Gerichtsurteil
Abwassergebühren sind rechtswidrig – wird es auch in Schwerte billiger?
Mit Abwasser verdienen Städte Geld, auch die Stadt Schwerte. Doch die hohen Gebühren sind so nicht rechtens, urteilte das Oberverwaltungsgericht. Die Stadtwerke wollen aber erstmal abwarten.
Am 17. Mai hat das Oberverwaltungsgericht Münster in einem Verfahren die in vielen Städten übliche Kalkulation der Abwassergebühren für unzulässig erklärt. Vor allem die bei der Berechnung der Zinsen angesetzte langfristige Durchschnittsrendite von 50 Jahren hatten die Richter als überhöht bemängelt. Allenfalls zehn Jahre könne man ansetzen, um einen Durchschnittszins zu ermitteln. Damit sinken diese fiktiven Zinssätze, die in die Abwassergebühren einfließen, um nahezu die Hälfte.
Immer bis zur gesetzlichen Grenze ausgereizt
Auch in Schwerte hat man die Kalkulatorischen Zinsen in der Vergangenheit immer bis zur gesetzlich zulässigen Grenze ausgereizt. Ein Grund dafür liegt darin, dass der Schwerter mit seiner Abwassergebühr für den maroden Stadthaushalt mit bezahlt. Und das, obwohl es sich bei den Kosten für Abwasser um Gebühren handelt. Das heißt: Rechtlich darf man dem Kunden nur das in Rechnung stellen, was man auch an Aufwand hatte. Aber es gibt eben auch da Möglichkeiten. Eine ist der kalkulatorische Zinssatz.
Zinsdurchschnitt der letzten 50 Jahre
Das Geheimnis liegt in der Verzinsung der bereits vorhandenen Kanäle. Denn da dürfen die Städte oder im Fall Schwerte die von ihnen beauftragte Tochterfirma, sogenannte kalkulatorische Zinsen ansetzen. Sie dürfen quasi das Geld vom Kunden verlangen, das sie eingenommen hätten, wenn sie statt Kanäle zu bauen, ihr Geld auf die hohe Kante gelegt hätten.
Und weil ein Kanal ja ein relativ langlebiges Wirtschaftsgut ist, durfte man auch die Zinsen aus vielen Jahrzehnten ansetzen. Zur Berechnung wurde ein durchschnittlicher Zinssatz der letzten 50 Jahre herangezogen. Und da es früher für das Gesparte viel Geld gab, lag der kalkulatorische Zinssatz bei über 5 Prozent, während man heute bei manchen Banken bereits Strafzinsen gezahlt hätte.
Ein Vorschlag aus dem Haushaltssanierungsplan
Die Idee, auf diese Art Geld für die Stadtkasse zu generieren, stammt übrigens nicht von den heimischen Politikern, sondern von der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA), die als Mittelbehörde über die kommunalen Finanzen wacht. Die hatte die Erhöhung der kalkulatorischen Zinsen einst für den Haushaltssanierungsplan vorgeschrieben. Die Politiker nahmen den Vorschlag aber gerne an.
Die GPA rechnete den Kommunen auch vor, wie hoch sie die Zinsen ansetzen darf. 2021 waren es exakt jene 5,42 Prozent. Für das Jahr 2022 sind 5,242 Prozent angesetzt, und auch das ist der Höchstsatz, wenn man nicht besondere Umstände nachweisen kann.
Stadtwerke wollen Urteilsbegründung abwarten
Doch was passiert jetzt mit den Schwerter Gebühren? Da halten sich die Stadtwerke, zu denen die SEG gehört, eher bedeckt. Auf Anfrage der Redaktion hieß es: „Durch die Änderung der Rechtsprechung wird eine Überprüfung der bisherigen Gebührenkalkulation, vor dem Hintergrund der neuen Rechtsvorgaben des OVG NRW, nach Vorlage des Urteils durch den Abwasserbetrieb Schwerte erfolgen. Hierzu muss das Urteil samt Begründung vorliegen. Aus der Urteilsbegründung wird dann ersichtlich, inwiefern der Sachverhalt auf Schwerte übertragbar ist. Sollte das Urteil auch auf Schwerter Verhältnisse übertragbar sein, werden die Widersprüche sukzessive bearbeitet. Hiernach wird das weitere Vorgehen geprüft.“
Bund der Steuerzahler riet zum Widerspruch
Der Bund der Steuerzahler, der das Musterurteil begleitete, hatte immer wieder darauf hingewiesen, dass man gegen die Abwassergebühren Widerspruch einlegen solle. Denn der Bescheid, der Gegenstand des Verfahrens war, stammte aus dem Jahr 2017. Nur wer seitdem immer Widerspruch eingelegt hat, kann von der kompletten Erstattung profitieren, wenn sie denn kommt.
Anfrage der Grünen
Die Grünen haben übrigens im Wirtschaftsausschuss eine Anfrage an die Kämmerei gestellt. Denn neben den Abwassergebühren sind auch der städtische Haushalt, die Jahresbilanz der SEG und vielleicht auch andere städtische Infrastruktur, für die man kalkulatorische Zinsen ansetzt, betroffen.
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