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Zehnte Wolfsattacke bei Kurt Opriel - keine einfache Lösung in Sicht
Wolfsgebiet Schermbeck
Ein trächtiges Mutterschaf von Kurt Opriel wurde am Mittwoch gerissen - vermutlich ist es die zehnte Wolfsattacke allein bei ihm. Darum gibt es beim „Wolfs-Problem“ keine einfache Lösung.
Der Hünxer Kurt Opriel ist der Schäfer im Wolfsgebiet Schermbeck, der am häufigsten „Besuche“ der niedergelassenen Wölfin mit blutigen Folgen verzeichnet. Gegen 7.30 Uhr wurde am Mittwoch der Riss an der Weide am Hohen Wardweg in Hünxe festgestellt. Vermutlich ist der Riss gegen 5.10 Uhr passiert, denn eine Überwachungskamera hat, soweit man das auf der dunklen Aufnahme erkennen kann, wohl einen Wolf fotografiert, der am Zaun der Weide steht. Ob es sich um die Wölfin GW954f oder ihren Bruder handelt, ist nicht zu erkennen.

Das Foto der Wildkamera zeigt vermutlich einen Wolf am Zaun der Weide, auf der ein Schaf getötet wurde. Ob es sich um die Wölfin oder ihren Bruder handelt, ist nicht zu erkennen. © privat
Christiane Rittmann, die für die AG Wolf des Gahlener Bürgerforums wie in solchen Fällen immer ein Protokoll angefertigt hat, notierte, dass ein 1,22 Meter hoher Zaun (Elektronetz mit 5000 Volt Strom) die Herde (jetzt noch 16 Schafe) geschützt habe. „Herdenschutz erfüllt“, so ihre Einschätzung. Untergrabungen des Zauns seien nicht festgestellt worden, also müsse der Wolf den Zaun übersprungen haben.
Das trächtige Mutterschaf wurde per Kehlbiss getötet, Teile der Luftröhre seien herausgerissen, so Rittmann. Die Innereien des Mutterschafs wurden ebenfalls herausgerissen, teilweise gefressen, ebenso wie Muskelfleisch. Etwa 7 Kilogramm fehlten, so Rittmann. Proben wurden entnommen - vielleicht lässt die DNA einen eindeutigen Schluss zu, ob und welcher Wolf verantwortlich ist.
Streit um Umgang mit Wölfin
Um die Wölfin GW954f, vom Ex-Landrat Ansgar Müller „Gloria von Wesel“ getauft, streiten Wolfsbefürworter und -gegner seit Jahren. Der neue Landrat Ingo Brohl hatte kürzlich die Entnahme gefordert - wie viele Schafhalter der Region.
Simon Bremer, Ratsmitglied der Schermbecker FDP, stellte zur Ratssitzung am Mittwoch einen Dringlichkeitsantrag, dass der Rat eine Resolution zur Entnahme des Wolfs beschließen solle. Auf die Tagesordnung könne man diesen nicht bringen, sagte Bürgermeister Mike Rexforth, da solche Anträge nur bei Fällen, die keinen Aufschub dulden, etwa Katastrophenfällen, vorgesehen seien: Man werde das Thema auf die nächste Sitzung verlegen.
Klage vor dem Verwaltungsgericht
Mehrere Anträge auf Entnahme des Wolfs haben Schafhalter beim Kreis Wesel gestellt. Im Juni 2020 lehnte der Kreis den ersten Antrag ab - dagegen läuft eine Klage vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht. Ausgang ungewiss.
Anfang Oktober 2020, nach zehn Wolfsangriffen allein im August, gab es seitens des LANUV erstmals die Bestätigung von Präsident Thomas Delschen, dass ein auffälliges Verhalten seitens der Wölfin vorliege, wenn sie „in einzelnen Fällen, aber wiederholt auch in offenbar geschützte Weiden eindringt“. Man wolle ein externes Gutachten beauftragen, um diese Einschätzung in Hinblick auf die strengen Anforderungen des Bundesnaturschutzgesetzes abzusichern. Das regelt, das vor einer Entnahme „milde“ Alternativen wie Herdenschutzhunde oder das nächtliche Aufstallen geprüft werden müssen.
Hunde kommen nicht für jeden Schafhalter in Frage
Unermüdlich werben LANUV und Umweltministerin Ursula Heinen-Esser seit der Ausweisung des „Wolfsgebiets Schermbeck“ für Herdenschutz. Zäune scheinen aber nicht zu helfen. Herdenschutzhunde, wie sie Christiane Rittmann in Gahlen etwa mit Erfolg einsetze, kommen hingegen nicht für jeden Hobby-Schafhalter infrage, da ein enger Kontakt zum Menschen wichtig sei - ansonsten könnte ein solcher Hund selbst zum Problem werden und beispielsweise Menschen angreifen.
Mit dem kürzlichen Riss eines Ponys in Kirchhellen wird das Thema um eine weitere Dimension erweitert: Für Pferde gibt es beispielsweise keine Herdenschutz-Förderung. Die nächtliche Aufstallung aller gefährdeten Tiere verstößt nach Meinung vieler Besitzer auch gegen die artgerechte Haltung.
Entscheidung muss rechtssicher sein
Falls eine Entscheidung gegen die Wölfin fallen sollte - wie könnte diese aussehen? Erwartbar wäre zunächst, dass eine solche Entscheidung beklagt und vor Gericht landen würde. „Wenn man das Verfahren verliert, hat man für lange Zeit keine Chance mehr, was zu machen“, sagte Bürgermeister Mike Rexforth im September.
Vergrämen (etwa per Lärm oder Gummigeschossen) würde laut LANUV-Sprecher Peter Schütz das Problem wohl nur verlagern. Beim „Entnehmen“ (Betäuben und woanders hinbringen) gebe es ebenfalls Probleme. In ein Gehege dürfe man den Wolf nicht stecken, so Schütz: „Das wäre Tierquälerei.“ In freier Wildbahn gibt es die Möglichkeit, dass auch da das Problem nur verlagert wird oder der Wolf sogar zurückkehrt.
Bis zu 50.000 Euro Bußgeld
Bliebe als letztes Mittel der Abschuss, der wie die beiden vorher genannten Punkte zunächst voraussetzt, dass man die Wölfin in ihrem großen Revier erst einmal finden muss. Und es gibt noch eine große Schwierigkeit: ihren Bruder. Wer auch immer am Ende den Schuss abgeben würde, müsste sich 100-prozentig sicher sein, dass es wirklich die Wölfin und nicht ihr Bruder ist - anderenfalls würde er eine Straftat begehen!
Eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren wäre dann möglich. Bis zu 50.000 Euro Bußgeld könnten verhängt werden - das gilt auch für das Fangen oder Verletzen eines Wolfs.
Berthold Fehmer (Jahrgang 1974) stammt aus Kirchhellen (damals noch ohne Bottrop) und wohnt in Dorsten. Seit 2009 ist der dreifache Familienvater Redakteur in der Lokalredaktion Dorsten und dort vor allem mit Themen beschäftigt, die Schermbeck, Raesfeld und Erle bewegen.
