Der blaue Textilbelag sticht heraus aus dem Einheits-PVC des Behördenhauses. „Teppich-Etage“ nennen die 2000 Mitarbeiter den Flur im Neubautrakt, der zum Büro des Regierungspräsidenten führt.
Man muss in der spiegelverkleideten Aufzugskabine gar nicht bis ganz nach oben fahren. Schon im dritten Stock steigt Heinrich Böckelühr aus. Das hatten schon seine Vorgänger so eingerichtet – aus praktischen Gründen. Denn auf dieser Ebene gibt es einen Durchgang zum repräsentativen Altbau mit seinem Uhrentürmchen.
Fahrer Wilczynski wieder dabei
Kurze Wege zu allen Abteilungen helfen dem neuen Regierungspräsidenten bei seinem Anliegen, bis Ende 2022 alle seine Mitarbeiter kennenzulernen. „Ich bin schon im Rathaus überall hingerannt“, berichtet er aus seiner Zeit als Langzeit-Bürgermeister in Schwerte. Ganz bewusst lässt er niemanden zu sich einbestellen. Er will Wertschätzung zeigen.
Auch für den treuen Fahrer Michael Wilczynski, der Heinrich Böckelühr erst als Bürgermeister und dann als Präsident der Rechnungsprüfungsanstalt in Herne begleitet hat. Weil dort immer noch nicht geklärt war, welchen Nachfolger er chauffieren sollte, ist der 62-Jährige jetzt mitgekommen nach Arnsberg: „Das ist mehr als fair.“

Die Bezirksregierung hat zwar einen Cheffahrer, der schon sieben Regierungspräsidenten gedient hat, aber auch der hat Ruhezeiten und Pausen. Es ist Sache der Absprache, wer Heinrich Böckelühr morgens mit dem Hybrid-BMW der 5er-Klasse, den das Land NRW zugewiesen hat, von seiner Wohnung auf der Schwerterheide abholt. Die 52 Kilometer an Bord nutzt der neue Regierungspräsident schon zum Arbeiten.

„Ich habe Rituale eingeführt“, erzählt Heinrich Böckelühr und zeigt auf das Zelt vor seinem Amtssitz, das während der Umbauarbeiten die Aufgaben der Kantine übernimmt. Es ist vor dem Haupteingang aufgeschlagen, wo er abgesetzt wird: „Wenn welche im Zelt sitzen, gehe ich rein und stelle mich vor. Das gehört sich so. Ich bin der Neue.“ Genauso wird die Diensthabende an der Information begrüßt: „Es ist mir wichtig, eine Beziehung zu den Beschäftigten aufzubauen.“
Schnitzeltag in der Kantine
Beim Vorbeigehen am Kantinenzelt fällt dem Schwerter jedes Mal seine erste Enttäuschung ein. Der Küche eilt ein großer Ruf für den Schnitzeltag am Donnerstag voraus, auf den sich Heinrich Böckelühr bei seinem Dienstbeginn am 1. September so sehr gefreut hatte.
Doch ausgerechnet für diesen Morgen lud NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst zu einer Veranstaltung zum erfolgreichen Emscher-Umbau in Castrop-Rauxel ein: „Bei der Rückkehr waren keine Schnitzel mehr da.“ Eine Woche später konnte der Genuss nachgeholt werden, später dann noch einmal. Das war’s bisher: „Ich komme nicht dazu.“

Denn auf dem großen dunklen Schreibtisch, den er wie die ganze Einrichtung vom Vorgänger Hans-Josef Vogel übernommen hat, wartet unerbittlich die dicke schwarze Terminmappe. Besprechungen mit Ministerien und Bürgermeistern oder Landräten, Einladungen von Organisationen und Vereinen – der Regierungspräsident ist ein vielgefragter Mann. Überall zugleich sein kann er nicht.
Eine Mitarbeiterin behält den Überblick und hat schon vorbereitet, wo eine Teilnahme möglich ist und wo nicht. Und hat auch schon angekreuzt, welche Vorarbeiten nötig sind – beispielsweise eine Rede. Als Bürgermeister hat Heinrich Böckelühr in 18 Jahren nur drei Ansprachen schreiben lassen, immer nur frei gesprochen. Das ist in der neuen Position nicht mehr durchzuziehen.
Zweiter Amtssitz in Dortmund
Abgelehnt hat der Behördenchef aber das Ansinnen, einen Faksimile-Stempel für die Unterschrift auf Urkunden für Jubilar-Ehrungen, Verabschiedungen oder Beförderungen anfertigen zu lassen. Das macht er stets persönlich mit dem Füller: „Das ist eine Frage der Wertschätzung.“ So viel Zeit muss sein, von der die sich derzeit wieder zuspitzende Flüchtlingssituation immer mehr einnimmt. Bei diesem Thema ist die Bezirksregierung Arnsberg – genauso wie beim Bergbau – für ganz NRW zuständig. Deshalb gibt es auch einen zweiten offiziellen Dienstsitz im früheren Oberbergamt in Dortmund.

Pflichttermin ist die wöchentliche zweistündige Videokonferenz mit allen fünf Regierungspräsidenten in NRW. „Mir ist es wichtig, dass es den Kommunen gut geht“, sagt Heinrich Böckelühr. Nicht von ungefähr hat er seinen ersten offiziellen Antrittsbesuch in dem 4100-Einwohner-Ort Hallenberg gemacht, der zweitkleinsten Stadt seines Regierungsbezirks mit einem neuen Bürgermeister.
Zwei Drittel der Bürgermeister kennt der erfahrene Kommunalpolitiker dort sowieso schon, alle fünf Oberbürgermeister und alle sieben Landräte: „Mit sechs von ihnen duze ich mich.“ In Sachen Vernetzung macht ihm so schnell keiner etwas vor.
Wochenende gehört dem Ehrenamt
Das neue Amt sei „total anstrengend“, sagt der Schwerter: „Ich kriege jeden Tag sehr viel Input und habe kaum Luft zu verschnaufen.“ Zwar ist er abends etwas früher zu Hause als bei seinen früheren Ämtern und hat am Wochenende keine Repräsentations-Termine mehr. Aber dann wartet Schreibtischarbeit für die vielen Ehrenämter beispielsweise als Rotary-Präsident.
Den Vorsitz des Roten Kreuzes will er aus Zeitgründen zwar in diesem Monat abgeben, den Vorsitz der Kuratoriums der Stiftung Rohrmeisterei und der Bürgerstiftung Schwerte-Mitte niederlegen. Aber Heinrich Böckelühr „erbt“ kraft Amtes immer neue Ämter dazu – aktuell den Vorsitz des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Den „Landeskranz“ muss er am Volkstrauertag persönlich niederlegen – in diesem Jahr vor dem „Kreuz der Kreuze“ am Schwerter Rathaus.
Innenminister Herbert Reul suchte „Alleskönner“ – und fand ihn in Schwerte
Heinrich Böckelühr bald in Arnsberg: „Das war immer ein Lebenstraum“