Seit über zehn Jahren steht das Haus, dessen Rückseite an den Westhofener Marktplatz grenzt, leer.

Seit über zehn Jahren steht das Haus, dessen Rückseite an den Westhofener Marktplatz grenzt, leer. © Heiko Mühlbauer

Schrott-Haus: 40.000 Euro geboten und dann nie etwas gezahlt – eine Enteignung ist kaum möglich

rnReichshofstraße 95

Das Haus Reichshofstraße 95 ist seit Jahren nicht mehr bewohnt und verfällt. Das ärgert die Nachbarn des Gebäudes. Sie fordern Hilfe von der Stadt, aber die kann nicht so einfach eingreifen.

Schwerte

, 29.07.2022, 05:00 Uhr / Lesedauer: 3 min

Rund 240 Unterschriften hat Thomas Hörner vor Jahren gesammelt und gefordert: Der Denkmalschutz für das Gebäude Reichshofstraße 95 muss aufgehoben werden. Denn das rund 200 Jahre alte Fachwerkhaus wird immer baufälliger. Das ärgert Hörner vor allem, weil er direkt daneben ein Mehrfamilienhaus besitzt.

Brief an den Bürgermeister

Jetzt hat er erneut einen dringenden Brief an Bürgermeister Dimitrios Axourgos geschrieben. Denn seit Jahren passiere hier nichts. „Der Schandfleck von Westhofen vegetiert weiter vor sich hin, etwas verdeckt von einer Birke, die inzwischen in der Haustür wächst“, schreibt Hörner. Unterstützung erhält er von den anderen Nachbarn. Auch sie ärgern sich über die Bauruine mitten in Westhofen.

Thomas Hörner (l.) und eine Reihe von Nachbarn ärgern sich seit Jahren über das Schrotthaus mitten im Zentrum von Westhofen.

Thomas Hörner (l.) und eine Reihe von Nachbarn ärgern sich seit Jahren über das Schrotthaus mitten im Zentrum von Westhofen. © Heiko Mühlbauer

Doch ganz so einfach wird es für die Stadtverwaltung vermutlich nicht, etwas zu tun. Denn die Besitzverhältnisse der Immobilie seien nicht geklärt, hieß es aus der Stadtverwaltung. Und eine Klärung ist offensichtlich von Seiten der Besitzer auch gar nicht gewollt. Denn bislang haben die neuen Besitzer nicht einmal den Kaufpreis bezahlt. Gleichzeitig haben sie aber dafür gesorgt, dass es rechtlich äußerst schwierig wird, ihnen die Immobilie wieder wegzunehmen.

40.000 Euro geboten, nicht einen Cent gezahlt

Im Herbst 2019 war das Haus versteigert worden. Ein Euro betrug der Verkehrswert. Denn das Haus war zwar damals schon abrissreif, durfte aber nicht abgerissen werden, weil es unter Denkmalschutz steht. Die städtische Immobiliengesellschaft wollte es gerne ersteigern, auch damit ein Schandfleck in Westhofen beseitigt würde.

Jetzt lesen

Doch überraschenderweise bot eine Firma aus Großbritannien 40.000 Euro und erhielt damit den Zuschlag. Normalerweise muss ein Bieter zehn Prozent des Verkehrswertes als Sicherheitsleistung nachweisen, wenn er an einer Zwangsversteigerung teilnimmt. Das entfällt aber bei Schrottimmobilien mit geringem Wert.

Mittlerweile wächst eine Birke im Eingang des Gebäudes.

Mittlerweile wächst eine Birke im Eingang des Gebäudes. © Heiko Mühlbauer

Bieter war in der Szene kein Unbekannter

Insider mutmaßten schon damals, dass nach dieser Versteigerung kein Cent fließen würde. Denn der Deutsche Unternehmer, der für die „Pegasus Property Nr. 8 Limited“ als Bieter auftrat, war in der Szene kein Unbekannter. Die Pegasus selbst hatte ihren Geschäftssitz in einem Haus in Manchester, dass hauptsächlich als Bordell und Kramladen genutzt wird.

Jetzt lesen

Offensichtlich wurde das Gebäude dann schnell an eine andere in Großbritannien eingetragene Firma vermietet, ohne dass der Kaufpreis gezahlt wurde. Anschließend firmierte die Pegasus um. Als neuer Geschäftsführer wird im Handelsregister ein Pakistani mit Meldeadresse in Bangladesch eingetragen.

Das Ganze hat System: Denn nun ist es nahezu unmöglich, den Besitzer zu enteignen, denn dafür braucht man eine zustellfähige Postadresse.

So sah das Haus vor acht Jahren aus. Auch damals war schon vieles verfallen.

So sah das Haus vor acht Jahren aus. Auch damals war schon vieles verfallen. © Reinhard Schmitz (A)

Welche Masche dahinter steckt, kann man nur anhand anderer Fälle vermuten. Dort hatte die Firma, die als Käufer auftrat, jahrelang nicht gezahlt. So lange, bis das Haus so baufällig war, dass der Denkmalschutz aufgehoben wurde. In diesem Augenblick stimmt der Käufer einer erneuten Zwangsversteigerung zu.

Da das Gebäude aber langfristig vermietet ist, lohnt es sich für normale Investoren nicht, die Schrottimmobilie zu ersteigern. Schließlich will niemand aufwendig die Mieter herausklagen oder finanziell abfinden. Also tritt erneut eine britische Firma auf, die dann das Gebäude für einen Mindestpreis ersteigert. Und der Mieter, zumeist eine Firma aus dem Firmengeflecht der Käufer, tritt plötzlich vom Mietvertrag zurück.

Jetzt lesen

Kleiner Personenkreis, aber viele Firmen

Das Grundstück, nun ohne den Denkmalschutz, kommt auf den Markt und wird gewinnbringend verkauft. Dass alle beteiligten Firmen letztlich dem gleichen kleinen Personenkreis gehören, ist klar. Im Fall der Pegasus und ihrer Schwesterfirmen handelt es sich übrigens hauptsächlich um zwei Deutsche, einen Briten und den Pakistani, die als natürliche Personen in den britischen Handelsregisterauszügen auftauchen. Einer der beiden Deutschen trat auch als Bieter vor dem Schwerter Amtsgericht auf.

Haus steht seit 1992 unter Denkmalschutz

Seit 1992 steht das Haus, das 1827 errichtet wurde, unter Denkmalschutz. Als es 1997 einen neuen Besitzer erhielt, begann der Abstieg. 2003 ordnete das Amtsgericht erstmals eine Zwangsversteigerung an, weil Schulden aufgelaufen waren. Doch sowohl bei diesem wie auch bei vielen weiteren Versuchen fand sich kein Käufer. Der Zustand der Immobilie wurde immer bedenklicher. Als im Herbst 2010 die letzten Mieter auszogen, verfiel das Haus vollends.

Jetzt lesen

Seitdem wurde es mehrfach zwangsversteigert, doch keiner der Bieter änderte was am Zustand der Immobilie. Und nicht immer wurde das Gebot überhaupt bezahlt. Thomas Hörners Brief an den Bürgermeister wird wohl noch ein paar Tage unbeantwortet bleiben. Denn Axourgos sei noch im Urlaub, erfuhr der Westhofener.

Jetzt lesen