
Bürgermeister Wilhelm Sendermann bei einer Info-Veranstaltung zur neuen Stever: Gerade weil die Finanzierung des Projekts noch nicht geklärt ist, steht es in der Kritik. © Marie Rademacher (Archiv)
Millionen-Projekt Neue Stever: Finanzierung weiter nicht geklärt
Neue Stever
Gelsenwasser, Stadt Olfen und Land NRW: Wer zahlt für die Neue Stever? Wie die Finanzierung des 10-Millionen-Euro-Projekts laufen könnte, ist längst nicht geklärt.
Die Neue Stever wird - wenn sie denn politisch beschlossen und dann umgesetzt wird - ein Mammutprojekt. Auch mit Blick auf die Kosten: Um die Neue Stever zu realisieren, braucht es insgesamt circa 10 Millionen Euro. So schätzt es der Olfener Bürgermeister Wilhelm Sendermann auf Anfrage der Redaktion. Was er dabei ganz offen zugibt: Noch ist nicht geklärt, wer dabei welchen Anteil zahlen würde.
Mit im Spiel sind neben der Stadt Olfen auf jeden Fall das Land NRW und die Gelsenwasser AG. Die ist als Wasserversorger und Betreiber der beiden Stauseen in Haltern und Hullern sozusagen verantwortlich für das Problem, was die Neue Stever überhaupt notwendig macht. Seit die beiden Stauseen angelegt sind, gibt es keine Verbindung mehr von Lippe und Stever - und damit auch keine ökologische Durchgängigkeit. Fische können so zum Beispiel nicht wandern. Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie schreibt aber vor, dass Gewässer in der EU spätestens bis 2027 in einem „guten ökologischen“ und „guten chemischen Zustand“ sein müssen - dazu gehört die Durchlässigkeit. Und so kam es eben zu den Überlegungen, die Neue Stever zu schaffen.
Unklarheiten zur Beteiligung von Gelsenwasser
Auf vorige Anfragen der Ruhr Nachrichten hatte die Gelsenwasser AG erklärt, dass sie sich an dem Projekt beteiligen werde. „Mit der Bezirksregierung Münster, die das Projekt ebenfalls fördert, hat Gelsenwasser eine Beteiligung von 2,1 Millionen Euro vereinbart. Dies entspräche den Kosten für eine weitergehende Fischaufstiegsanlage am Walzenwehr“, so Pressesprecherin Heidrun Becker damals. Eine Summe, mit der Bürgermeister Wilhelm Sendermann „Verständnisprobleme“ habe, wie er auf einer Infoveranstaltung zur Neuen Stever im August öffentlich sagte. Und eine Summe, die er nicht schriftlich fixiert vorliegen habe.
Das verwunderte einige Kritiker des Projekts: Liegt doch eine Stellungnahme der Bezirksregierung Münster als Vertreter des Landes NRW vor, in der genau diese 2,1 Millionen Euro von Gelsenwasser erwähnt werden. „Dieser finanzielle Beitrag wurde in einem gemeinsamen Termin am 30. Juli 2021 unter anderem mit Teilnahme des Kreises Coesfeld (Herr Claas, Frau Brunsmann) und der Stadt Olfen (Herr BM Sendermann) besprochen“, heißt es in der Stellungnahme der Bezirksregierung.
Bürgermeister Wilhelm Sendermann bleibt damit konfrontiert weiter bei seinem „Verständnisproblemen“. Er erklärt auf Anfrage der Redaktion: „Die 2,1 Millionen Euro sind das Ergebnis von Verhandlungen, an denen die Stadt Olfen nicht einbezogen war. Eine Vereinbarung oder ähnliches liegt mir nicht vor. Die Grundlagen, die zu diesem Wert geführt haben, lagen mir nicht vor. Das erklärt meine geäußerte Position.“
Übernimmt Gelsenwasser doch höheren Anteil?
