Der Wolf ist zurück. Dreimal wurden in Schermbeck Tiere gerissen, an denen Wolfs-DNA gefunden wurde. Dann kommen Wolfsberater wie Niels Ribbrock (45), um Spuren zu sichern und zu helfen.

Dorsten/Schermbeck

, 13.09.2018, 17:15 Uhr / Lesedauer: 9 min

Sechs Schafe im April, ein Hirschkalb im Juli, ein Schaf im August: Das sind die bestätigten Fälle in Schermbeck, in denen ein Wolf Tiere gerissen hat. Oder waren es mehrere Wölfe? Genau weiß man das nicht. Wenn Wölfe gesichtet, vermeintliche Wolfsspuren gefunden oder Tiere gerissen werden, kann man sich an die Wolfsberater wenden. Wie Niels Ribbrock, einer von zwei Wolfsberatern im Kreis Recklinghausen.

Diesen Werkzeugkoffer mit Ausrüstung zum Sichern von Wolfsspuren hat Niels Ribbrock mittlerweile ständig im Kofferraum seines Autos dabei. Denn in der Region, vor allem Schermbeck, hat es drei bestätigte Risse von Wölfen an Nutz- und Wildtieren gegeben.

Diesen Werkzeugkoffer mit Ausrüstung zum Sichern von Wolfsspuren hat Niels Ribbrock mittlerweile ständig im Kofferraum seines Autos dabei. Denn in der Region, vor allem Schermbeck, hat es drei bestätigte Risse von Wölfen an Nutz- und Wildtieren gegeben. © Berthold Fehmer

Niels Ribbrock ist 45 Jahre alt, wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Geschäftsführer der Biologischen Station Kreis Recklinghausen, die in Dorsten-Lembeck liegt. Wolfsberater zu sein, „ist eine ehrenamtliche Tätigkeit“, sagt Ribbrock. Es habe nur indirekt mit seinem Job zu tun, lasse sich aber auch nicht davon trennen.

Intensiv hat er sich seit 2009 mit dem Fischotter beschäftigt, der wie der Wolf nach Nordrhein-Westfalen zurückgekehrt ist. Als 2015, 2016 erste Wolfssichtungen publik wurden, habe das Land Wolfsberater gesucht, und er sich bereit erklärt, sich in seiner Freizeit ausbilden zu lassen, „um beim heiklen Thema Wolf gut aufgestellt zu sein“.

Wolf seit 1835 in Deutschland ausgerottet

1835 wurde der letzte Wolf in Deutschland geschossen. Seitdem war er in Deutschland ausgerottet. „Der Wolf ist eine Art, die ursprünglich hierhin gehört hat“, sagt Ribbrock. Für ihn gilt das auch heute noch: „Die Regulation der Wildtierbestände wird seitdem nur noch durch Menschen gemanagt. Ich bin persönlich der Meinung, dass es Sinn macht, den Wolf wieder hier zu haben.“

An der Umweltschutzakademie hat sich Ribbrock ausbilden lassen. Vier Module gibt es, drei hat Ribbrock schon absolviert. „Wenn man zwei Module abgeschlossen hat, kann man sich in die Liste der Wolfsberater aufnehmen lassen.“ Da er durch seinen Beruf vorgebildet ist, „war das längst nicht alles neu, was einem da beigebracht wird“, sagt Ribbrock.

Den Umgang mit Spuren habe er beispielsweise bereits beim Fischotter gelernt. Wolfsberater seien ein „unglaublich bunter Haufen“: Naturschützer, Jäger, Tierärzte, Mitarbeiter des Landesbetriebs „Wald und Holz“ oder der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, sogar einzelne Schafhalter. Da die Mitarbeiter des Landesamts von Recklinghausen in NRW weite Wege zurücklegen müssten, gebe es in jedem Kreis Wolfsberater, „gut ausgebildete Partner vor Ort“, wie Ribbrock sie nennt.

