Als Schermbecks Kämmerer Alexander Thomann im Dezember 2022 seinen Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 einbrachte, brauchten die Ratsmitglieder in Schermbeck Zeit, um das Gehörte zu verarbeiten. Aufgrund der vielen, gleichzeitigen Krisen – Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation – sind die Kosten für die Gemeinde Schermbeck stark gestiegen. Deshalb sagte Thomann: „Wir werden um Steuererhöhungen nicht herum kommen.“
Sein Entwurf sah vor, die Grundsteuer A, die Grundsteuer B sowie die Gewerbesteuer in zwei Schritten zu erhöhen. Im ersten Schritt sollte die Grundsteuer B im Jahr 2024 von 495 auf 700 Prozent erhöht werden und die Gewerbesteuer von 460 auf 495 Prozent.
Die zweite Steuererhöhung war laut dem Entwurf für 2026 vorgesehen: Grundsteuer A von 300 auf 500 Prozent, Grundsteuer B von 700 auf 1100 Prozent und Gewerbesteuer von 495 auf 550 Prozent.
Steuererhöhung rückwirkend
Dieses Worst-Case-Szenario ist (vorerst) vom Tisch – solange sich die Rahmenbedingungen nicht ändern. „Die 1110 Punkte sind entstanden, als es den Gas- und Strompreisdeckel noch nicht gab“, erklärte Thomann im Haupt- und Finanzausschuss (HFA) der Gemeinde Schermbeck. „Wir profitieren von diesem Deckel, sodass die Bewirtschaftungskosten nicht in dem Ausmaß steigen, den wir befürchtet haben.“
Weil die Kosten trotzdem hoch sind und die Gemeinde verpflichtet ist, den Haushalt 2023 auszugleichen, sieht der aktuelle Plan Steuererhöhungen rückwirkend zum 1. Januar 2023 vor. Demnach soll die Grundsteuer A von 300 auf 400 Prozent erhöht werden. Die Grundsteuer B soll von derzeit 495 auf 750 Prozent erhöht werden. Und die Gewerbesteuer von 460 auf 510 Prozent.
In Schermbecks Nachbarkommune Dorsten sind zum 1. Januar 2023 ebenfalls die Grundsteuer B und die Gewerbesteuer erhöht worden: Die Grundsteuer B auf 870 Prozent (+90 Punkte) und die Gewerbesteuer auf 505 Prozent (+10 Punkte).
Dass an den Steuererhöhungen kein Weg vorbeiführt, machte Rexforth im HFA deutlich: „Wir müssen in diesem Jahr den Ausgleich in der Haushaltsausführung zeigen. Sonst bekommen wir Besuch – und der wird uns zeigen, wie wir den Haushalt ausgleichen können. Das macht der nur über Ertragssteigerungen.“ Sprich: extremere Steuererhöhungen.
Thomann erwartet im Zuge der vorgeschlagenen Maßnahmen zusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von zirka 2,13 Millionen Euro. Dadurch und durch die Isolierung der durch die Pandemie und den Ukraine-Krieg entstandenen Kosten liegt das Jahresergebnis der Gemeinde aktuell bei 2,76 Millionen Euro plus für 2023. Die Isolierungshilfe ist die Möglichkeit, die Mehraufwendungen für Corona-Pandemie und Ukraine-Krise im Haushalt „zu verstecken“.

Der Kämmerer und der Bürgermeister machten aber auch deutlich, dass die Kommunen Hilfe von Bund und Land benötigen. Spätestens wenn die letzte Isolierungshilfe – Rexforth nennt sie „Bilanzierungstrick“ – 2026 ausläuft. Denn die Isolierung bedeutet nicht, dass die Gelder nicht zurückgezahlt werden müssen.
Entweder muss die Gemeinde sie 2026 einmalig vom Eigenkapital abbuchen oder ab 2026 über längstens 50 Jahre linear abschreiben – insgesamt aktuell ein Beitrag im niedrigen zweistelligen Millionenbereich. Und ohne Isolierung liegt das Jahresergebnis 2023 in den aktuellen Planungen des Kämmerers bei -730.000 Euro – trotz der Steuererhöhung.
„Wenn wir ehrlich sind, müssten wir die Summe hineinrechnen“, sagte Rexforth. Die Verwaltung werde von der Hoffnung getragen, dass Bund und Land bis spätestens 2026 finanzielle Unterstützung liefern. „Wir müssen nach oben spiegeln: Ihr könnt uns nicht alleine lassen. Dann müsst ihr bei euch kürzen und nicht uns an der Basis verhungern lassen.“
„Eine Menge abverlangt“
Wenn der Haushalt am 7. März im Rat verabschiedet wird, dürfte den Politikern wie auch der Verwaltung trotzdem ein Stein vom Herzen fallen. „Dieser Haushalt hat uns allen eine Menge abverlangt“, sagte Rainer Gardemann (CDU) im HFA. „Wir hatten noch nie Haushaltsberatungen, die so davon getrieben waren, dass es immer neue Zahlen gibt.“
Gardemann konnte deswegen Manuel Schmidt (PARTEI) verstehen. Der hatte zuvor gesagt, dass er sich nach den vom Kämmerer vorgelegten Zahlen noch keine abschließende politische Meinung bilden könne. „Wir waren mehrfach in der Situation, dass wir Entscheidungen nicht treffen konnten, weil immer wieder neue Finanzen nachgeschoben wurden“, sagte Schmidt.
Auch Bürgermeister Mike Rexforth konnte diese Sichtweise verstehen. „So macht Haushaltsplanung auch keinen Spaß mehr. Sie gehen abends ins Bett und mittags sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Aber wir können die Entwicklung leider nicht beeinflussen.“
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