Unterwegs daheim Was Marielle und Henning in neun Monaten Fahrrad-Reise gelernt haben

Was Marielle und Henning in neun Monaten Fahrrad-Reise gelernt haben
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Marielle Oberkandler und Henning Vengels sind „Unterwegs daheim“. Im März 2022 machten sie sich mit ihren Fahrrädern auf den Weg, die Welt zu bereisen. Über Weihnachten wollten sie eigentlich ein paar Tage nach Hause, die Familie besuchen. Doch dann kam es anders, als sie dachten.

Den geplanten Heimatbesuch über die Feiertage haben Marielle und der Schermbecker Henning abgesagt. Aus einem einfachen Grund. „Wir waren bereits ein paar Tage zu Hause“, sagt sie. Doch dazu später.

Das Paar hat sich im März nach langer Planung aufgemacht, die Welt zu bereisen. Eigentlich sollte es bereits 2020 losgehen – doch dann kam Corona. Als sie schließlich im Februar 2022 loslegen wollten, sollte eines der ersten Länder die Ukraine sein, die sie bereisen wollten – doch dann kam der Krieg.

Also machten sich die beiden in den Westen Europas auf. Ehe sie nach ein paar Monaten die Sinnfrage stellten. „Dort haben wir die Motivation verloren“, gestand Marielle. Westeuropa sei halt etwas ganz anderes als das, was sie eigentlich sehen wollten.

Die Motivation kam wieder, als es schließlich nach Osten ging. Über Spanien und Italien gelangten Marielle und Henning nach Kroatien. Von da ging es nach Bosnien-Herzegowina, nach Montenegro, Serbien, Rumänien, nach Bulgarien, über Griechenland in die Türkei. Was dem Paar besonders gut gefallen hat?

Schnaps und Bier in Bosnien

„Bosnien-Herzegowina und Montenegro“, sagt Marielle. „In Bosnien waren die Menschen unfassbar gastfreundlich. Es gab keinen Tag, an dem wir nicht auf einen Kaffee eingeladen wurden.“ „Oder auf einen Schnaps und Bier“, fügt Henning hinzu. Die Hilfsbereitschaft und Offenheit der Bosnier bleibe ihnen in Erinnerung.

In Montenegro war es vielmehr die Landschaft, die sie beeindruckt hat. „Es war unfassbar schön. Das hatten wir überhaupt nicht auf dem Schirm“, sagt Marielle. Montenegro stehe landschaftlich selbst Norwegen in nichts nach.

Die intensivste Begegnung hatten die zwei zuletzt aber in Rumänien. Schon als Marielle und Henning 2018 mit ihren Rädern mehrere Wochen unterwegs waren, gefiel ihnen das Land „extrem gut“. Und auch dieses Mal wurden sie nicht enttäuscht.

Eine Woche lang wohnten sie bei einer rumänischen Familie auf dem Land. „Die Familie hatte uns eingeladen. Das Haus war zusammengezimmert. Vor dem Haus liefen Hühner und Schweine, gekocht wurde auf dem Holzofen. Die Toilette war ein Donnerbalken mit einer kleinen Hütte darüber. Für uns war das natürlich ungewöhnlich.“

In Serbien haben Marielle Oberkandler und Henning Vengels ein Katzenbaby gefunden.
In Serbien haben Marielle Oberkandler und Henning Vengels ein Katzenbaby gefunden. © Privat

Und trotzdem hätten sie sich extrem wohl gefühlt. „Die Menschen dort haben uns super herzlich mit allem bedient. Sie hatten nicht viel, haben uns aber doch sehr viel gegeben“, sagt Marielle. Ihr und Henning gehe es nicht allein ums Radfahren. „Es ist eine Reise, um Länder und Kulturen zu entdecken.“

Das Interessante ihrer Reise sind die Begegnungen mit den Menschen. Wie sie in anderen Kulturen und Ländern leben, mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben. „Worüber sich Menschen manchmal in Deutschland aufregen, steht null im Verhältnis zu Problemen auf der Welt. Wir merken aktuell, wie viel Glück wir hatten, in Deutschland groß geworden zu sein.“ Marielle ergänzt: „Wir lernen, die ganz kleinen Sachen zu schätzen, die zu Hause normal wären.“

Familienbesuch gab es bereits

Zu Hause. Dort, wo sie eigentlich zu Weihnachten hin wollten, waren sie bereits vor wenigen Wochen. Auch wegen einer ganz kleinen Sache. In Serbien fanden sie ein Katzenbaby in einem Mülleimer. Sie war einfach ausgesetzt worden. „Die Katze wäre gestorben. Deswegen haben wir sie mitgenommen.“ Doch das Leben auf dem Fahrrad wäre für das Tier nichts gewesen. „Also haben wir sie nach Hause gebracht. Wir wollen, dass sie ein schönes Leben hat.“

Ein Katzenleben gegen Weihnachten daheim. Die kleinen Dinge zu schätzen lernen. In Weihnachtsstimmung kommen die Weltreisenden sowieso aktuell nicht, verrät Marielle. „Mein Weihnachtswunsch wäre: kein Schnee.“ Nicht weil sie ihn nicht mag. Vielmehr, weil sie ihn zu sehr mag. „Ich bin eigentlich ein Weihnachtsmensch. Aber - Gott sei Dank - kommt aktuell nur wenig Weihnachtsstimmung auf.“ Ein wachsender Wunsch, die Familie über Weihnachten zu sehen, würde das Leben aktuell schwieriger machen. Alleine Weihnachten feiern müssen sie vielleicht trotzdem nicht. „Wir wollen uns mit anderen Fahrradreisenden aus Deutschland treffen, die wir unterwegs kennengelernt haben. Vielleicht verbringen wir auch Weihnachten mit ihnen zusammen.“

In Istanbul schmücken die Radreisenden ihren Weihnachtsbaum.
In Istanbul schmücken die Radreisenden ihren Weihnachtsbaum. © Privat

Aktuell sind Marielle und Henning in der Türkei unterwegs. Wenn dieser Text erscheint, haben sie mehr als 10.000 Kilometer mit ihren Fahrrädern zurückgelegt. Und es werden mehr. Der Plan ist, so lange zu fahren, wie sie Lust und Geld haben.

Von Istanbul („Die Stadt ist schon zu groß“) soll es innerhalb der Türkei nach Kappadokien gehen. Von dort weiter Richtung Antalya - und schließlich wollen sie im kommenden Jahr über das Mittelmeer nach Israel fahren.

Klappt der Plan?

Die grobe Route für Anfang des Jahres haben sie bereits im Kopf. Von Israel aus wollen sie weiter nach Jordanien, über Saudi-Arabien in den Oman. Und dann? „Ist der Plan, im Frühjahr in den Iran zu reisen.“ Ob das klappt? Das können sie aufgrund der aktuellen Lage im Iran noch nicht einschätzen.

Aber Pläne ändern und improvisieren, das können Marielle und Henning. Das haben sie schon am Anfang ihrer Tour bewiesen. Und wenn die eingeschlagene Route nicht gefällt? Dann ändern sie sie halt.

Was braucht ein Fahrrad für eine längere Reise? Welches Zelt nimmt man am besten? Welche Kleidung sollte man bei einer langen Fahrradreise auf jeden Fall dabeihaben? Über diese Fragen und ihre Tour informieren Marielle Oberkandler und Henning Vengels auf der Internetseite www.unterwegs-daheim.blog.

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