Wettlauf gegen die Zeit

Wenn die Wolfsberater kontaktiert werden, sind sie bedacht, so schnell wie möglich Spuren zu sichern. „Möglichst frisch, sonst braucht man sie gar nicht mehr nehmen“, sagt Ribbrock. Innerhalb von zwei Tagen müssten diese auf jeden Fall gesichert werden, „sonst ist es unwahrscheinlich, dass man was finden kann.“ Aber es komme auf den Einzelfall an, unter welchen Umständen die Proben genommen werden könnten. „Im Sommer bei 35 Grad und direkter Sonneneinstrahlung wird es schwierig.“

"FTA-Cards" heißen diese Kärtchen, die ein besonderes Gewebe enthalten, das aufgenommenes Wolfsblut bis zur Analyse im Labor konserviert.

"FTA-Cards" heißen diese Kärtchen, die ein besonderes Gewebe enthalten, das aufgenommenes Wolfsblut bis zur Analyse im Labor konserviert. © Berthold Fehmer

Kontaktiert werden die Wolfsberater von Nutztierhaltern, der Polizei, dem Ordnungsamt oder dem Landesamt für Naturschutz - „je nachdem, wo der Erstkontakt aufgelaufen ist“. Ribbrock versucht dann als erstes, telefonisch abzuklären, „ob es überhaupt Sinn macht rauszufahren“. Im März habe etwa ein Autofahrer einen Wolf auf einem Feld laufen sehen. „Da gab es eine knackige Frostlage, der Boden war hart gefroren seit Wochen. Da überlegt man dann: Was mache ich?“

Ziellos rumgucken oder auf eine Losung (Kot) hoffen, „die auch nicht alle paar Meter rumliegt“? In diesem Fall habe er die Meldung als unbestätigten Hinweis aufgenommen. Doch auch wenn Ribbrock Spuren findet und sammelt, ist er als Wolfsberater für die Frage, ob es ein Wolf war oder nicht, nicht zuständig: „Wir nehmen keine Bewertung vor.“ Das ist Aufgabe des Senckenberg-Instituts in Frankfurt am Main.

Wie sehr der Mensch in NRW sich vom Wolf entfernt hat, wird vielleicht auch an folgender Tatsache deutlich. „Nach den bundesweit geltenden Kriterien hat NRW keinen Wolfsexperten“, sagt Ribbrock. Dafür sei eine langjährige Erfahrung mit Wölfen nachzuweisen. „Zwei Wochen Urlaub oder eine Fortbildung in Sachsen reichen nicht für einen Experten-Status.“

Aufgrund der bestätigten Wolfsrisse in Schermbeck hat Ribbrock den Werkzeugkoffer mit Utensilien zur Spurensicherung mittlerweile immer im Kofferraum seines Autos. Vorher hatte der Recklinghäuser den Koffer im Büro in der Biologischen Station stehen. „Noch nicht so akut“, sei die Lage vorher gewesen - jetzt rechnet Ribbrock auch im Kreis Recklinghausen mit dem Auftauchen des Wolfs.

Das befindet sich alles im Koffer, wobei noch ein Fotoapparat, ein GPS-Gerät sowie ein Fernglas als Ausrüstung hinzukommen.

Neben dem Equipment führt der Wolfsberater aber auch noch jede Menge standardisierter Bögen mit, um Beobachtungen, Losungs- oder Spurenfunde zu dokumentieren. Sehr detailliert sind die Fragen darin, „damit man nichts vergisst“, so Ribbrock. Für jedes gerissene Tier gilt es etwa einen eigenen Bogen auszufüllen.

Wolf legt Hunderte Kilometer zurück

An Kreis- oder Landesgrenzen hält der Wolf sich nicht. Sehr große Wanderbewegungen seien vor allem zu verzeichnen, wenn im Frühjahr Jungtiere aus dem ehemaligen Rudel vertrieben würden, sagt Ribbrock. „Sie wandern dann ab und suchen sich ein neues Revier.“ Oft würden sie mehrere hundert Kilometer in eine Richtung ziehen, „in Schleifen-Bewegungen“, dann wieder in Richtung Heimat umkehren und in der Nähe des Ursprungsgebiets heimisch werden.

