Stadtwerkechef Sebastian Kirchmann (r.) erläuterte dem Verwaltungsrat der AÖR Abwasser die Alternativen: Wenn das Urteil Bestand hat, gibt es keine Ausschüttung aus dem Abwasserbetrieb an die Stadtkasse mehr.

Stadtwerkechef Sebastian Kirchmann (r.) erläuterte dem Verwaltungsrat der AÖR Abwasser die Alternativen: Wenn das Urteil Bestand hat, gibt es keine Ausschüttung aus dem Abwasserbetrieb an die Stadtkasse mehr. © Stadtwerke/Schmitz

Abwassergebühren: Bürger oder Stadt – eine Partei geht leer aus

rnOVG-Urteil

Im Mai hat das Oberverwaltungsgericht entschieden, dass die Abwassergebühren zu hoch angesetzt sind. Das gelte auch für Schwerte. Doch vorerst gibt es keine Entlastung für Schwertes Bürger.

Schwerte

, 13.08.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 2 min

Im Mai entschied das Oberverwaltungsgericht Münster, dass die Kalkulatorischen Zinsen, die von der Stadt Oer-Erkenschwick in ihre Abwassergebühren eingerechnet waren, zu hoch seien.

Dieses Urteil könnte auch die Stadt Schwerte in finanzielle Schwierigkeiten bringen, denn auch Schwerte rechnet mit zu hohen kalkulatorischen Zinsen. Und das wird wohl vorerst so bleiben. Denn auch wenn ein Oberverwaltungsgericht entschieden hat, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

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Am Dienstagabend tagte der Verwaltungsrat des Schwerter Abwasserbetriebes und entscheid, dass man zunächst einmal nichts ändern werde. Die Stadt Oer-Erkenschwick hat nämlich Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Erst wenn die entschieden ist, sehe man deutlicher, so Stadtwerkechef Sebastian Kirchmann. Allerdings wolle man sich gleichzeitig extern beraten lassen.

1,3 Millionen Euro für die Stadtkasse

Die Zwickmühle: Die Stadt verdient derzeit mit ihrem Abwasser Geld. Denn auch wenn es sich bei der Entsorgung um Gebühren handelt, also dem Bürger nur der Aufwand in Rechnung gestellt werden darf, macht der Abwasserbetrieb Gewinn. Und die sind gar nicht so niedrig.

2,7 Millionen Euro verdiente man im Jahr 2021. Davon werden 1,3 Millionen Euro an die Stadtkasse überwiesen, der Rest geht in die Rücklagen.

Kalkulatorische Zinsen über 50 Jahre berechnet

Das Geheimnis des Gewinns heißt kalkulatorische Zinsen. Beim Abwasser darf man einen fiktiven Zins mit einkalkulieren, der ausgleicht, was die Städte erwirtschaftet hätten, wenn sie statt Kanäle zu bauen, ihr Geld angelegt hätten. Dieser Zinssatz wurde aus den Zinsen der vergangenen 50 Jahre berechnet. Und da kam einiges zusammen.

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Lange Jahre hatten auch die Gerichte dieses Rechenmodell, das die Stadt auch bei anderen Leistungen anwendet, so abgesegnet. Im Mai hieß es aber plötzlich: Höchstens ein Mittel der vergangenen zehn Jahre dürfe man für die Berechnung der kalkulatorischen Zinsen bilden. Damit würde der Satz um die Hälfte sinken.

Wenn das Urteil Bestand hat, fehlen 1,3 Millionen

Was das für die Stadtkasse heißt, machte Sebastian Kirchmann in seinem Vortrag deutlich. Wenn man diese Berechnung auf das Jahr 2022 anwenden müsse, weil das Urteil Bestand hat, dann werde es weniger Rücklagen geben und die Stadtkasse ginge leer aus.

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Aktuell rechnet der Schwerter Abwasserbetrieb aber weiterhin mit dem von der Gemeindeprüfungsanstalt empfohlenen kalkulatorischen Zinssatz von 5,2 Prozent. Der liegt bereits 0,2 Prozentpunkte unter dem aus dem Vorjahr, aber eben noch weit über dem zehnjährigen Mittelwert. Der betrüge die Hälfte.

Was das in Zahlen bedeutet, macht Kirchmann deutlich: „In der Gebührenkalkulation und der Gebührennachkalkulation wird das anrechenbare Gesamtkapital des Abwasserbetriebes, hier rund 53,04 Mio. Euro für das Wirtschaftsjahr 2021, auf Basis der Empfehlung der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen mit einem Zinssatz in Höhe 5,42% verzinst und mit rund 2,875 Mio. Euro in den betriebsnotwendigen Aufwendungen in den Kalkulationen ausgewiesen.“ Dieser Betrag würde nach dem Urteil halbiert.

600 Widersprüche pro Jahr gegen Gebühren

Seit Jahren empfiehlt der Bund der Steuerzahler, gegen die Abwassergebühren Widerspruch einzulegen. Jährlich seien rund 600 Widersprüche beim Abwasserbetrieb eingegangen, so Kirchmann. Diese Menschen würden jetzt informiert.

In Schwerte ist die Abwasserentsorgung als Anstalt öffentlichen Rechts organisiert. Geschäftsführer ist der Chef der Schwerter Stadtwerke, Sebastian Kirchmann. Deren Vertragspartner ist die Stadtentwässerung Schwerte, eine Tochter der Stadtwerke, die für das Kanalnetz und die Straßensanierung zuständig ist.