
Grabungsleiter Frederik Heinze kann schon erste Funde der Grabungen an der Kampstraße präsentieren. Die Tonscherben aus Siegburger Steinzeug stammen aus dem 14. oder 15. Jahrhundert. © Reinhard Schmitz
Geheimnisvolle Unterwelt: Archäologen graben nach Abriss am Cavaplatz
Fußgängerzone Schwerte
Auf dem Abrissgrundstück zwischen Kampstraße und Cavaplatz in Schwerte sind Archäologen unterwegs auf den Spuren des Mittelalters. Erste Funde gibt es.
Keiner wusste mehr von ihrer Existenz. Mehr als ein halbes Jahrtausend schlummerten sie unter der Erde. Erst der Abriss des schiefen Fachwerkhäuschens an der Kampstraße brachte die Tonscherben eines Gefäßes wieder ans Tageslicht, das die alten Schwerter zum Aufbewahren von Wasser oder Öl benutzt haben.
„Das ist Siegburger Steinzeug aus dem 14./15. Jahrhundert“, erklärt Archäologe Frederik Heinze, als er die Bruchstücke vorsichtig aus einem beschrifteten Plastikbeutel holt. So professionell verarbeitet sind sie mit ihrer glatten Oberfläche, dass sie absolut flüssigkeitsdicht waren.
Das Baugrundstück lag an mittelalterlicher Hauptverkehrsachse
Das kann man von einer anderen, dunklen Scherbe nicht sagen. Sie gehörte – so der Experte – zu einem Kugeltopf aus einheimischer Produktion. Der wurde ähnlich wie bei Schau-Handwerksständen auf Mittelaltermärkten aus Tonwürsten geformt und einfach in einem offenen Feuer gebrannt. Schnell eine Suppe kochen und löffeln, dafür reichte diese Qualität. Für längere Lagerung nicht, dann wären die Wände schnell durchfeuchtet worden.

Die Archäologen legen derzeit den Keller des verschwundenen Fachwerkhäuschens an der Kampstraße frei, der beim Abriss teilweise auch mit Schutt verschüttet worden ist. © Reinhard Schmitz
Was wird der Boden unter dem Grundstück zwischen Cavaplatz und Kampstraße, dessen Altbebauung der Abrissbagger für das geplante Wohn- und Geschäftshaus plattmacht, noch mehr über das Leben im früheren Schwerte erzählen können?
Diesen Geheimissen ist das Grabungsteam der Dortmunder Firma Eggenstein Exca mit Spaten, Kelle und Bürste seit etwas mehr als einer Woche auf der Spur. Im Auftrag des Bauherrn und unter Fachaufsicht der Archäologie des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) kämpfen sie sich Schicht für Schicht in den Untergrund vor. Für viele Fachstudenten, die Frederik Heinze anleitet, ist es eine willkommene Gelegenheit, Praxiserfahrung nicht nur in Griechenland sammeln zu können.

Hinter dem Keller des abgerissenen Fachwerkhäuschens zeigen die Plastikplanen weitere Flächen an, die von den Archäologen untersucht werden müssen. © Reinhard Schmitz
Die künftige Baufläche am Rand der Fußgängerzone war schon im Mittelalter bewohnt. Sie lag – so weiß Frederik Heinze – an der Hauptverkehrsachse von der Hüsing- zur Ostenstraße: „Hier ist die Hinterhof-Bebauung der Besiedelung.“
Kleinste Verfärbungen im Erdreich geben den Archäologen Hinweise, wo sich das Graben besonders lohnt. Beispielsweise auf Gruben, in denen die Vorfahren Vorräte aufbewahrten oder in denen sie Abfall entsorgten. Eigentlich müsste man auch auf einen oder mehrere Brunnen stoßen. Denn man lebte an dieser Stelle, die gut vor Überschwemmungen geschützt war, ziemlich weit entfernt von der Ruhr, um ständig Wasser aus dem Fluss heranzuschleppen.

Scherben von Siegburger Steinzeug aus dem 14. oder 15. Jahrhundert haben die Archäologen bereits gefunden. Das Material ist so gut verarbeitet, dass es flüssigkeitsdicht ist. © Reinhard Schmitz
„Es ist mit richtig vielen Hinterlassenschaften im Boden zu rechnen“, glaubt Wolfram Essing-Wintzer vom Referat für Mittelalter- und Neuzeit-Archäologie beim LWL in Münster. Schließlich sei Schwerte schon im 10. Jahrhundert urkundlich im Werdener Urbar erwähnt. Eigentlich hatte er sich erhofft, auf dem Gelände am Cavaplatz mehrere alte Oberflächenniveaus einer komplexen Siedlungsstruktur freilegen zu können.
Dieser Wunsch erfüllte sich jedoch nicht. Denn schon nach 40 bis 50 Zentimetern sei man auf gewachsenen Boden gestoßen. „Aber es sind viele Erdgruben drin“, sagt er. Die Frage ist: „Wer hat sie zu welchem Zweck angelegt?“ Bis das gesamte Baufeld abgesucht sei, rechne er eher in Monaten als in Wochen.

Die weiteren Flächen für die Ausgrabungen sind schon von einem Bagger abgezogen und mit Folie abgedeckt. © Reinhard Schmitz
Die archäologischen Untersuchungen sind ein übliches Verfahren, wenn Bauvorhaben in Stadtkernen angekündigt werden. „Dann prüfen wir, ob archäologische Befunde gefährdet sind“, erklärt Wolfram Essing-Wintzer. Das laufe einvernehmlich mit dem Bauherrn, mit dem man sich auch rechtzeitig abgesprochen habe. Die Funde werden akribisch dokumentiert und fotografiert.
An Stellen, wo es beispielsweise die spätere Anlage von Parkflächen erlaubt, werden sie auch gar nicht angetastet, sondern nur mit einer Vliesdecke geschützt und erhalten. Damit spätere Generationen dort noch Erkenntnisse gewinnen können, falls die heutigen Neubauten eines Tages auch wieder abgerissen werden.
Reinhard Schmitz, in Schwerte geboren, schrieb und fotografierte schon während des Studiums für die Ruhr Nachrichten. Seit 1991 ist er als Redakteur in seiner Heimatstadt im Einsatz und begeistert, dass es dort immer noch Neues zu entdecken gibt.