Woher man das weiß? Es gibt Wölfe, die mit Sendern ausgestattet wurden, etwa Wölfin Naya, die kürzlich von Mecklenburg-Vorpommern durch NRW gewandert ist, „ohne dass sie einer gesehen hat“, und schließlich von ihrem Sender in Belgien gemeldet wurde.

Wie erkennt man einen Wolf?

Kann man als Laie überhaupt zuverlässig einen Wolf in freier Wildbahn erkennen? „Es gibt Hunderassen, die Wölfen sehr ähnlich sehen“ - wie den Tschechoslowakischem Wolfshund. „Es gibt kein eindeutiges Merkmal“, sagt Niels Ribbrock. „Hochbeinigkeit“ sei ein Indiz, lange Beine also, und Wölfe seien in der Regel deutlich größer als Hunde. Auch das Verhalten kann Aufschluss geben: „Ein Hund schnuppert hier, schnuppert da, läuft mal links, mal rechts. Der Wolf zieht fast immer eine schnurgerade Bahn.“ Warum das so ist? „Der Wolf ist auf Energieeffizienz ausgelegt. Er nimmt immer den kürzesten, sparsamsten Weg.“

Dann gebe es noch Fellmerkmale, die in Richtung Wolf deuteten, die Vielfarbigkeit oder der helle „Sattelfleck“ auf dem Rücken. Den Schwanz halte ein Wolf im Vergleich zum Hund eher gerade. Außerdem habe der Wolf relativ lange Ohren und einen breiten Kopf. Ribbrock sagt aber auch: „Wer das von den Proportionen nicht alltäglich sieht, wird das nicht unterscheiden können.“

Lange Beine sind ein Indiz, dass es sich um einen Wolf handeln könnte. Wölfe sind in der Regel größer als Hunde.

Lange Beine sind ein Indiz, dass es sich um einen Wolf handeln könnte. Wölfe sind in der Regel größer als Hunde. © dpa

Zweimal wurde Ribbrock als Wolfsberater gerufen. Doch die Spuren deuteten in beiden Fällen nicht auf einen Wolf hin. Ein gerissenes Tier hatte Niels Ribbrock in seiner Tätigkeit als Wolfsberater noch nicht dabei. Wie verhält man sich als Wolfsberater, wenn man etwa auf einen aufgewühlten Schafzüchter trifft? Wird man dafür ausgebildet? „Ich würde erst mal das Gespräch am Telefon suchen und versuchen, das Ganze zu versachlichen“, sagt Ribbrock. Darauf werde immer wieder in den Seminaren hingewiesen. „Ich würde Verständnis für die Situation des Schafzüchters aufbringen. Für mich ist es auch nicht Ziel, den Wolf zu etablieren, damit er möglichst viele Schafe reißt, Existenzen oder Hobbys erschwert oder langjährige Schafszüchtungen zunichte macht.“

Aber, darauf weist Ribbrock auch hin: „Rechtlich ist die Situation so, dass der Mensch mit dem Wolf leben muss.“ Der Wolf genieße „den höchsten Schutzstatus, den es in Europa gibt“. Als Wolfsberater versuche man, eine Ebene des Vertrauens zu Betroffenen aufzubauen. Und natürlich spreche man auch über Entschädigungsmöglichkeiten und Schutz. „Der Wolf war lange kein Thema. Die Nutztierhalter müssen damit zurecht kommen, dass der Wolf da ist.“

„Ohne Strom geht es nicht“

Ribbrock macht auch deutlich, dass der Wolf nicht nur Schafe und Ziegen reißt. „Der Hauptteil sind Rehe, Wildschweine, Rotwild. Das ist der größte Batzen.“ Das bekomme der Mensch aber nur in den wenigsten Fällen mit. Der Wolf möge es „so einfach wie möglich“. Ungeschützte Ziegen oder Schafe seien eine leichte Beute. Wolfssicher eingezäunt seien sie es nicht mehr. „Ohne Strom geht es nicht“, sagt Ribbrock über solche Zäune, die eine Spannung von 4000 Volt haben müssten. „Das muss weh tun, damit er sich nicht langsam daran gewöhnt, wenn es nur ein bisschen kitzelt.“

Wenn ein Wolf „durch die Lappen geht“...

