Neue Stever

Neue Stever in Olfen: Muss Verursacher des Problems die Kosten tragen?

Die Neue Stever sorgt in Olfen immer wieder für Diskussionen. Warum übernimmt die Stadt in dem Projekt eigentlich so viel Verantwortung? Und Gelsenwasser scheinbar so wenig? Die rechtliche Lage.

Olfen

, 25.09.2022 / Lesedauer: 5 min

Wer muss die Neue Stever zahlen? Die Frage der Finanzierung ist ein Knackpunkt des Projekts in Olfen. Nicht nur für die Kritiker, die ein „Millionengrab“ fürchten. Auch Bürgermeister Wilhelm Sendermann hat schon bei mehreren Gelegenheiten gesagt, dass die Neue Stever nur kommen wird, wenn sie die Olfener Steuerzahler kein Geld kosten wird. Aber wer zahlt denn dann? Und wer trägt eigentlich die Verantwortung dafür, dass - denn darum geht es ja in erster Linie bei der Neuen Stever - die Durchgängigkeit von Stever und Lippe wiederhergestellt wird?

„Die Frage der Verantwortlichkeit zur Schaffung einer Durchgängigkeit klärt das Land, hier die Bezirksregierung“, sagt der Olfener Bürgermeister auf diese Frage der Redaktion. Etwas, dass auch die Bezirksregierung selbst bestätigt. Und eigentlich ist die Sache auch ziemlich klar. Sprecherin Celina Ungruhe erklärt: „Das Talsperrensystem Haltern und Hullern unterbindet in seiner heutigen Form durch die Wehranlagen und die großen Staubereiche die ökologische Durchgängigkeit der Stever. Die Gelsenwasser AG als Talsperrenbetreiber und Staurechtsinhaber ist hier aus Sicht der Bezirksregierung Münster Zustandsstörer und in der Konsequenz rechtlich für die Herstellung der Durchgängigkeit heranzuziehen.“

Das sogenannte Verursacherprinzip

Es greift also das sogenannte Verursacherprinzip, das davon ausgeht, dass die Verursacher von Umweltbelastungen im Prinzip auch die Kosten der von ihnen verursachten Umweltbelastung zu tragen haben. „Nach dem Verursacherprinzip hat zum Beispiel jeder, der Abwasser erzeugt, für dessen Behandlung aufzukommen und alle Kosten, einschließlich der Folgekosten zu übernehmen. Hinsichtlich der Durchgängigkeit oberirdischer Gewässer ist der § 34 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) einschlägig. Die Herstellung der Durchgängigkeit wird hier in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Staurechtsinhabers als Verursacher gelegt“, erklärt die Sprecherin der Bezirksregierung die rechtliche Grundlage.

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Kritiker der Neuen Stever in Olfen schaltet Bezirksregierung ein

Allerdings ist der Fall für die Neue Stever hier nicht zu Ende erklärt. Und da wird es dann doch wieder etwas kompliziert. Denn: Es geht bei dem Projekt nicht alleine um die Durchgängigkeit. Diese ließe sich nämlich auch auf anderem Wege herstellen: Alternativ zur Neuen Stever könnten an den vier unterbrechenden Stauanlagen auch technische Fischaufstiegsanlagen errichtet werden. Das stellt aus Sicht der Bezirksregierung allerdings die schlechtere Alternative dar. Zu den Gründen erklärt Celina Ungruhe: „Durch die schwankenden Wasserstände in den Talsperren ist die Funktionsfähigkeit dieser Anlagen jedoch stark begrenzt. Darüber hinaus würden aufwandernde Fische in die großen Stillwasserbereiche der Talsperren gelangen, in denen eine für die Fischwanderung erforderliche Leitströmung weitestgehend fehlt. Die Auffindbarkeit der Fischaufstiegsanlagen ist daher ebenfalls stark begrenzt.“

Bezirksregierung zieht Neue Stever vor

Die Tendenz des Landes, das die Bezirksregierung ja vertritt ist demnach: „Nach fachlicher Einschätzung wäre daher selbst mit vier technischen Aufstiegsanlagen nur eine eingeschränkte Durchgängigkeit erreichbar (B-Lösung), weshalb die ,Neue Stever‘ klar die Vorzugsvariante (A-Lösung) darstellt. Darüber hinaus werden mit der ,Neuen Stever‘ auch neue Lebensräume für gewässer- und auentypische Tiere und Pflanzen in einem großräumigen Biotopverbund geschaffen.“

Kurz gesagt: Die Neue Stever bringt aus Expertensicht mehr als die Fischaufstiegsanlagen - ist aber auch teurer. Und mit dem Verursacherprinzip ist es dann auch nicht mehr so einfach. So ergibt sich auch die Summe, die Gelsenwasser mit in den Topf tun soll. Der Wasserversorger hatte auf Anfrage der Redaktion hier mal von insgesamt 2,1 Millionen Euro Beteiligung gesprochen. „Dies entspräche den Kosten für eine weitergehende Fischaufstiegsanlage am Walzenwehr“, hatte die Sprecherin des Unternehmens gesagt.

