückweit die Rückendeckung für die Nachkommenden“, so die Ärztin.
Insgesamt gebe es einfach zu wenig Personal – in der Pflege sei das noch schlimmer. Das Älterwerden der Bevölkerung würde dazu beitragen. „Für ältere Menschen braucht es andere Therapieformen. Bei stärkeren Medikamenten kann ich einem 80-Jährigen nicht die gleiche Menge verabreichen, wie einem 40-Jährigen.“
Das Gesundheitssystem sei für den demographischen Wandel noch nicht ausreichend gewappnet. „Einen Facharzt für Geriatrie an sich gibt es nicht“, erzählt Henschel. Ärztinnen und Ärzte könnten lediglich Zusatzqualifikationen erwerben. Das Beste sei, schon in jungen Jahren die Grundlage für ein beschwerdefreieres Alter zu schaffen.
Tochter käme als Nachfolgerin infrage
„Ich bin eine große Befürworterin von Alltagssport – also von körperlicher Betätigung, die Spaß macht“, erklärt die Internistin. „Da kann man ruhig im Kindesalter schon mit beginnen.“ Eine ausgewogene Ernährung sei auch ein zentraler Faktor. „Von allem ein bisschen“, sagt sie. „Auch ruhig mal etwas Ungesundes.“
Gut sei es auch, sich immer wieder neue Dinge zu überlegen, die man lernen wolle. Ab 40 würde das dem Gehirn nicht mehr so leicht fallen und man solle auch da möglichst früh den Grundstein legen. Im Zusammenspiel mit Bewegung beuge dies Demenzerkrankungen vor.
Obwohl Beate Henschel mittlerweile über 60 Jahre alt ist, fiebert sie nicht dem Ende ihrer Laufbahn entgegen. Im Gegenteil, sie hätte immer noch Spaß und würde gerne so lange arbeiten, wie die Tätigkeit ihr Freude bereitet. Nach der Pandemie-Phase mit ihrer Mehrbelastung hofft die Ärztin nun, dass wieder Normalität einkehrt. Wenn sie die Praxis übergibt, käme ihre Tochter als Nachfolgerin infrage. Die ist zurzeit Assistenzärztin an einer Klinik.
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