Die Stromstärke sei etwas höher, als man es etwa von Weidezäunen für Kühe kenne. Mindestens 90 Zentimeter müsse der Zaun hoch sein, „1,20 Meter wird von vielen empfohlen.“ Die unterste Litze der Netzzäune dürfe nicht höher als 20 Zentimeter vom Boden befestigt werden, „da der Wolf zum Untergraben neigt“.

Die niedrige Höhe erfordere einen höheren Aufwand, da der Zaun häufiger freigeschnitten werden müsse. Durch Lappen, Stofffetzen am Zaun, könne der Schutz erhöht werden. „Vor Bewegung im Wind hat der Wolf Angst.“ Die Redewendung „durch die Lappen gehen“ habe übrigens hier ihren Ursprung, wenn ein Wolf sich von den Lappen im Zaun nicht habe aufhalten lassen.

Herdenschutztiere können den Wolf verschrecken

Empfohlen werden auch Herdenschutztiere. Für einen geeigneten Hund („er muss dem Wolf etwas entgegensetzen können“) müsse man tief in die Tasche greifen, sagt Ribbrock. Für eine Ausbildung brauche man Zeit. Das Prinzip sei, dass sich Hund und Herde anfreunden müssten, „der Hund die Schafe als seine Familie ansieht und umgekehrt die Schafe ihn als Teil der Familie ansehen“. Denn dann fühle sich der Hund verantwortlich für die Nutztiere.

Im Vergleich dazu müssten die Tiere vor einem Hütehund eher Respekt haben. „Für Haupterwerbsschafhalter ist der Herdenschutzhund eine gute Variante“, sagt Ribbrock. Doch es gibt noch andere Herdenschutztiere - Esel etwa. „Weil der sich wehrt gegen Wölfe. Esel stellen sich dem Wolf entgegen und keilen mit den Vorderpfoten aus. So können sie dem Wolf schwerste Verletzungen zufügen.“

Die Esel Claus (l.) und Klaus (r.) wurden 2017 in Cuxhaven (Niedersachsen) auf einer Wiese am Deich zum Schutz einer Schafherde gegen Wölfe eingesetzt.

Die Esel Claus (l.) und Klaus (r.) wurden 2017 in Cuxhaven (Niedersachsen) auf einer Wiese am Deich zum Schutz einer Schafherde gegen Wölfe eingesetzt. © dpa

Der Grundgedanke beim Herdenschutztier sei, dass der Wolf dem Risiko aus dem Weg geht. „Der geht lieber in den Busch nebenan und sucht sich ein Reh“, sagt Ribbrock. Wie sieht´s mit Wildschweinen angesichts der derzeitigen Überpopulation und Gefahr durch die die Afrikanische Schweinepest aus? „Die sind in den Top 3 seiner Beutetiere“, sagt Ribbrock. Dass die Wölfe aber in nennenswertem Maße in den nächsten Jahren die Wildschweinpopulation reduzieren können, glaubt Ribbrock nicht. Der Wolf suche sich vor allem die alten und schwachen Tiere aus. „So ein Keiler ist ganz schön wehrhaft, da wird der Wolf erst mal die Finger von lassen.“

Entschädigung für Nutztierhalter

Im Wolfsmanagementplan ist geregelt, dass Nutztierhalter vom Land NRW für vom Wolf gerissene Tiere entschädigt werden. Das sei eine freiwillige Zahlung, einen Rechtsanspruch darauf gebe es nicht, sagt Ribbrock. Der Wert des Tieres, die Tierkörperbeseitigung, eventuelle Arztkosten bei schweren Verletzungen: Solche Kosten könnten übernommen werden. Auch Sachschäden an Zäunen. Bei der Ermittlung der Werte kämen Gutachter ins Spiel. Und das alles gilt nur, so lange es sich um einzelne, durchreisende Wölfe handelt.