So ergibt sich der Anteil von Gelsenwasser

Gelsenwasser muss also für das aufkommen, was mindestens nötig ist, um die Durchgängigkeit wiederherzustellen. Und für mehr nicht. „Die Kostenbeteiligung der Gelsenwasser AG wurde durch Abschätzung der Kosten für die Fischaufstiegsanlagen an den 4 Wehren (B-Lösung) unter Anerkennung einer Teildurchgängigkeit der Wehre 2 bis 4 und unter Berücksichtigung des Mehraufwandes für die zusätzliche kostenpflichtige Kanalwasserentnahme ermittelt“, erklärt Celina Ungruhe von der Bezirksregierung Münster.

Ob das am Ende tatsächlich die 2,1 Millionen Euro sind, ist noch nicht in Stein gemeißelt: „Eine schriftliche Vereinbarung zu der Kostenbeteiligung liegt noch nicht vor, so dass zur Höhe der Kostenbeteiligung seitens der Bezirksregierung noch keine Aussagen gemacht werden können. Die Bezirksregierung Münster befindet sich hier in einem laufenden Austausch mit der Stadt Olfen und der Gelsenwasser AG. Eine zeitnahe finale Klärung ist beabsichtigt“, so die Bezirksregierung dazu. Erst wenn die vorliegt, wird entschieden, ob die Neue Stever kommen wird - oder nicht.

In der Olfener Bevölkerung gibt es zu dem Projekt Neue Stever weiterhin viele Fragen. Rund zehn Millionen Euro würde die Umsetzung am Ende kosten. © Marie Rademacher

Die Stadt Olfen ist bei dem Projekt der sogenannte Vorhabenträger. Also auch die Instanz, die am Ende entscheidet, ob es umgesetzt wird. Warum ist das eigentlich so? Auch eine Frage, die Kritiker immer wieder stellen. Die Bezirksregierung erklärt das anhand des sogenannten Kooperationsprinzips. Das sei, so erklärt es die Sprecherin, ein Grundsatz im wasserwirtschaftlichen Handeln. Hier Verantwortung zu zeigen, sei Aufgabe aller geworden. „Die Erreichung der ehrgeizigen Ziele der Wasserrahmenrichtlinie ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Um diese Ziele tatsächlich erreichen zu können, ist das Engagement aller erforderlich, die einen Beitrag leisten können“, so Celina Ungruhe.

„Überregional bedeutsames Projekt“

Ganz konkret heißt das für die Neue Stever: „Die Stadt Olfen agiert hier im Rahmen des Kooperationsprinzips. Es wird hier versucht, die fachlich bessere, aber auch teurere A-Lösung durch eine Kooperation zwischen der Stadt Olfen, der Gelsenwasser AG und dem Land (vertreten durch die Bezirksregierung Münster) in die Umsetzung zu bekommen. Das Engagement der Stadt Olfen wird hier seitens der Bezirksregierung Münster außerordentlich begrüßt“, erklärt sie weiter.

Zu den Gründen heißt es von der Bezirksregierung: „Die Herstellung der Durchgängigkeit des Steversystems ist ein überregional sehr bedeutsames Projekt für die Erreichung der Ziele der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Mit dem Bau der Neuen Stever kann das heute abgekoppelte mit 925 km² größte Teileinzugsgebiet der Lippe wieder durchgängig an die Lippe angeschlossen werden. Darüber hinaus werden mit diesem Gewässerlauf neue Lebensräume für gewässer- und auentypische Tiere und Pflanzen in einem großräumigen Biotopverbund geschaffen. Das neue Gewässer soll dabei nicht nur ökologisch hochwertig, sondern auch landschaftlich attraktiv angelegt werden, um die ruhige Naherholung zu fördern. Das Projekt dient also nicht nur dazu, die durchgängige Anbindung der Stever an die Lippe zu erreichen.“

Aber das kostet eben auch. Mit rund zehn Millionen Euro, so hat es Bürgermeister Wilhelm Sendermann zuletzt geschätzt, würde die Umsetzung der Neuen Stever am Ende zu Buche schlagen. Neben dem Anteil von Gelsenwasser soll es eine Förderung des Landes NRW geben, der Eigenanteil der Stadt Olfen soll durch den Verkauf von Ökopunkten geleistet werden. Auch die Bezirksregierung erklärt aber deutlich: „Final liegt die Entscheidung beim Vorhabenträger, ob die Finanzierung des Gesamtprojektes darstellbar ist. Wir gehen derzeit von einer Entscheidung im Herbst dieses Jahres aus.“

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