Wie auch die Kritiker der Neue Stever schätzt der Bürgermeister von Olfen die Verantwortung der Gelsenwasser AG finanziell stärker ein. Er sagt: „Ich habe angeregt, dass sich Gelsenwasser mit einem höheren Anteil beteiligt, um den Anteil für die Stadt zu minimieren und das Projekt umsetzungsfähig zu halten.“
Auch eine erneute Anfrage bei Gelsenwasser hört sich nicht mehr so eindeutig an, dass die 2,1 Millionen Euro feststehen: „Gelsenwasser befindet sich derzeit in einem laufenden Austausch mit der Stadt Olfen und weiteren Akteuren rund um das Thema Neue Stever.“ Fragen der Redaktion, wie der Betrag von 2,1 Millionen Euro zusammenkam, ob er schon fest steht oder möglicherweise noch veränderbar ist oder wie Gelsenwasser sich selbst in der Verantwortung sieht, lässt Pressesprecherin Heidrun Becker unbeantwortet.
Offen ist zudem, wie es mit der Förderung des Landes aussieht, auf die die Stadt Olfen für die Umsetzung der Neuen Stever angewiesen wäre. 80 Prozent erhofft der Bürgermeister. Aber: „Die Förderung durch das Land ist noch nicht geklärt. Auch ein Förderantrag ist noch gar nicht gestellt. Ich befinde mich dazu in einem engen Austausch mit der Bezirksregierung. Aktuelle Aufgabe ist es derzeit, den Finanzierungsanteil von Gelsenwasser verbindlich zu machen“, so der Bürgermeister.
Kompliziertes Verfahren
Neben Gelsenwasser und Land wird die Stadt Olfen auch einen Anteil der Kosten übernehmen müssen. Allerdings soll das durch den Verkauf von Ökopunkten so geregelt werden, dass es die Steuerzahler und Steuerzahlerinnen in Olfen kein Geld kostet. Etwas, das Wilhelm Sendermann schon bei mehreren Gelegenheiten öffentlich versprochen hat. Das Ökopunkte-Verfahren ist dabei ziemlich schwer anschaulich zu machen. Kurz erklärt läuft es so: Kommunen können Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung ihrer Fläche von der Naturschutzbehörde anerkennen lassen. Für die Maßnahmen werden sogenannte Ökopunkte vergeben, mit denen frei gehandelt werden kann.
Das Verfahren ist ziemlich kompliziert, wie Wilhelm Sendermann erklärt. Zum Beispiel seien Ökopunkte im Kreis Recklinghausen und im Kreis Coesfeld nicht direkt vergleichbar - „so wie Euro und Dollar“. Laut Planfeststellungbeschluss ergibt sich für die Neue Stever nach Angaben des Bürgermeisters ein Biotopwertüberschuss von 673.648 Ökopunkten. Ein Ökopunkt kostet bei der Stadt Olfen derzeit 2,38 Euro. „Das muss man nachher präzise umrechnen, um korrekte Aussagen abgeben zu können“, so Wilhelm Sendermann. „Die von der Stadt bei einer Durchführung des Vorhabens zu verwertenden Ökopunkte ergeben sich aus der Gesamtfinanzierung. Da diese noch nicht geklärt ist, sind diese auch noch nicht klar“, sagt er weiter. Und räumt Folgendes ein: „Aber wer versteht und kann das alles schon? Da ich damit schon seit vielen Jahren persönlich mit zu tun habe, sind mir diese Aspekte alle geläufig. Dem ,normalen‘ Bürger sind sie nur schwer zu vermitteln“, so Sendermann.
Bürgermeister schätzt Gesamtkosten auf 10 Millionen Euro
Zu den Gesamtkosten erklärt er außerdem: „Ich gehe von Kosten von circa 10 Millionen Euro aus. Hinzu kommt der Grunderwerb. Die Grundstücke würden dann allerdings im Eigentum der Stadt bleiben. Wertberichtigungen müsste man dabei aber gegebenenfalls berücksichtigen.“
Gegebenenfalls. Denn: Noch steht nicht fest, ob das Projekt Neue Stever überhaupt umgesetzt wird, es ist noch keine beschlossene Sache - eben, weil die Finanzierung noch nicht steht. Zum Zeitplan erklärt der Bürgermeister: „Ich rechne damit, dass in diesem Herbst alles auf dem Tisch liegen wird. Dann werde ich dem Rat der Stadt eine Entscheidung vorschlagen.“ Erst dann wird feststehen, ob es zum Bau der Neuen Stever kommt. Oder ob das Projekt, das die Stadt Olfen seit 2007 beschäftigt, doch zu den Akten gelegt wird.
Ich mag Geschichten. Lieber als die historischen und fiktionalen sind mir dabei noch die aktuellen und echten. Deshalb bin ich seit 2009 im Lokaljournalismus zu Hause.