In Schermbeck überprüft das Landesamt für Naturschutz derzeit, ob dort ein „Wolfsgebiet“ ausgewiesen wird. Dann werde nur noch entschädigt, wenn der Nutztierhalter die Schutzmaßnahmen ergriffen habe. In einem „Wolfsgebiet“ würden die Schutzmaßnahmen auf Antrag mit bis zu 80 Prozent vom Land gefördert. Falls trotz Schutzmaßnahmen (Zaun) dennoch Wölfe Schäden verursachten, könnten diese auch im Wolfsgebiet vom Land übernommen werden.

Wie verhält man sich in der Nähe eines Wolfs?

Wie verhält man sich eigentlich als Mensch, wenn man plötzlich im Wald einem Wolf gegenüber steht? „Meistens zieht der Wolf sich vorher zurück“, sagt Ribbrock, weil dieser den Menschen vorher bemerke. Sollte aber der Wind mal ungünstig stehen und ein solcher Fall eintreten, solle man sich „groß und laut machen. Und dann vorsichtig zurückziehen“, sagt Ribbrock. Falls man einen Hund dabei habe, könne es „diffiziler werden“, sagt Ribbrock. „Der Hund an der Leine sollte im Wolfsgebiet selbstverständlich sein“. Falls der Hund zum Wolf renne, könne es zu Konflikten kommen. „Da lässt sich schwer vorhersagen, was passiert.“

Auf keinen Fall füttern

Fakt sei auch, so Ribbrock, dass der Prozentsatz von Übergriffen des Wolfs auf den Menschen minimal sei. Hunde oder Wildschweine seien für wesentlich mehr Verletzungen verantwortlich. Auf gar keinen Fall solle der Mensch den Wolf füttern. „Dann lernt er, dass er beim Menschen Futter kriegen kann. Dann sind Konflikte programmiert.“

Das sei vermutlich auch bei zwei jungen Wölfen in Niedersachsen passiert, die wohl aus Autos heraus gefüttert wurden und immer wieder die Nähe von Autos gesucht hätten. Problematisch seien in diesem Zusammenhang auch sogenannte „Luderplätze“, also Plätze, an denen Jäger Fleischreste auslegten, um Tiere anzulocken. Auch Innereien, die beim Aufbrechen liegen gelassen oder nur leicht verscharrt werden, könnten Wölfe anlocken. „Da muss auch die Jägerschaft lernen, sich neue Verhaltensweisen anzueignen.“

Gummigeschosse zur Vergrämung

Gibt es für Niels Ribbrock auch ein Szenario, in dem es nötig werden könnte, Wölfe zu schießen? „Es wird Leute geben, die bereits jetzt schießen.“ Er arbeite aber dafür, dass es wenig Konflikte gebe. Und für Akzeptanz. Wenn Wölfe wie in Niedersachsen die Distanz zum Menschen verloren hätten, sei der Abschuss aber die letzte Alternative. „Da muss man erst alle Möglichkeiten, die rechtlich da sind, ausnutzen.“

Mit Vergrämungsmaßnahmen könne man versuchen, den Wölfen ihr Verhalten abzugewöhnen. Etwa mit Gummigeschossen. „Wenn man einen Wolf sieht, muss er merken, dass es unangenehm wird beim Menschen.“ Bis eine offizielle Abschussgenehmigung erteilt wird, gebe es eine lange, aufwendige Kaskade. „Man muss sich beim Abschuss ja auch sicher sein, dass man genau das richtige Tier im Visier hat.“

Aktives Monitoring in Schermbeck

Wie sieht der Fall in Schermbeck aus? „Da müssen die Fakten auf den Tisch“, sagt Ribbrock. Man wisse zwar, dass im April, Juli und August ein Wolf in Schermbeck war. „Man weiß aber nicht, ob es ein Tier oder vielleicht drei Tiere waren.“ Die genommenen Proben seien nicht gut genug gewesen. „Deshalb kann man nicht sagen, dass man eine Reviergründung hat.“ Falls man ein Tier als Verursacher ermitteln könne, „wird man vielleicht relativ schnell ein Wolfsgebiet ausweisen können“. Wenn es zwei Tiere, vielleicht sogar ein Paar, seien, „dann ist die erste Rudelbildung nicht mehr so weit weg“. Ribbrock betont aber: „So weit sind wir noch nicht.“

Das Landesamt steige deshalb dort auf ein aktives Monitoring um, während man bislang nur auf Meldungen reagiert hatte. So suchen Mitarbeiter des Landes nach weiteren Rissen, außerdem werden Kameras aufgestellt. Für ein Wolfsgebiet müsste mindestens ein Wolf über sechs Monate dort nachgewiesen sein.

