Jeder Mensch benötigt einen Hausarzt. Ausgerechnet bei diesen könnte sich in absehbarer Zeit im Kreis Unna in vielen Kommunen eine Versorgungslücke ergeben. Das legen aktuelle Zahlen nahe.
In ihrer Bedarfsplanung legt die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) fest, wie viele Hausärzte die Kommunen benötigen, im eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen. „Die Bedarfsplanung ist das entscheidende Instrument zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung“, heißt es von der KVWL auf Anfrage dieser Redaktion.
Ein Bundesausschuss setzt die Richtlinien dafür fest. Die KVWL teilt die benötigen Hausärzte anschließend in sogenannte Mittelbereiche (MB) ein. Die umfassen mal eine Stadt und manchmal mehrere Kommunen.
Im Kreis Unna bilden etwa Unna, Fröndenberg, Holzwickede und Bönen den Mittelbereich (MB) Unna, Lünen und Selm den MB Lünen. Die übrigen Städte Kamen, Bergkamen, Schwerte und Werne sind eigenständige Mittelbereiche.
In allen Mittelbereichen im Kreis sind mindestens 30 Prozent – das ist der Wert für Kamen – aller Hausärzte 60 Jahre oder älter. Entsprechende Daten gab die KVWL auf Anfrage heraus. Das bedeutet: Sie gehen mittelfristig in den Ruhestand.
Hausärzte in Kamen: Kein Bedarf mehr
Noch ist die Versorgung sichergestellt. In Bergkamen sind 88,9 Prozent der 23,25 benötigen Vollzeitstellen besetzt. Es ist der niedrigste Wert im Kreis, dessen Mittelbereiche sich ansonsten dicht um die 100 Prozent bewegen.
In Schwerte sind es 108,7 Prozent. Nur noch eine halbe Stelle ist dort verfügbar. „Dann würde der Planungsbereich gesperrt werden“, sagt ein KVWL-Sprecher. In Kamen ist das schon passiert. „Es bestehen derzeit keine weiteren Niederlassungsmöglichkeiten“, sagt der Sprecher. Mit 112,5 Prozent hat der Mittelbereich die Grenze von 110 Prozent erreicht.
Doch diese Versorgung droht sich zu ändern. „Generell lässt sich sagen, dass die Nachbesetzung von Arztsitzen in vielen Regionen, vor allem im ländlichen Bereich, schwieriger wird“, heißt es von der KVWL.
Und Nachbesetzungen wird es in absehbarer Zeit viele geben müssen. Im Bereich der KVWL insgesamt sind es rund 40 Prozent aller Hausärzte, die mindestens 60 Jahre alt sind.
Hausärzte in Werne besonders alt
Im Kreis Unna überschreiten – obwohl vor allem ländliche Regionen in Ostwestfalen dem KVWL Sorgen machen – Schwerte (44,1 Prozent) und Werne (46,7 Prozent) diesen Durchschnittswert deutlich. Ein relevanter Anteil der Ärzte ist in jedem Mittelbereich mindestens 60 Jahre alt.
„Einen geeigneten Nachfolger zu finden, ist auf jeden Fall eine Herausforderung für die Hausärztinnen und Hausärzte“, sagt Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe auf Anfrage dieser Redaktion.
Es brauche ein ganzes Paket an Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken. Dazu gehören auch „die richtigen Rahmenbedingungen von politischer Seite“. Richter-Scheer spielt damit auf die Schaffung von mehr Medizinstudienplätzen und die Umsetzung des „Masterplans Medizinstudium 2020“ an, der bislang auf finanziellen Gründen nicht weiter verfolgt worden sein.
Auch die KVWL wünscht sich mehr Studienplätze für potenzielle Hausärzte. Aktuell würden sich nicht genug junge Mediziner für eine eigene Praxis entscheiden.
Patienten für Hausärzte im Kreis Unna werden älter
Dabei werden nicht nur die niedergelassenen Hausärzte älter, sondern auch ihre Patienten. Anke Richter-Scheer warnt: „Durch die demografische Entwicklung und eine alternde Bevölkerung wird der Behandlungsbedarf in Zukunft weiter zunehmen.“
Der Hausärzteverband Westfalen-Lippe nimmt deshalb auch die Städte und Kreis in die Pflicht. Die hätten ebenfalls erkannt, dass sie sich um Hausärzte-Nachwuchs bemühen müssten. Der Verband unterstütze zudem Ärzte vor dem Ruhestand, um eine Nachfolge zu gewährleisten.
KVWL etabliert Frühwarnsystem
Die KVWL beobachtet inzwischen, wo in der Hausärzte-Versorgung lokale Engpässe entstehen. Solchen Kommunen erteilt die Vereinigung einen Sonderbedarf und stellt finanzielle Anreize – etwa die Kostenübernahme für Umzugs und Einrichtung – zur Verfügung.
Aktuell (Stand: Dezember 2022) findet sich auf der Liste keine Stadt oder Gemeinde aus dem Kreis Unna. Lediglich Fröndenbergs Nachbarstadt Menden ist dort gelistet. Die KVWL bezeichnet das Verzeichnis als „Frühwarnsystem“, das schon nachweislich die Versorgungssituation verbessert habe.