
Eine ganze Batterie von Aquarien zur Stichlingszucht versorgt Andreas Woelm auf seinem offenen Balkon. Die steigenden Energiepreise für die vielen Pumpen und Filter bedrohen das Projekt. © Reinhard Schmitz
Ganze Batterie von Aquarien: Andreas Woelm züchtet Stichlinge auf seinem Balkon
Naturschutz in Schwerte
Manche halten bunte Guppys im Warmwasser-Aquarium. Andere setzen wertvolle Kois in ihren Gartenteich. Andreas Woelm hat sich einem Allerweltsfisch verschrieben: Er will den Stichling retten.
Er kämpft mit Stacheln wie ein Ritter. Er färbt sich rot, wenn er auf Brautschau geht. Und er baut Nester wie ein Vogel – bloß unter Wasser. Vom Dreistacheligen Stichling ist Andreas Woelm fasziniert, seit sein Biologielehrer an der Schultafel von dem damals allgegenwärtigen Bach- und Teichbewohner erzählte.
Mit einem kleinen Kescher haschte sich der junge Schwerter die ersten Exemplare fürs heimische Aquarium heraus. Später wurde der Gartenteich ihr Lebensraum, wo es ihm immer Freude machte, sie zu beobachten.
Plötzlich war der Stichling in vielen Bächen verschwunden
„Doch im Jahr 2008 stellte ich mit Erschrecken fest, dass der Stichling in vielen Gewässern verschwunden ist“, berichtet Andreas Woelm, den viele als den Friseurmeister von Wandhofen kennen.
Er war alarmiert: „So entschloss ich mich, das Projekt ,Stichling‘ ins Leben zu rufen.“ Zunächst als Alleinaktivist züchtete er Jahr für Jahr um die 100 Jungfische in einem eigens angeschafften 250-Liter-Aquarium.

In seinen Aquarien züchtet Andreas Woelm den Dreistacheligen Stichling, um einen Beitrag zum Erhalt der Art zu leisten. © Reinhard Schmitz
Um geeignete Stellen in der Natur zum Aussetzen und Auswildern zu finden, machte er sich auf, um umliegende Bäche zu beobachten. Vom Steinbach unterhalb des Schwerter Waldes bis zum Lohbach und Marksbach in Dortmund-Benninghofen reicht mittlerweile das Revier, wo der Schwerter gleichzeitig Müll einsammelt.
Immer wieder angelt er Hände voll herumschwimmender Zigarettenkippen heraus, die mit ihren Nikotin-Ausscheidungen das Wasser verseucht hätten, das die Stichlinge durch ihre Kiemen atmen.
Mittlerweile hat das Projekt zehn Mitstreiter
Was den Erfolg dieser Mühen bedrohte, waren die Folgen der Corona-Jahre. Die wiederkehrenden Lockdowns mit fehlenden Freizeitmöglichkeiten ließen viele die Natur entdecken. Auf seinen Streifzügen an den Gewässern entdeckte der Schwerter zunehmend Menschen, die ihre Hunde spazieren führten.
Das Problem: Beim Baden zerstörten die Vierbeiner unbeabsichtigt die Nester, die die Stichlinge unter Wasser gebaut hatten. Am Steinbach beispielsweise, wo er 2009 bis 2020 den Bestand mühsam erhalten hatte, musste er danach feststellen: „Da waren keine mehr drin.“

Die Natur ist der Baumeister für die Aquarien, in denen Andreas Woelm die Stichlinge aufwachsen lässt. Sie bieten den Fischen genug Möglichkeiten, sich zu verstecken. © Reinhard Schmitz
Doch der Naturschützer gab nicht auf. Inzwischen hat er rund zehn Mitstreiter um sich geschart, die sich in einer WhatsApp-Gruppe austauschen. „Viele Projektteilnehmer stellen ihre Teiche zur Verfügung“, berichtet er. Dort können Stichlinge aus verschiedenen Bächen aufwachsen, was dem Erhalt der genetischen Vielfalt diene.
Mit deren Gesetzmäßigkeiten kennt sich Andreas Woelm bestens aus. Denn seit frühester Jugend züchtet er genauso liebevoll und erfolgreich besondere Kaninchen, Hühner und Kanarienvögel. Die Tiere fühlen sich merklich wohl in seinem Zuhause, das einem kleinen Zoo gleicht. Ach ja, auch Katzen schnurren dort.
Stichlings-Aufzucht auf dem Balkon
Den Außenbalkon füllt mittlerweile eine ganze Batterie von Aquarien zur Stichlings-Aufzucht. Überall gluckern Pumpen, um die Lebenswelten frisch zu halten, in denen Stichlinge verschiedener Größen durch einen Urwald aus Wasserpflanzen hin und her flitzen.
Die meisten der Fische sind im fortgeschrittenen Sommer aber schon wieder in Freiheit, um schwächelnde Bestände in Gewässern zu ergänzen. So wie die Tausenden, die Andreas Woelm gerade noch rechtzeitig aus dem Westheider Bach in Iserlohn gerettet hat, der in der warmen Jahreszeit ausgetrocknet war. In den letzten Lachen schnappten sie nach Luft.

Seit er in Schülerzeiten den Dreistacheligen Stichling kennenlernte, ist Andreas Woelm fasziniert von dem kleinen Fisch. © Reinhard Schmitz
Als „Babykost“ für seine frisch geschlüpften Stichlinge hat der Schwerter eine kleine Wasserfloh-Zucht aufgebaut. Andere Nahrung muss er immer frisch zukaufen. Dann kam die Ukraine-Krise. „Durch die hohen Energiekosten ist das Projekt jetzt gefährdet“, sagt Andreas Woelm.
Um seine Erfahrungen zu sichern, hat er im Eigenverlag ein kleines, reichbebildertes Buch herausgebracht. Es heißt: „Meine Jahre mit Stichlingen – Tipps zur Haltung und Pflege in Mini-Biotopen“ und entführt in eine Unterwasserwelt, die viel zu schade wäre, um unterzugehen. Wer sich für das Projekt interessiert, erreicht Andreas Woelm (oder seinen Anruf-Beantworter) unter Tel. (02304) 2701.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