110 Quadratkilometer ist Schermbeck groß. Wo soll man da Kameras aufstellen, um Wölfe zu finden? Bereits betroffene Nutztierbestände, die mit einem Herdenschutzset (Stromzaun) ausgestattet wurden, könnten eine Möglichkeit sein, sagt Ribbrock. „Da könnte man sehen, ob er wieder kommt und wie der Wolf auf den Zaun reagiert.“ 110 Quadratkilometer sind in Wolfsmaßstäben etwa so viel, wie ein Rudel für sich in freier Wildbahn beanspruchen würde. Einige Gebiete seien aber prädestiniert für den Wolf, sagt Ribbrock. „Naherholungsgebiete sind für den Wolf uninteressant. Wenn er alle nasenlang auf Menschen trifft, wird er den Raum meiden.“

„Nicht jeder Jagdversuch klappt.“

Beim ersten in Schermbeck nachgewiesenen Wolf überlebte sechs Schafe den Angriff nicht. „Nicht jeder Jagdversuch klappt“, sagt Ribbrock dazu, dass der Wolf in der Regel seinen tödlichen Biss an der Kehle ansetzt und nur für den Eigenbedarf jagt. Da die Schafe innerhalb der Einzäunung nicht flüchten konnten, habe es der Wolf auch bei anderen Tieren probiert. „Bei einem unerfahrenen Tier ist das wahrscheinlicher.“ In freier Wildbahn, so Ribbrock würde so etwas nicht passieren. „Ich habe noch nie gehört, dass irgendwo sechs tote Wildschweine lagen.“

Gefährdet seien auch Ziegen: „Die rennen nicht weg, sondern stellen sich, haben aber trotzdem keine Chance.“ Pferde hingegen „hauen ab“, sagt Ribbrock. Nur wenn es dem Wolf gelinge, ein junges Fohlen zu separieren, könne er erfolgreich sein. „Ein einzelner Wolf wird es nicht mit einer Pferdeherde aufnehmen.“ Ganz selten habe es Fälle in Ostdeutschland gegeben, in denen Wölfe als Rudel Fohlen von der Herde trennen konnten.

Warum kehrt der Wolf zurück?

Bleibt die Frage, warum der Wolf überhaupt zurückkehrt. „Weil der Schutz europaweit für ihn mittlerweile seit Jahrzehnten besteht“, sagt Ribbrock. Die Populationen seien nach und nach wieder angewachsen, und vor 20 Jahren sei der erste Wolf von Polen nach Sachsen eingewandert. Nach und nach seien die Wölfe die Elbe entlang nach Nordwesten und von Niedersachsen nun nach NRW gelangt.

Besondere Ansprüche habe der Wolf, wenn er sein Revier für die Familiengründung auswähle. „Der Bau muss sehr ruhig sein, sonst betreibt er keine Fortpflanzung.“ Auch müssten die Sammelplätze etwas erhöht liegen, damit die Wölfe ihr Revier gut überblicken könnten. Ribbrock hält die von ihm ebenfalls betreuten stillgelegten Truppenübungsplätze in Haltern für prädestiniert für eine Ansiedlung des Wolfs. Dass der Wolf ausgerechnet in Schermbeck als erstes auftauchen würde, hat Ribbrock überrascht: „Ich hätte ihn eher in der Hohen Mark erwartet.“

Niels Ribbrock ist als Wolfsberater erreichbar an der Biologischen Station, Im Höltken 11, 46286 Dorsten, unter Tel. (02369) 77505, mobil unter Tel. (0160) 4373477 oder per E-Mail an ribbrock.biostation-re@t-online.de . Eine Liste der Wolfsberater gibt es hier. Weitere Informationen über den Wolf in NRW.