Dr. Christoph Schmidt (l.) und Dr. Andreas Engelhardt mit den Fläschchen, in denen die rund 16.000 Impfdosen waren, die sie in ihrer Praxis seit Beginn der Impfaktion bereits verimpft haben.

© Heiko Mühlbauer

Lieferschwierigkeiten bei Biontech: Praxis muss 250 Patienten wegschicken

rnCorona-Impfung

Mal kommt der Impfstoff nicht, mal ändern sich die Regeln: Mit der Leistung der Politiker sind Hausärzte aus Hennen alles andere als zufrieden. Doch in all dem Wahnsinn gibt es auch Hoffnung.

Schwerte

, 23.12.2021, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Am Dienstagmittag ist es in der Hausarztpraxis ruhig. Die letzten Patienten des Vormittags verlassen gerade das Ärztehaus in Hennen. Für die Mediziner bedeutet das Mittagspause. Das ist in diesen Zeiten nicht üblich. „Gestern standen sie hier noch bis vor der Tür“, sagt Dr. Christoph Schmidt.

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Seit Beginn der Booster-Impfungen werden hier an vier bis fünf Tagen in der Woche über 1000 Patienten geimpft. Das große Ärztehaus in Hennen macht das möglich. Doch die Belastung für das Personal sei schon sehr hoch. Und Hilfe von Bund und Land ist nicht zu erwarten. In der Arztpraxis fühlt man sich als Spielball von Ständiger Impfkommission (Stiko) und Politik.

Termine wurden bereits im Oktober vereinbart

„Wir haben in den vergangenen zwei Wochen 250 Patienten wegen des fehlenden Biontech-Impfstoffes abgesagt“, ärgert sich Christoph Schmidt. Denn der komme nicht so zuverlässig, wie es die Politik zuletzt behauptet hatte. Und das ist nicht das einzige Problem: „Wir haben bereits im Oktober 2.000 Termine freigegeben“, erklärt er.

Dabei habe man natürlich zunächst nicht aufs Alter geachtet. Dann kam plötzlich die Anweisung: kein Moderna mehr an Patienten unter 30. Wie man das dann regelt, wurde den Praxen überlassen. Und Biontech wurde nicht so zuverlässig geliefert, dass man damit alles auffangen hätte können.

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16.000 Impfungen wurden seit Beginn der Pandemie in der hausärztlichen Gemeinschaftspraxis in Hennen verabreicht. Die Fläschchen, in denen der Impfstoff geliefert wurde, haben die Bediensteten aufgehoben. „Vielleicht machen wir ja mal ein Kunstwerk daraus“, sagt Dr. Andreas Engelhardt. An Spitzentagen waren 1.700 Menschen zum Impfen im Ärztehaus.

Am Anfang kamen Patienten mit Reisebussen

Das Impf-Engagement geht weit über den Patientenkreis hinaus. „Ganz am Anfang, als wir mit dem Impfen begonnen haben, kamen sogar Patientengruppen von außerhalb mit dem Reisebus“, erzählt Christoph Schmidt. „Einmal sogar eine Fußballmannschaft aus Düsseldorf. Da haben wir noch mit Johnson&Johnson geimpft. Die haben direkt danach gefeiert, weil die Pandemie ja jetzt vorbei sei.“

Diese Anfangseuphorie ist vorbei, die Impfaktion nicht. Und auch nicht vorbei sind die Schwierigkeiten mit der Beschaffung des Impfstoffs und der Organisation der Termine. „Ich frage mich, warum man in der gesamten Zeit nicht ein einheitliches Terminsystem schaffen konnte, das alle Ärzte nutzen können“, sagt Christoph Schmidt.

Schließlich sei ja nun genügend Zeit vergangen. Im Hennener Ärztehaus gab es mit Andreas Engelhardt einen Kollegen, der so etwas programmieren konnte. Aber was ist mit Hausärzten, die nicht so vertraut mit dem Computer sind? Schließlich ist die Ärzteschaft eher überaltert.

Frust landet immer bei den Arzthelferinnen

Der Frust der Patienten, die wieder weggeschickt werden oder lange auf ihre Impftermine warten müssen, entlädt sich am Ende nicht bei den Ärzten, sondern bei den Arzthelferinnen. Die müssen die „Kundschaft“ vertrösten, wenn die Impfstofflieferung fehlt, oder erklären, warum man diese oder jene Anweisung von Politik oder Stiko nicht direkt umsetzen kann.

Dann kommt beispielsweise am Freitagabend die Nachricht, dass Montagmorgen nicht genügend Biontech zur Verfügung steht. Da gibt es kaum eine Chance, noch Termine umzulegen. „Ich hätte mir gewünscht, dass es auch einmal einen Corona-Bonus für Arzthelferinnen gegeben hätte“, erklärt der Seniorpartner der Praxis, Dr. Werner Graser.

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Doch bei allem Ärger sehen die Ärzte das Impfen und Boostern im Moment als einzige Hoffnung in der Corona-Pandemie an. Auch wenn es in ihrer Patientenkartei genau so wie anderswo Impfverweigerer gibt. „Manchmal hoffe ich, dass es weniger gibt als woanders, wegen unserer guten Aufklärung“, sagt Christoph Schmidt.