
© Helmut Scheffler
Erste Schermbecker Boy-Group wurde von den Mädels angehimmelt
The Jetmasters
Schermbecks erste Boy-Group „The Jetmasters“ wurde vor 50 Jahren bei Konzerten von den Mädchen angehimmelt. Die elektrischen Gitarren wurden zu Beginn von Röhrenradios verstärkt.
Gitarrist und Sänger Heribert Josef Vortmann hatte zum Wiedersehen in den Pfarrsaal der Ludgeruskirche eingeladen. Sänger und Tamburin-Spieler Berthold Steinkamp reiste aus der Wachau bei Dresden an, Heribert Josef Vortmann von Staufenberg bei Kassel. Die anderen Mitglieder der Band blieben in der Region: Gitarrist und Sänger Hans-Joachim (Hennes) Wegner lebt in Raesfeld und ist jetzt Mitglied der „Allstars“ der Schermbecker Gesamtschule.
Gitarrist Walter Wilsrecht und Schlagzeuger Wolfgang Chlebna wohnen in Dorsten. Nur Techniker Heribert Baumeister, der in den Pausen der Bands mit Disco-Musik die Stimmung im Pfarrsaal einheizte, wohnt auch heute noch in Schermbeck.
„Ende der 1960er-Jahre haben wir die Beatband ‚The Jetmasters‘ in Schermbeck gegründet“, erinnert Heribert Josef Vortmann an die Anfänge der Band. Einige kannten sich aus der Schule und aus der Jugendarbeit. Andere kamen aus dem Freundeskreis dazu, weil sie ein in der Band noch fehlendes Instrument spielten.
Pfarrer meldete sich zu Wort
Geprobt wurde in der Regel samstags im Pfarrsaal der Ludgerusgemeinde, manchmal aber auch in einem Keller in Hervest-Dorsten und in einer Gastwirtschaft auf der Hardt in Dorsten. Geeignete Räumlichkeiten zu finden war wegen des Geräuschpegels nicht so leicht. Wenn die Orgelmusik in der Kirche mit dem Sound des jungen Quintetts aus dem Pfarrsaal wetteifern musste, dann meldete sich Pastor Anton Benning zu Wort.
Das Repertoire bestand überwiegend aus gecoverten Liedern. Die fand das Quintett im Radio und auf Schallplatten. Dazu wurden die Platten abgehört, die Texte aufgeschrieben und die Akkorde einstudiert.
„Anfangs haben wir unsere Elektro-Gitarren über alte Röhren-Radios verstärkt und der Ständer einer Trockenhaube leistete gute Dienste als Mikrofon-Ersatz“, erinnert Vortmann an manch kostengünstigen Behelf. Das Knubbel-Mikro aus dem Tonband-Zubehör wurde mit Klebeband drauf befestigt.
Transport mit der Handkarre
Ihre Gagen setzte die Band für den Kauf gebrauchter Verstärker und Lautsprecherboxen, hochwertiger Mikros und Galgenstative ein: vor 50 Jahren schon eine sehr ansehnliche Ausstattung. Der Transport der Musikinstrumente und des Equipments erfolgte in von Schermbeck mit einer Handkarre, bei auswärtigen Auftritten sorgten die Eltern für den Fahrdienst.
In einem Keller an der Halterner Straße in Hervest-Dorsten fand der erste Auftritt der Band „The Jetmasters“ statt. Bis Anfang der 1970er-Jahre war die Band in Erle, Rhade und Dorsten unterwegs und wurde von den Mädels richtig angehimmelt. „Hennes“ Wegner kriegte von einem Mädel einen Plüschhasen geschenkt. Walter Wilsrecht kann sich noch gut an ein Femeeichen-Konzert in Erle erinnern. In der Pause wurde er von einem Typen beschimpft, weil dessen Freundin den Gitarristen wohl in ihr Herz geschlossen hatte.
Jury war nicht überzeugt
Auch am Pop-Festival in der Aula des Dorstener Petrinums nahm die Band „The Jetmasters“ teil. Bei diesem Vorentscheid für die Teilnahme an einem Auftritt in der Vestlandhalle Recklinghausen könnte das Quintett die Jury allerdings nicht recht überzeugen.
Auch in Schermbeck waren die musikalischen „Krachmacher“ mit ihrem modernen Repertoire gerngesehene Gäste zu Kilian auf der Vogelrute, in den Sälen von Köllmann und Overkämping, im Café Steinkamp, in der Gaststätte Doernemann sowie in den Jugendmessen in der Ludgeruskirche.
„The Jetmasters“ brachten frischen Wind in den Kirchenraum. Dass im Altarraum fetzige Beatmusik erklingen konnte, war damals so ungewöhnlich, dass sich in den Kirchenvorstands-Protokollen der Ludgerusgemeinde vielleicht noch ein paar Bemerkungen finden lassen, zumal in solchen Jugendmessen auch junge Frauen am Altar Fürbitten und andere Texte in deutscher Sprache vorlasen.
Zwei Mark für 12 Stunden
Im Pfarrsaal der Ludgerus-Gemeinde koppelten „The Jetmasters“ häufig ihren Live-Auftritt mit einer Disco. Die vierstündigen Veranstaltungen waren von Jugendlichen immer gut besucht, zumal der Eintritt günstig war. Ein Plakat der Gruppe vom 29. August 1970 belegt, dass Gäste für einen zwölfstündigen „non stop underground“ im Pfarrsaal nur 2 DM zahlen mussten. Eingelassen wurde nur jemand, der einen Eintrittsstempel mit dem Schriftzug „The Jetmasters“ auf dem Handrücken vorweisen konnte.
Ein paar Plakate hat Vortmann in seiner Sammlung, unter anderem von der „Karneval-Tanzdiscothek“ der Kolpingsfamilie, die am 8. Februar 1970 um 19 Uhr im Saal Köllmann (heute China Town) stattfand und bei der „The Jetmasters“ für Live-Musik sorgten. An die Gage können sich die Bandmitglieder nicht mehr erinnern, aber jeder durfte sich zusätzlich aus der Tombola-Kiste eine Single aussuchen. Im Stadtarchiv Dorsten erhielt Vortmann ein Foto der Pressekündigung des Kolping-Konzertes in den Ruhr-Nachrichten am 6. Februar 1970.
Band-Mitglieder suchen nach alten Fotos
Ein wenig traurig sind die Band-Mitglieder, dass sie kein Foto von ihren Auftritten zwischen 1969 und 1972 besitzen. 1972 fand der letzte Auftritt statt. Danach begannen für einige Band-Mitglieder die Berufsausbildung oder das Studium an entfernten Orten. Die Band-Mitglieder hoffen nun, dass über diesen Artikel Fotos gefunden werden können, die der Band zur Reproduktion ausgeliehen werden können. Wer ein Foto oder Plakat der Gruppe besitzt, kann sich mit Heribert Josef Vortmann in Verbindung setzen (E-Mail: heribert.vortmann@t-online.de; Handy: 015142175869).
Im Verlauf von mehr als vier Jahrzehnten habe ich das Zusammenwachsen von acht ehemals selbstständigen Gemeinden miterlebt, die 1975 zur Großgemeinde Schermbeck zusammengefügt wurden. Damals wie heute bemühe ich mich zu zeigen, wie vielfältig das Leben in meinem Heimatort Schermbeck ist.
